danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

RG, 18.05.1917 - III 244/16

Daten
Fall: 
Börsentermingeschäft
Fundstellen: 
RGZ 90, 250
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.05.1917
Aktenzeichen: 
III 244/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG II Berlin
  • KG Berlin

Börsentermingeschäft. Voraussetzung und Inhalt der Erklärung des Einverständnisses mit der Bewirkung der vereinbarten Leistung.

Tatbestand

Gegenüber der unbestrittenen Klageforderung von 491,50 M macht der Beklagte durch Aufrechnung und durch Widerklage eine Gegenforderung von 16.000 M geltend. Die Bankfirma B., L. & Co. hat nämlich, wie der Berufungsrichter annimmt, von ihrem Guthaben gegen den Kläger - nach dem vom Kläger als richtig anerkannten Saldo für 30. Juni 1914 20.222,65 M, nach dem folgenden Saldo für 31. Juli 1914 41.822.23 M - den Betrag von 16.000 M an den Beklagten abgetreten. Das Guthaben der Bankfirma war aus Börsentermingeschäften erwachsen, und der nicht börsentermingeschäftsfähige Kläger erhebt den Terminseinwand, den Spieleinwand sowie den Einwand, er sei vom Beklagten als Angestellten der Bankfirma durch wahrheitswidrige Vorspiegelungen zu den Börsentermingeschäften verleitet worden.

Das Landgericht erachtete die Gegenforderung für begründet und verurteilte den Kläger zur Zahlung von 15.508,50 M an den Beklagten. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen, das Berufungsurteil jedoch auf die Revision des Klägers aufgehoben.

Gründe

"Der Berufungsrichter gelangt zur Zurückweisung des Termineinwandes und damit des Spieleinwandes, BörsG. § 58, durch Anwendung des § 57, indem er den Anschauungen des im Bankarchiv 1913 S. 226 flg. abgedruckten Urteils des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 20. Februar 1914 Rep. II. 629/13 folgt. Es kann dahin stehen, ob den rechtlichen Auffassungen dieses Urteils beizupflichten wäre. Denn auch von diesem Standpunkt aus erscheint das Berufungsurteil nicht haltbar. Das Urteil vom 20. Februar 1914 zieht unter den § 57 die Abschlüsse, die durch Rückkauf der Wertpapiere von Seiten der Bank und durch Erfüllung der für die Bank aus diesem Rücklauf erwachsenen Verpflichtung unter dem Einverständnis des andern Teiles ihre Erledigung gefunden haben; eben dieser Tatbestand eines Rückkaufs wird auch in RGZ. Bd. 82 S. 181 behandelt ("die Klägerin verkaufte die Shares an den Beklagten und nahm sie ihm auf seinen Wunsch wieder ab"). Hier aber nimmt der Berufungsrichter an, daß in den Monatsabrechnungen die zurückgekauften Papiere mit Provision, Courtage und Stempel berechnet sind, während bei den Papieren, die ohne Rücklauf lediglich prolongiert worden sind, derartige Beträge nicht in Rechnung gestellt wurden. Der Saldo vom 30. Juni 1914 scheint sonach sowohl zurückgekaufte als nicht zurückgekaufte Papiere zu umfassen, ohne daß untersucht und festgestellt ist, inwieweit diesem Saldo Rückkäufe zugrunde liegen. Nur insoweit aber wäre vom Standpunkte des gedachten Urteils aus für die Anwendung des § 57 Raum gegeben.

