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RG, 26.04.1917 - VI 37/17

Daten
Fall: 
Umwandlung des auf sofortige Zahlung gerichteten Anspruchs
Fundstellen: 
RGZ 90, 177
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.04.1917
Aktenzeichen: 
VI 37/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Düsseldorf
  • OLG Düsseldorf

1. Ist nach Erhebung des Widerspruchs gegen einen Zahlungsbefehl die Umwandlung des auf sofortige Zahlung gerichteten Anspruchs in einen betagten oder bedingten im ordentlichen Verfahren um deswillen unzulässig, weil ein solcher Anspruch im Mahnverfahren nicht zulässig gewesen sein würde?
2. Ist der Gläubiger an das Versprechen, den Schuldner bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses in Ruhe zu lassen, auch gebunden, wenn der Schuldner vor dem Eintritt des Ereignisses die Gültigkeit der Forderung bestreitet?
3. Bildet die Übernahme einer Bürgschaft eine Schenkung des Bürgen an den Gläubiger, wenn sie ohne Gegenleistung des Gläubigers erfolgt?

Tatbestand

Der Kläger hat gegen die Beklagte auf Grund ihrer schriftlichen Bürgschaftsverpflichtung einen Zahlungsbefehl auf 17.700 M erwirkt. Nach Erhebung des Widerspruchs stellte er, einem Einwande der Beklagten entsprechend, den Antrag, sie zu verurteilen, den schuldigen Betrag nach dem Tode ihres Vaters aus dessen Nachlasse zu bezahlen. Die Beklagte focht die Bürgschaft als durch arglistige Täuschung und wucherische Ausbeutung erpreßt an. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung von Eiden der Klägers über die Behauptungen der Beklagten abhängig gemacht.

Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Gründe

1.

"Die Revision wiederholt den Einwand, daß ein im Mahnverfahren unzulässiger Anspruch auch durch zulässige Klagänderung nicht weiter verfolgt werden könne. Sie meint damit, daß der von dem Kläger geänderte Antrag, weil er dem Mahnverfahren unzugänglich war, auch in dem sich anschließenden ordentlichen Verfahren nicht zugelassen werden durfte.

Die Rüge ist nicht begründet. Der jetzige Anspruch des Klägers ist betagt und bedingt, betagt, weil er erst nach dem Tode des Vaters der Beklagten fällig wird, bedingt, weil seine Erfüllung davon abhängt, ob die Beklagte oder ihre Erben den Vater überleben und aus seinem Nachlaß etwas erhalten. Ein solcher Anspruch kann, weil der Schuldner den Gläubiger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Zahlungsbefehls zu befriedigen braucht (§ 692 ZPO.), im Mahnverfahren nicht geltend gemacht werden. Dies ist hier auch nicht geschehen. Der Zahlungsbefehl lautete lediglich auf Zahlung von 17700 M. Erst nach Erhebung des Widerspruchs hat der Kläger seinem Antrage die jetzige Fassung gegeben. Ob hierin, wie die Revision und das Berufungsgericht annehmen, eine Klagänderung liegt, kann auf sich beruhen. Ist die Klage geändert worden, so hat die Beklagte durch Unterlassung des Widerspruchs dann eingewilligt. Die Ansicht der Revision, daß, weil der Rechtsstreit mittels Zahlungsbefehls eingeleitet wurde, im ganzen Laufe des darauf folgenden ordentlichen Verfahrens das Klagebegehren keine Gestalt erhalten dürfe, die im Mahnverfahren unstatthaft sein würde, ist nicht zu billigen. Das Gesetz bietet dafür keinen Anhalt. Wird gegen den Zahlungsbefehl Widerspruch erhoben, so gilt die Klage als mit der Zustellung des Zahlungsbefehls erhoben. Der weitere Prozeßgang bestimmt sich nach den .allgemeinen Vorschriften, soweit in den §§ 694 bis 703 ZPO. nichts anderes verordnet ist. Hätte das Gesetz gewollt, daß das nach dem Widerspruche gegen den Zahlungsbefehl einsetzende ordentliche Verfahren an die Schranken gebunden bleibe, die die §§ 688, 691, 692 für den Erlaß eines Zahlungsbefehls aufstellen, so wäre das sicherlich ausgesprochen worden. Eine solche fortwirkende Beschränkung, für die kein Interesse ersichtlich ist, würde der Prozeßökonomie zuwiderlaufen und eine Einschnürung und Verkümmerung des aus dem Mahnverfahren herauswachsenden ordentlichen Verfahrens zur Folge haben, die der Anwendung des Mahnverfahrens höchst abträglich sein würde. So dürfte nicht zum Feststellungsanspruch übergegangen, auch im Wege der Klageverbindung kein Anspruch eingefügt werden, der gegen die Erfordernisse des Mahnverfahrens verstieße. Dies würde einer gesunden und zweckdienlichen Ordnung des Streitverfahrens nicht entsprechen.

