RG, 18.05.1917 - III 466/16

Daten
Fall: 
Bestimmbarkeit abzutretender Forderungen
Fundstellen: 
RGZ 90, 248
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.05.1917
Aktenzeichen: 
III 466/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bielefeld
  • OLG Hamm

Liegt eine wirksame Abtretung in der Vereinbarung, daß die jeweils jüngsten Forderungen einer offenen Handelsgesellschaft bis zu einem bestimmten Gesamtbetrag als abgetreten gelten, einer Einziehung zugunsten des neuen Gläubigers aber um die bei Beendigung der Gesellschaft jüngsten Forderungen unterworfen sein sollen?

Tatbestand

Der Bautechniker Heinrich N., der Vater und gesetzliche Vertreter der Kläger, beteiligte sich an der offenen Handelsgesellschaft Gebr. St., deren Gesellschafter er und Peter St. waren, mit einer Einlage von 20.000 M, die nach § 3 des Gesellschaftsvertrags vom 5. März 1913 für seine Kinder sichergestellt werden sollten. Am 31. Juli 1913 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Die Kläger machten nun geltend, die 20.000 M seien ihr Eigentum gewesen, und beanspruchten auf Grund einer von Peter St. namens der Gesellschaft unterzeichneten Abtretungserklärung vom 7. Juli 1913 in Verbindung mit einem am 18. oder 19. Juli 1913 von N. aufgestellten, dem St. übergebenen Verzeichnis bestimmter Gesellschaftsforderungen aussonderungsweise die Zahlung von 20.000 M aus den vom Konkursverwalter eingezogenen Forderungsbeträgen. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung der Kläger zurückwiesen. Ihre Revision hatte keinen Erfolg.

Gründe

"Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Kläger, daß ihnen auf Grund des § 3 des Gesellschaftsvertrags ein Recht auf Sicherung zustand, und legt das danach als Erfüllung zu erachtende, der Abtretungserklärung vom 7. Juli 1913 zugrundeliegende Abkommen von diesem Tage dahin aus, daß die jeweils jüngsten Forderungen der Gesellschaft bis zum Betrage von 20.000 M als abgetreten gelten, einer Einziehung zugunsten der Kläger aber nur die bei Beendigung der Gesellschaft jüngsten Forderungen unterstehen sollten. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Abkommen, wie das Berufungsgericht annimmt, die Revision aber bestreitet, nach § 188 BGB. nichtig oder nach § 21 Nr. 1 KO. anfechtbar war. Denn es war schon seinem Inhalte nach nicht geeignet, eine wirksame Abtretung von Forderungen und damit das von den Klägern geltend gemachte Aussonderungsrecht zu begründen. Das Berufungsgericht weist selbst darauf hin, daß nach dem Abkommen der Gegenstand der Abtretung ständig wechseln sollte, sei es daß neue Forderungen hinzukamen oder alte wegfielen. Solange die Gesellschaft bestand, konnte jeden Augenblick eine Änderung eintreten. Erst mit der Beendigung der Gesellschaft, die hier erst mit der Konkurseröffnung eintrat, ließ sich überhaupt feststellen, welche Forderungen endgültig an die Kläger abgetreten sein sollten, und selbst in diesem Zeitpunkte waren noch, wie z. B. bei gleichzeitig entstandenen Forderungen, Zweifel denkbar. Eine solche Unsicherheit bezüglich des Gegenstandes der Abtretung darf im Rechtsverkehr nicht zugelassen werden. Die Abtretungserklärung vom 7. Juli 1913 war daher schon wegen des Fehlens der für Abtretungen erforderlichen Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Gegenstandes wirkungslos. Sie stand aber auch mit dem Wesen der Abtretung, die, auch wenn sie nur zum Zwecke der Sicherung geschieht, ein Ausscheiden aus dem Vermögen des einen und den Übergang in das Vermögen des anderen Teiles voraussetzt, insofern im Widerspruch, als während des Bestehens der Gesellschaft das Recht der Einziehung und zwar für ihre eigene Rechnung der Gesellschaft verbleiben, ein ernstlicher Übergang der Forderungen also überhaupt nicht stattfinden sollte (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 3. März 1916 III. 393/15 LZ. 1916 S. 675 Nr. 10).

Eine Bezeichnung bestimmter Forderungen als Gegenstand der Abtretung findet sich erst in dem von N. aufgestellten und von St. ohne Widerspruch entgegengenommenen Verzeichnis. Auch darauf können aber die Kläger ihren Anspruch nicht mit Erfolg gründen. Das Verzeichnis konnte eine doppelte Bedeutung haben. Hielten sich die Beteiligten im Rahmen des Abkommens vom 7. Juli 1913, so brachte das Verzeichnis nichts weiter zum Ausdruck als die Meinung der Beteiligten, daß die aufgeführten Forderungen damals die jüngsten Forderungen waren, die im Sinne des Abkommens als abgetreten gelten, aber keineswegs den Klägern zur Einziehung für eigene Rechnung zustehen sollten. Eine wirksame Abtretung lag dann nach den dargelegten Grundsätzen nicht vor. Sollten aber, was die Kläger behaupten und nach seinem damaligen Verhalten anscheinend auch ihr Vater wollte, die fraglichen Forderungen den Klägern endgültig abgetreten sein, dann war diese Abtretung nach § 30 Nr. 2 KO. anfechtbar und zufolge der Anfechtung durch den Konkursverwalter gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam. Denn die Kläger hatten auf eine solche endgültige Abtretung während des Bestehens der Gesellschaft nach dem Abkommen vom 7. Juli 1913 keinen Anspruch. Daß auch im übrigen die Voraussetzungen des § 30 Nr. 2 KO. vorlagen, hat das Berufungsgericht einwandfrei dargelegt." ...