Die Einverständniserklärung des andern Teiles mit der Bewirtung der vereinbarten Leistung wird von jenem Reichsgerichtsurteile vom 20. Februar 1914 gefunden in der Anerkennung der allmonatig über Kauf- und Rückkaufspreis gelegten Rechnung. Dabei wird Bezug genommen auf RGZ. Bd. 76 S. 81 flg., wo bei einer offenbar materiellen Leistung (Abnahme der nach Auftrag zu kaufenden Papiere von dem dritten Verkäufer und Beifügung der Papiere zum Depot des Auftraggebers) ausgesprochen ist, es genüge auch eine stillschweigende, aus den Umständen zu folgernde Willenserklärung. Eine Endentscheidung gibt das Reichsgerichtsurteil vom 20. Februar 1914 nicht, weil es an den für das Einverständnis erforderlichen Unterlagen fehle. Der Berufungsrichter erachtet wie das Landgericht die formularmäßige Bestätigung der Monatsrechnungen, insbesondere mit den Schlußworten "Ich erkläre mich mit Ihren Maßnahmen einverstanden", als eine Einverständniserklärung im Sinne des § 57. Diese Auffassung ist rechtsirrig; es genügt auch nicht, daß der Berufungsrichter feststellt, der Kläger habe bei seiner Bildung aus den Monatsabrechnungen ersehen, welche Papiere die Bank zurückgekauft hatte. Zunächst fehlt, wie bereits betont, die Feststellung, inwieweit der Saldo für 80. Juni 1914 zurückgekaufte Papiere betrifft. Sodann aber erfordert die Einverständniserklärung des § 57, daß der Erklärende eine Leistung des andern Teiles, eine ihm bewirkte sachliche Erfüllung als eine solche billigen wollte und gebilligt hat. Aus der Rechnungslegung an sich ist der Erfüllungszweck nicht erkennbar. Die Rechnungslegung über die Rückkäufe steht vielmehr als eine rechnerisch notwendige und nur vorbereitende Klarstellung dessen, was auf Grund der Rückkäufe materiell zu leisten ist, an sich in einem offenbaren Gegensatze zu der Leistung selbst. Aus der Rechnungslegung an sich ergibt sich weder, daß die Bank sie als ihre endgültige Leistung aus den Rückkäufen dem Andern bewirken will, noch, und zwar noch viel weniger, daß der andere Teil sie als eine solche Leistung annimmt und billigt, - während doch die nach der gelegten Rechnung geschuldeten materiellen Leistungen nur auf weitere Rechnung vorgetragen werden, also gerade unerfüllt und unbewirkt bleiben.

Immerhin aber wird wenigstens als nicht unmöglich anzuerkennen sein, daß die Rechnungslegung über die Rückkäufe als eine an die Stelle der ursprünglich vereinbarten Leistung, der Lieferung der Papiere, tretende anderweite Leistung neuerdings vereinbart wird. Ob die entfernte Möglichkeit einer solchen neuerlichen Vereinbarung verwirklicht ist, läßt sich nur nach Lage des einzelnen Falles entscheiden.

Die Annahme, als ob die auch nur stillschweigende Billigung einer gelegten Rechnung schon an sich ohne die gekennzeichnete besondere Vereinbarung eine Einverständniserklärung mit einer Leistung sein könne und sei, würde noch hinter den § 68a des Börsengesetzentwurfes vom 28. November 1906 zurückgehen, welcher ein schriftliches und ausdrückliches Anerkenntnis bei oder nach Empfang einer schriftlichen Mitteilung über die Art und das Ergebnis der Abwickelung des Geschäfts mit der Wirkung der Heilung der Börsentermingeschäfte zuließ; diese äußere Form sollte nach der Begründung dieses damaligen Entwurfes S. 13/15 eine Gewähr dafür bieten, daß die Aussteller der Anerkenntnisse sich ihrer Bedeutung bewußt gewesen seien. Ein solches Schuldanerkenntnis ist aber durch § 57 völlig beseitigt. Die Motive zu § 57 besagen:

"Wie in § 58 des Entwurfs (§ 57 des Ges.) vorgesehen, gilt das durch effektive Leistung abgewickelte Geschäft als von Anfang an verbindlich; eine solche Regelung ist völlig ausreichend, um allen berechtigten Interessen zu genügen. Damit fällt jeder Anlaß weg, für Fälle, in denen auch nach der vorgeschlagenen neuen Regelung ein Börsentermingeschäft unwirksam sein soll, die nachträgliche Heilung der Unwirksamkeit durch ausdrückliches oder stillschweigendes Anerkenntnis zuzulassen. Wenn der Entwurf vom 28. November 1906 weitergehen mußte (§ 68a), so hing dies damit zusammen, daß zur Vollwirksamkeit eines Börsentermingeschäfts die Eintragung wenigstens einer Partei im Börsenregister verlangt wurde und nach wie vor damit zu rechnen war, daß von der Eintragungsmöglichkeit kein entsprechender Gebrauch gemacht werden würde, also Geschäfte, deren Wirksamkeit an sich dem Willen des Gesetzes entsprochen haben würde, unwirksam blieben. Nach der jetzt vorgeschlagenen Regelung würde eine dem § 68a des früheren Entwurfs entsprechende Vorschrift nur solchen Geschäften zugute kommen, die nach dem Willen des Gesetzes unwirksam sein sollen. Die Unwirksamkeit bezweckt den Abschluß solcher Geschäfte zu verhindern. Ließe dann das Gesetz noch die Verbindlichkeit eines Anerkenntnisses zu, so würde es wiederum selbst den Abschluß der von ihm nicht gewollten Geschäfte begünstigen. Die Hoffnung, demnächst ein Anerkenntnis zu erlangen, würde geradezu dazu verleiten, Geschäfte ohne gesicherte Rechtsgrundlage einzugehen" ... "Ist es richtig, daß die Grenzen, in denen das Börsentermingeschäft freigegeben werden soll, sich mit den Bedürfnissen des soliden Handels decken, so könnte die Verbindlichkeit eines Anerkenntnisses außerhalb dieser Grenzen nur mit Rücksicht auf den unsoliden Handel zugelassen werden."

