RG, 02.04.1917 - IV 7/17

Daten
Fall: 
Anwendbarkeit der Vorschriften der deutschen Konkursordnung
Fundstellen: 
RGZ 90, 124
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.04.1917
Aktenzeichen: 
IV 7/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bielefeld
  • OLG Hamm

Darf die aus Verwertung Österreichischen Grundbesitzes entstandene Geldforderung des inländischen Gemeinschuldners zur inländischen Konkursmasse gezogen werden? Finden die Vorschriften der deutschen Konkursordnung auf eine inländische Forderung des inländischen Gemeinschuldners Anwendung, wenn die Leistung im Inlandgebiet zur Ausführung gebracht wird?

Tatbestand

Über das Vermögen des Gutsbesitzers A. T. ist am 19. Dezember 1910 das Konkursverfahren von dem Amtsgerichte Detmold eröffnet worden. Zu seinem Vermögen gehörte das aus dem Nachlasse seines Vaters auf ihn als Miterben nach gemeinen Rechte vererbte Miteigentum zu 1/6 an drei Wiener Häusern, von denen das eine Haus bereits am 20. September 1910, die beiden andern Häuser während des Konkurses von dem im Testamente des Erblassers zum Verwalter des Nachlasses ernannten Beklagten verkauft worden sind. Der Konkursverwalter erhob bezüglich dieses Wiener Grundbesitzes gegen den Beklagten, der nach Entmündigung des Gemeinschuldners wegen Geisteskrankheit auch dessen Vormund geworden war, Klage auf Rechnungslegung und auf Auszahlung des von den Erträgen und dem Erlöse des Grundbesitzes auf den Gemeinschuldner entfallenen Anteils. Nachdem der Beklagte zunächst zur Rechnungslegung rechtskräftig verurteilt worden war und zur Erfüllung dieser Verpflichtung eine Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben aus den Wiener Häusern für 1910 bis 1917 eingereicht hatte, verlangt Kläger jetzt die Zahlung verschiedener in der Abrechnung aufgeführter Einnahmebeträge von zusammen 26672,19 M nebst Zinsen, weil die Zahlung dieser Beträge an den Gemeinschuldner unter Übersendung des Geldes in das Inland der Konkursverwaltung gegenüber ohne Wirkung sei.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten gemäß dem Klageantrage. Die Berufung wurde durch Teilurteil in Höhe von 16100,65 M zurückgewiesen. Die Revision blieb erfolglos aus nachstehenden Gründen:

