RG, 05.05.1917 - V 11/17

Daten
Fall: 
Neubau eines Hotelgebäudes
Fundstellen: 
RGZ 90, 198
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.05.1917
Aktenzeichen: 
V 11/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG München
  • OLG München

Sind die beim Neubau eines Hotelgebäudes hergestellten elektrischen Aufzüge wesentliche Gebäudebestandteile?

Tatbestand

Die Klägerin lieferte im Jahre 1912 den Eheleuten F. zu ihrem Neubau des Hotels "Königshof" in M. einen elektrischen Personenaufzug, einen großen elektrischen Lastenaufzug, sechs elektrische Speiseaufzüge und einen kleinen elektrischen Lastenauszug, sogenannte Hebebühne, mit den für die Aufzüge erforderlichen Einrichtungsteilen zum Preise von 40.000 M unter Vorbehalt des Eigentums bis zur völligen Bezahlung des Preises. Der Kaufpreis ist noch nicht vollständig bezahlt. Im Jahre 1915 wurde auf Betreiben des Beklagten die Zwangsversteigerung des Hotelgrundstücks angeordnet.

Mit der Klage beantragte die Klägerin, die Beschlagnahme der genannten Gegenstände für unzulässig zu erklären. Sie behauptete, diese seien lediglich Zubehör des Hotels. Der Beklagte machte dagegen geltend, die Gegenstände seien wesentliche Bestandteile des Hotelgrundstücks geworden und daher sei der Eigentumsvorbehalt wirkungslos.

Der erste Richter erkannte nach dem Klagantrage. Der Berufungsrichter dagegen wies die Klage ab.

Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der Berufungsrichter erachtet die streitigen Aufzüge sowohl nach § 98 wie nach § 94 Abs. 2 BGB. als wesentliche Bestandteile des fraglichen Hotelgebäudes. In tatsächlicher Hinsicht ergibt sich aus seinen auf Grund des Gutachtens eines Sachverständigen getroffenen Feststellungen folgendes. Das Hotelgebäude ist, nachdem das alte Hotel vollständig niedergerissen worden war, vom Fundament aus neu aufgebaut worden. Es hat fünf Stockwerke und ist in Anbetracht seiner äußeren und inneren Gestaltung und Ausstattung, seiner Lage, seiner Größe und seiner Gäste ein Hotel ersten Ranges. Die Aufzugsanlagen haben sich der baulichen Umgebung auf das engste in bezug auf Maße und Gebäudezwecke angeschlossen. Bei der Einrichtung ist eine umfangreiche Vorbereitung am Baue selbst getroffen worden. Für die Antriebsmaschine und die Aufzugsschachte ist der nötige Raum geschaffen, zur Auflagerung der Rollengerüste sind entsprechende starke Mauem vorgesehen worden. Die Festsetzung der baulichen Vorbereitung hinsichtlich Raum- und Maßbestimmung hat sich Hand in Hand zwischen dem Planfertiger und der Klägerin als der Lieferantin der Aufzüge lange vor Beginn der Bauarbeiten vollzogen. Die Aufzugsmaschinen sind auf Betonfundamenten mittels Steinschrauben fest aufgeschraubt. Die Führungen von Fahrstuhl und Gegengewicht sind mit Hilfe von Mauerankern an den Schachtmauern und beim Personenaufzuge, der in der sogenannten Laterne der Haupttreppe in einer Gitterumwehrung läuft, an der Treppe und deren Podesten befestigt. Die Lager der Führungsrollen für die Seile sind auf Rollengerüsten, bestehend aus schmiedeeisernen Trägern, die in die Umfassungsmauern der Schächte eingemauert sind, aufgeschraubt. Die Röhren für die elektrischen Leitungen sind zum Teil in den Schachtwänden mittels Schrauben befestigt, zum andern Teile unter den Putz der Schachtwände gelegt.