2.

Unstreitig hat der Kläger der Beklagten versprochen, sie bis zum Tode ihres Vaters in Ruhe zu lassen. Das Berufungsgericht erachtet dennoch die Klage aus § 259 ZPO. für zulässig, weil der Kläger infolge der Einwendungen der Beklagten gegen die Gültigkeit der Bürgschaft zu sofortiger Klage habe schreiten dürfen, um die Unsicherheit der künftigen Erfüllung zu beheben.

Die Revision bekämpft diese Auffassung. Sie zieht in Zweifel, ob § 259 ZPO. sich überhaupt auf bedingte und nicht bloß auf künftige Ansprüche beziehe. Wenn dies selbst zu bejahen wäre, so verkenne das Berufungsgericht das Wesen des vorliegenden pactum de non petendo. Der Kläger hätte den Rechtsstreit nicht anhängig machen dürfen, und es sei unerheblich, daß die Beklagte, nachdem sie verklagt worden wäre, auch andere Einwendungen erhoben habe. Zu ihrer Prüfung hätte das Berufungsgericht gar nicht gelangen dürfen, sondern wegen des pactum die Klage ohne weiteres abweisen müssen.

Der Angriff kann keinen Erfolg haben. Vielmehr war im Ergebnis dem Berufungsgerichte beizutreten. Richtig ist, daß die Klage abzuweisen gewesen wäre, wenn die Beklagte ihr alleinig das Versprechen des Klägers entgegengesetzt hätte, sie bis zum Tode ihres Vaters in Ruhe zu lassen. Das hat sie indes nicht getan, sondern neben der Berufung auf das Versprechen des Klägers die Bürgschaft wegen Betrugs und Wuchers angefochten. Welche von beiden Einwendungen sie an die erste Stelle gerückt hat, ist gleichgültig. Dem Gläubiger, der seinem Schuldner versprochen hat, bis zu einem gewissen Zeitpunkte keine gerichtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen, kann nicht verwehrt sein, vor Ablauf der Frist das Gericht anzugehen, wenn der Schuldner den Anspruch in irgendeiner Art bestreitet, und der Gläubiger in die Gefahr gerät, bei weiterem Zuwarten den Sachverhalt nicht mehr klarstellen zu können oder seine Beweismittel für die Gültigkeit des Anspruchs oder zur Entkräftung der Anfechtungsgründe des Schuldners zu verlieren. Dies trifft besonders dann zu, wenn der Schuldner die Leugnung des Anspruchs wie hier mit ehrenrührigen Beschuldigungen gegen den Gläubiger begründet, deren sofortige gerichtliche Widerlegung diesem angelegen sein muß. Eine Vereinbarung wie die gegenwärtige ist daher als unter dem stillschweigenden Vorbehalte des Gläubigers geschlossen anzusehen, daß der Schuldner die Gültigkeit der Forderung nicht in Frage stelle, und daß der Gläubiger, wenn es geschehe, berechtigt sei, eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen der Forderung herbeizuführen. Der Kläger war deshalb zur Klage befugt. Der § 259 ZPO., in dessen Form er sie gekleidet hat, eignet sich für Fälle wie den vorliegenden, weil nach dem Verhalten der Beklagten die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sie sich der künftigen Leistung entziehen werde. Daß § 259 sich auch auf bedingte Ansprüche erstreckt, ist vom Reichsgerichte wiederholt ausgesprochen worden (RGZ. Bd. 51 S. 243; 72 S. 22).

3.

Die Revision behauptet schließlich, daß das Berufungsurteil auf einer irrigen Verteilung der Beweislast beruhe. Nach der eigenen Darstellung des Klägers habe die Beklagte die Bürgschaft ohne Gegenleistung übernommen. Dann bilde sie eine Schenkung, wofür er beweispflichtig sei. Das Berufungsgericht habe aber die Eidesauflage von der Beweislast abhängig gemacht.

Das letztere ist richtig. Im übrigen ist die Beschwerde völlig verfehlt. Die Klage stützt sich auf die Bürgschaftsurkunden, denen gegenüber die Beklagte zu beweisen hat, daß ihre Verpflichtung unwirksam sei. Die Übernahme einer Bürgschaft kann eine Schenkung sein (RGZ. 54 S. 284). Dies ist sie aber nicht schon dann, wenn der Gläubiger dem Bürgen keine Gegenleistung i.S. der Revision macht, sondern erst, wenn der Gläubiger dadurch bereichert wird und beide Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind, § 516 BGB. Davon war hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede." ...