Gründe

"Durch den in Deutschland von dem Fürstlich Lippeschen Amtsgerichte Detmold eröffneten Konkurs wurde nach § 61 der österreichischen Konkursordnung vom 25. Dezember 1868, wie bereits in dem früheren Urteile des Revisionsgerichts in dieser Prozeßsache vom 28. April 1914 (Gruchots Beitr. Bd. 58 S. 1119) ausgeführt ist, das in Österreich belegene unbewegliche Vermögen des Gemeinschuldners nicht berührt. Die infolge der Konkursbeschlagnahme eingetretene Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners war hinsichtlich des Wiener Grundbesitzes ohne Wirkung. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht hierüber stand nicht dem Konkursverwalter, sondern dem Gemeinschuldner zu. An diesem Grundsätze wird auch nichts geändert durch § 67 der jetzt geltenden österreichischen Konkursordnung vom 10. Dezember 1914, der lediglich die Einwirkung des ausländischen Konkurses auf das im Inlande (Österreich) befindliche bewegliche Vermögen behandelt (vgl. Lehmann, Kommentar zur österreich. Konkurs-Ausgleichs- und Anfechtungsordnung Bd. 1 S. 457). Die hiernach dem unbeweglichen Vermögen zukommende Ausnahmestellung gilt aber nur so lange, als das Vermögen die Eigenschaft des unbeweglichen hat. Ist durch Veräußerung des Grundstücks, durch Einziehung der Grundstückseinkünfte usw. die Verwertung des Grundbesitzes durchgeführt und an Stelle des Miteigentums am Grundstück eine einfache Geldforderung des Gemeinschuldners getreten, ist sogar, wie dies nach den Anführungen des Beklagten der Fall, das Geld für den Gemeinschuldner bei einer Bank angelegt, so finden auf diese Forderung die Grundsätze Anwendung, die für das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen gelten. Daß das unbewegliche Vermögen in Österreich der Einwirkung des ausländischen Konkurses entzogen ist, hat seinen Grund in der Rücksichtnahme auf die dortigen Gläubiger. Zur Wahrung der Interessen dieser Gläubiger ist im § 61 der Konkursordnung vom 25. Dezember 1868 den österreichischen Gerichten wenn der Gemeinschuldner dort Grundstücksvermögen besitzt, die ausschließliche Zuständigkeit vorbehalten, das Konkursverfahren hierüber nach österreichischen Gesetzen zu eröffnen und nach diesen Gesetzen zur Durchführung zu bringen. Für ein solches Konkursverfahren ist aber kein Raum, wenn die Liquidation des Grundbesitzes beendet ist und es sich nur um den bei der Liquidation verbliebenen Überschuß handelt. Die Revision erhebt denn auch nach dieser Richtung hauptsächlich nur den Einwand, daß nach § 1 der deutschen Konkursordnung, wonach das Konkursverfahren nur das zur Zeit der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner gehörige Vermögen umfaßt, der Anspruch des Gemeinschuldners auf Auszahlung des Anteils an dem bei Versilberung des Wiener Grundbesitzes erzielten Barerlös überhaupt nicht in die Konkursmasse falle. Neben dem Miteigentum an den Grundstücken habe zur Zeit der Konkurseröffnung ein Anspruch auf Auszahlung des Erlöses, der einen selbständigen Vermögensbestandteil darstelle, nicht bestanden. Er sei zu dieser Zeit auch nicht als ein bedingter Anspruch vorhanden gewesen. Diese Ausführungen erscheinen nicht begründet. Der Anspruch auf Auszahlung des Anteils hat seinen Rechtsgrund in dem bereits vor der Konkurseröffnung vorhandenen Miteigentum, aus welchem sich dieser Anspruch infolge Verwertung des Grundbesitzes entwickelt hat, und ist in dem Miteigentum als ein schon zur Zeit der Konkurseröffnung bestehendes Recht (vgl. Gruchots Beitr. Nd. 45 S. 621) mit enthalten gewesen. Die Konkurszugehörigkeit ergibt sich aber auch, wenn man den Grund der Vorschrift des § 1 KO. ins Auge faßt. Die hier ausgesprochene Beschränkung der Konkursmasse auf das zur Zeit der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner gehörige Vermögen hat nur die Bedeutung, daß der nach dieser Zeit von dem Gemeinschuldner gemachte Neuerwerb, um ihm das wirtschaftliche Fortkommen nicht zu sehr zu erschweren, vom Konkurse frei bleiben soll (Motive II S. 19 flg., Protok. S. 1 flg., 145; Jaeger, Anm. 53 zu § 1 KO.). Ein solcher Neuerwerb steht aber hier, wo nicht von dem Gemeinschuldner neue Mittel hinzuerworben sind, sondern das zur Zeit der Konkurseröffnung in Form von Grundeigentum vorhandene Vermögen nur eine andere Rechtsform angenommen hat, nicht in Frage. Bedenken gegen die Zugehörigkeit des Anspruchs zur Konkursmasse sind auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkte zu erheben, daß es dem Konkursverwalter zur Zeit der Konkurseröffnung bezüglich des Wiener Grundbesitzes nicht möglich war, der ihm im § 1 KO. (vgl. auch § 238) gestellten Aufgabe der Herbeischaffung des gesamten ausländischen Vermögens zu genügen, daß die nach ausländischem Rechte aus § 61 der österreichischen Konkursordnung sich ergebende Schranke erst im Laufe des Konkursverfahrens weggefallen ist. Es ist nicht zu bezweifeln, daß schon im Zeitpunkte der Konkurseröffnung der Wiener Grundbesitz, obschon damals die Zwangsvollstreckung im Bereiche des österreichischen Rechtes noch nicht durchführbar war, vom Standpunkte des § 1 der deutschen Konkursordnung aus der Zwangsvollstreckung unterlag.