Nach diesen tatsächlichen Verhältnissen kann die Annahme des Berufungsrichters, daß die Auszüge wesentliche Bestandteile gemäß § 94 Abs. 2 BGB. seien, nicht für rechtsirrtümlich erachtet werden. Der erkennende Senat hat allerdings in zahlreichen Entscheidungen, worauf die Revision sich beruft, Maschinen und sonstige zum Betriebe bestimmte Gerätschaften, die in dauernd für einen gewerblichen Betrieb eingerichtete Gebäude eingestellt oder daran angebracht waren, nicht für wesentliche Bestandteile der Gebäude erklärt, und zwar nach § 94 Abs. 2 BGB. deswegen nicht, weil sie durch ihre Einstellung oder Anbringung nicht zur Herstellung der Gebäude als Baulichkeiten mitgewirkt hätten. Vorliegend aber ist vor Beginn der Bauarbeiten zu dem Neubau des Hotelgebäudes bei der Anfertigung des Bauplans auf die Einrichtung der elektrischen Aufzüge Rücksicht genommen, dabei für die Antriebsmaschinen und die Nutzugsschachte der nötige Raum geschaffen und zur Auflegung der Rollengerüste eine entsprechende Verstärkung der Mauern vorgesehen, und sind andernteils die Aufzugsanlagen in bezug auf Maße und Gebäudezwecke der künftigen baulichen Umgebung angepaßt worden. Ferner sind beim Einrichten die einzelnen Teile der Anlagen in den Aufzugsschächten in oder an den Schachtwänden und beim Personenauszug in der Gitterumwehrung der Laterne an der Haupttreppe ihren Zweckbestimmungen entsprechend festgelegt worden. Danach hat die für den Neubau von vornherein vorgesehene, gemäß dem Bauplan erfolgte Einrichtung der Aufzugsanlagen dazu mitgewirkt, daß das "Gebäude" in seiner geplanten Sonderart, nämlich als ein mit Personen-, Last- und Speiseaufzügen versehenes modernes fünfstöckiges Hotelgebäude, "hergestellt" wurde, und es sind die Aufzugsanlagen auch "eingefügt" zur Herstellung dieses Gebäudes, da sie zwischen Teile des Gebäudes gebracht und durch Einpassen in die für sie bestimmten Stellen mit den sie umschließenden Stücken verewigt sind. Daher sind für die Aufzugsanlagen die Erfordernisse des § 94 Abs. 2 BGB. zur Annahme der Eigenschaft als wesentliche Gebäudebestandteile gegeben (vgl. RGZ. Bd. 56 S. 290, Bd. 80 S. 423, Bd. 62 S. 251). Zu den wesentlichen Gebäudebestandteilen nach § 94 Abs. 2 BGB. gehört nicht nur, was zur Herstellung einer jeden Baulichkeit notwendig ist, wie gewöhnliche Baumittelstücke, sondern auch, was durch seine Verarbeitung dem betreffenden Gebäude ein bestimmtes Gepräge, seine besondere Eigenart gegeben hat (vgl. Jur. Wochenschr. 1911 S. 532 Nr. 2. S. 574 Nr. 4). Letzteres trifft hier auf die bei dem Neubau des Hotelgebäudes zugleich eingerichteten elektrischen Aufzugsanlagen zu. Es verhält sich damit ähnlich wie mit einer Automateneinrichtung, die in das zum Zwecke der Aufnahme der Automaten umgebaute Gebäude eingefügt worden ist (vgl. Gruchot Beitr. Bd. 58 S. 898).

Hiernach kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme des Berufungsrichters, daß die Aufzugsanlagen auch nach § 93 BGB. als wesentliche Bestandteile des Hotelgebäudes zu erachten seien, zutreffend ist, und bedarf es nicht eines Eingehens auf die von der Revision dagegen erhobenen Angriffe. Jedoch ist zu bemerken, daß § 94 Abs. 2 nicht etwa für Gebäudebestandteile als eine den § 93 BGB. erläuternde Vorschrift anzusehen ist, sondern selbständige Bedeutung hat, und daß danach die Eigenschaft eines wesentlichen Gebäudebestandteils auch dann gegeben sein kann, wenn die Voraussetzungen des § 93 nicht vorliegen (vgl. RGZ. Bd. 63 S. 418). Dies kann besonders in Betracht kommen, wenn es sich um Sachen handelt, die nicht fest mit dem Gebäude verbunden und ohne große Schwierigkeit und wesentliche Beschädigung ihrer selbst und des Gebäudes aus diesem entfernt werden können. Sind solche Sachen zur Herstellung des Gebäudes eingefügt, so sind sie, wie z. B. Fenster, Türen, gemäß § 94 Abs. 2 trotz ihrer losen Verbindung wesentliche Bestandteile des Gebäudes (vgl. RGZ. Bd. 60 S. 423. Bd. 62 S. 251), während nach § 93 möglicherweise, etwa weil sie ihre körperliche Selbständigkeit bewahrt hätten (vgl. RGZ. Bd. 87 S. 45), die Bestandteilseigenschaft zu verneinen wäre. Es kommt deshalb vorliegend nicht darauf an, ob die einzelnen Teile der zur Herstellung des Hotelgebäudes eingefügten Aufzugsanlagen mit den anderen Gebäudeteilen als fest verbunden zu erachten sind oder nicht. Sind aber hiernach die Aufzugsanlagen gemäß § 94 Abs. 2 BGB. wesentliche Bestandteile des Hotelgebäudes, so sind sie trotz des Eigentumsvorbehalts gemäß § 946 BGB. Eigentum der Grundstückseigentümer geworden und daher von der Beschlagnahme des Grundstücks mitumfaßt (RGZ. Bd. 63 S. 421, Bd. 67 S. 82). Mit Recht hat deshalb der Berufungsrichter die Klage auf Erklärung der Unzulässigkeit der Beschlagnahme abgewiesen."