Den Materialien zum geltenden Börsengesetze sowie den Motiven zum Entwurfe von 1906 liegt der Gedanke völlig fern, daß schon die Mitteilung über Art und Ergebnis der Abwickelung des Geschäfts eine effektive, das Geschäft endgültig erledigende Leistung sein könne. Der Entwurf von 1906 enthielt als § 68 Abs. 1 eine dem § 55 BörsG. entsprechende Vorschrift über den Ausschluß der Zurückforderung "von Zahlungen und sonstigen zur Erfüllung des Geschäfts gemachten Leistungen" (Motive S. 17); und in der Kommissionsberatung über den geltenden § 57 führte der Regierungsvertreter aus, "der § 58 (§ 57 BörsG.) beziehe sich nur auf solche Geschäfte, die durch Lieferung der Ware und Zahlung des Kaufpreises abgewickelt werden sollten. Habe der eine Teil die ihm obliegende Leistung endgültig erfüllt, so daß ihm nach § 56 (55 BörsG.) kein Rückforderungsrecht mehr zustehe, und habe sich der andere Teil damit einverstanden erklärt, so solle sich der andere Teil der Verpflichtung zur Bewirkung der Gegenleistung nicht mehr durch Berufung auf die Vorschrift des § 53 (§ 52 BörsG.) entziehen können."

Im vorliegenden Falle spricht nichts dafür, daß die Bankfirma und der Kläger vereinbart haben, es solle die Rechnungslegung über die Rückkäufe an die Stelle der ursprünglich gewollten effektiven Leistung, der Lieferung der Papiere, treten. Die Erklärung des Klägers zu den einzelnen Monatsabrechungen "Ich erkläre mich mit Ihren Maßnahmen einverstanden" enthält dem Wortsinne nach lediglich das Bekenntnis, daß die Geschäftsmaßnahmen der Bank auftraggemäß seien oder genehmigt würden; und das Anerkenntnis der Saldi in den vierteljährlichen Kontoauszügen, insbesondere des Saldos vom 30. Juni 1914 - auf welches die vom Berufungsrichter gebilligten Gründe des Landgerichts nebenbei ("im übrigen auch") auch noch Wert legen - ist nichts als ein Schuldanerkenntnis, welches die nur gemäß § 57 eintretende Heilung eben nicht zu bewirken vermag.

Es muß dem Berufungsrichter überlassen bleiben, das Tatsachenmaterial nochmals unter dem gekennzeichneten rechtlichen Gesichtspunkte zu würdigen.

Endlich wird von der Revision mit Recht angegriffen der Schlußsatz des Berufungsrichters: "die Behauptung, daß der Kläger vom Beklagten zum Börsenspiele, zum Teil unter wissentlich unwahren Angaben, verleitet sei, ist unerheblich". Der Kläger hat nach dem Tatbestande des Berufungsrichters ein unsittliches (§ 138 BGB.) und den § 826 BGB. erfüllendes Verhalten des Beklagten mit vollkommener Schlüssigkeit behauptet, eine planmäßige und sogar durch Vorspiegelung falscher Tatsachen durchgeführte Verleitung des in Börsengeschäften völlig unerfahrenen Klägers zur Börsenspekulation oder zum Börsenspiele. Die rechtliche Bedeutung eines solchen Verhaltens wird selbstverständlich nicht beseitigt durch § 57 BörsG., der nur die dem Geschäfte nach dem Börsengesetz anhaftenden Mängel heilt und im übrigen nur den Einwand aus den §§ 762, 764 BGB. ausschließt. Ein solches Verhalten führt vielmehr ganz unabhängig von den Vorschriften des Börsengesetzes und auch, wenn der Tatbestand des § 94 BörsG. nicht erfüllt sein sollte, zur Nichtigkeit der Geschäfte und zum Anspruch auf Schadensersatz, wie der erkennende Senat bereits im Urteile vom 29. September 1916, Rep. III. 207/16 dargelegt hat."