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RG, 14.04.1917 - V 26/17

Daten
Fall: 
Vergütungsanspruch eines Eisenbahnunternehmers
Fundstellen: 
RGZ 90, 154
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.04.1917
Aktenzeichen: 
V 26/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Essen
  • OLG Hamm

Kann der Eisenbahnunternehmer für Frachten, die er zur Wiederherstellung der infolge bergbaulicher Einwirkungen gesunkenen Bahngleise hat ausführen müssen, Vergütung nach Maßgabe der Tarifsätze beanspruchen?

Tatbestand

Auf der Bahnstrecke Altenessen-Gelsenkirchen wurden Bodensenkungen festgestellt. Der Kläger ließ den Bahnkörper wieder herstellen und verlangte dann aus § 249 BGB. Kostenersatz. Die Beklagte erkannte ihre Ersatzpflicht an sich an, bemängelte aber die Höhe der in Rechnung gestellten Transportkosten. Das Berufungsurteil, das der Klage stattgegeben hatte, ist aufgehoben wurden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Für den durch ihren Bergwerksbetrieb verursachten Schaden hat die Beklagte nach § 148 BergG. vollständige Entschädigung zu leisten, über die Art und den Umfang der Entschädigung findet mangels besonderer berggesetzlicher Vorschriften der § 249 BGB. Anwendung, der bestimmt:

Wer Schadensersatz zu leisten hat, ist den Zustand herzustellen verpflichtet, der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist Schadensersatz wegen Beschädigung einer Sache zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Die zur Herstellung erforderlichen Transporte hat der Kläger durch seine Angestellten und Arbeiter unter Gestellung der nötigen Maschinen, Wagen und Gerätschaften ausführen lassen, und den Ersatz hierfür beansprucht er in der vollen Höhe der tarifmäßigen Frachtsätze. Richtig ist nun, daß der § 249 BGB., wenn er von dem Ersatze des zur Herstellung "erforderlichen" Geldbetrags spricht, damit einen objektiven Maßstab anlegt. Besondere Umstände, die gerade dem Beschädigten die Herstellung auf dem gewöhnlichen Wege erleichtern oder erschweren können, haben auszuscheiden. Dem Gläubiger sind nicht die tatsächlich verauslagten Kosten zu ersetzen, sondern die zur Herstellung erforderlichen Kosten, und dies ist der Geldbetrag, der für die Herstellungsarbeiten im Verkehr regelmäßig gefordert und bewilligt wird. Daß in diesem Sinne der § 249 Satz 2 zu verstehen ist, entspricht der in der Rechtslehre herrschenden Ansicht und auch - RGZ. Bd. 71 S. 215 - der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Indessen reichen die getroffenen Feststellungen auch bei dieser dem Kläger günstigen Gesetzesauslegung nicht aus, den Klaganspruch als gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Wenn es sich darum handelt, den gesunkenen Bahnkörper wieder zu heben, wird der Fachmann regelmäßig der Eisenbahnunternehmer selbst sein, er wird vor allem auch über das erforderliche Personal und Material verfügen, und er wird, schon um Betriebsstörungen und Betriebsgefahren fernzuhalten, stets in der Lage bleiben müssen, nach Zeit und Ort über die Ausführung der Arbeiten nach eigenem Ermessen zu befinden. Jedenfalls ist für die Revisionsinstanz nicht zu unterstellen, daß Arbeiten wie die Hebung von Eisenbahnanlagen regelmäßig an fremde Unternehmer, die sich dann der Eisenbahn als Frachtführers bedienen müssen, verdungen zu werden pflegen, vielmehr ist mangels entgegenstehender Feststellungen davon auszugehen, der sachgemäße und auch der verkehrsübliche Weg werde sein, daß die Eisenbahn selbst die Arbeiten ausführen läßt. Dann aber müssen auch bei Anwendung der objektiven Berechnungsart die Tarifsätze für die Kostenberechnung außer Betracht bleiben. Der Eisenbahnunternehmer, der selbst die Ausbesserung besorgt und damit wegen seines Herstellungsanspruchs sich selbst befriedigt (RGZ. a. a. O.), besorgt auch die Transporte für sich, und die tarifmäßigen Frachtsätze, die nach der getroffenen Feststellung im vorliegenden Falle die Selbstkosten um 40 vom hundert übersteigen, erwachsen ihm als Kosten nicht. Der zu ersetzende Herstellungspreis würde nicht der im Verkehr übliche Preis sein, wenn er auf der Grundlage von Verhältnissen bemessen würde, unter denen tatsächlich im Verkehr die Herstellung sich nicht zu vollziehen pflegt. Ist es die Regel, daß der Eisenbahnunternehmer selbst die beschädigten Anlagen herstellt, so haben als übliche Frachtkosten nur die Selbstkosten zu gelten, in der Hohe, wie sie unter den gegebenen Verhältnissen jeder Inhaber eines solchen Unternehmens hätte aufwenden müssen. Zu dieser Rechtsauffassung stellt sich das Berufungsgericht durchweg in Gegensatz, und deshalb war die Aufhebung des Urteils geboten. Der geltend gemachte Anspruch ist nicht der Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 250 Satz 2, 251, 253, sondern der Herstellungsanspruch in der Form einer Geldzahlung zum Ersatze der Kosten, die dem Gläubiger dadurch, daß er sich selbst befriedigt hat, erwachsen sind. In Frage steht auch nicht, wie anscheinend das Berufungsgericht annimmt, die Gewährung einer angemessenen Vergütung für die Leistung "organisierter Arbeit"; unter diesem Gesichtspunkte hat auch der Kläger selbst seinen Anspruch gar nicht zu begründen versucht.

Das Berufungsgericht wird über den Klaganspruch seinem ganzen Umfange nach erneut zu befinden haben. Den Anspruch der Höhe nach festzustellen, unterliegt nach § 287 ZPO. dem freien richterlichen Ermessen; entsprechend der bereits in dem Urteile des erkennenden Senats in der Sache Fiskus wider Dorstfeld vom 18. September 1914 - V. 128/14 - zum Ausdruck gelangten Rechtsauffassung wird aber daran festzuhalten sein, daß der Anspruch aus § 249 Satz 2 BGB. nicht auch den Anspruch auf einen sog. Unternehmergewinn umfaßt. Anderseits werden die Herstellungskosten entsprechend höher zu bemessen sein, soweit sich ergeben sollte, daß die Herstellung regelmäßig auch für den Eisenbahnunternehmer im Interesse der vollständigen Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes und zur Vermeidung von Einnahmeausfällen mit gesteigerten Schwierigkeiten und Hemmungen verbunden ist."