Unerörtert kann bleiben, welche Grenzen der Einwirkung des deutschen Konkurses auf das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen zu ziehen sind. Anerkanntermaßen ist die Rechtsgültigkeit einer Zwangsvollstreckung in das dortige bewegliche Vermögen vor Eingang des Ersuchens der deutschen Konkursbehörde um Ausantwortung lediglich nach österreichischem Rechte ohne Berücksichtigung der Verfügungsbeschränkung des ausländischen Gemeinschuldners zu beurteilen (RGZ. Bd. 54 S. 193. § 67 Österr. KO. vom 10. Dezember 1914, Lehmann, Kommentar hierzu Bd. 1 S. 482, Friedländer, Anm. 3 und 5 zu § 61 Österr. KO. vom 25. Dezember 1868). Fraglich ist aber, in welchem Maße diese Verfügungsbeschränkung sonst für die Zeit vor Stellung des Ersuchens Geltung hat, ob insbesondere der Beklagte durch die ohne Zustimmung des Konkursverwalters erfolgte Hinterlegung des dem Gemeinschuldner zustehenden Anteils bei dem Wiener Bankverein von seiner Verbindlichkeit befreit worden ist. Auf diese Fragen braucht für den vorliegenden Rechtsfall nicht weiter eingegangen zu werden. Entscheidend ist, daß der Schuldner, der die dem inländischen Gemeinschuldner zu machende Leistung im Inlande bewirkt, die nach inländischem Rechte bestehende Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners, worin dem Berufungsgerichte nur beigetreten werden kann, zu beachten hat. Durch den mit der Konkurseröffnung verbundenen offenen Arrest wird allen Personen die Verpflichtung auferlegt, das dem Gemeinschuldner zu Leistende nicht an diesen, sondern zur Konkursmasse an den Verwalter abzuführen (§ 118 und § 8 KO.). Dieser Vorschrift ist auch der ausländische Schuldner insoweit unterworfen, als die Leistung innerhalb der Grenzen des deutschen Staatsgebietes im Bereiche der inländischen Zwangsvollstreckungsgewalt zur Ausführung kommt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Erfüllungsort im Inland oder im Auslande belegen ist, ob die Forderung des inländischen Gemeinschuldners zu dem inländischen Vermögen oder zu dem ausländischen Vermögen zu rechnen ist (vgl. über letztere Frage RGZ. Bd. 13 S. 280; Jur. Wochenschr. 1900 S. 588 Nr. 3; anderseits Meili, Lehrbuch des intern. Konkursrechts § 26 unter II 3 S. 89, Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts § 112 bei Anm. 4). Hat der Leistende in Kenntnis der Eröffnung des Konkursverfahrens die Leistung im Inlande dem Gemeinschuldner zugeführt, so wird er der Konkursmasse gegenüber, soweit das Geleistete nicht in deren Besitz gekommen ist, von seiner Verbindlichkeit nicht befreit, sondern ist zur nochmaligen Leistung verpflichtet.

Im vorliegenden Falle hat der Beklagte, wie festgestellt, über das aus der Verwertung des Wiener Grundbesitzes herrührende, nach seiner Angabe bei dem Wiener Bankverein auf das Konto des Gemeinschuldners angelegte Guthaben in der Weise verfügt, daß er (anscheinend durch Anweisung der Bank) die im Berufungsurteile näher bezeichneten, von ihm als verausgabt in Rechnung gestellten Zahlungen im Gesamtbetrage von 16100,65 M an und für den Gemeinschuldner im Inlande hat leisten lassen. Er hat hierdurch, mag er nun als Verwalter oder als späterer Vormund des Gemeinschuldners gehandelt haben, das in diesen Geldbeträgen bestehende Vermögen in das Inland übergeführt und die kraft seiner Verwaltungspflicht (nach Herausnahme des Geldes aus der Bank) dem Gemeinschuldner zu machende Leistung nicht, die es nach den Vorschriften der deutschen Konkursordnung geboten war, an die Konkursmasse abgeführt, sondern dem Gemeinschuldner zukommen lassen. Daß hinsichtlich dieser im Inlande vorgenommenen Leistungen die Vorschriften der deutschen Konkursordnung für den Beklagten verbindlich waren, kann hier um so weniger einem Zweifel unterliegen, als er im Deutschen Reiche seinen Wohnsitz hat und, was für seine etwaige Tätigkeit als Vormund in Betracht kommen würde, ein von einem deutschen Amtsgerichte bestellter Vormund war. Mit Recht hat demgemäß das Berufungsgericht angenommen, daß der Beklagte, weil er trotz Kenntnis der Konkurseröffnung unter Nichtbeachtung des vom Konkursverwalter gestellten Verlangens den Vorschriften der deutschen Konkursordnung zuwiderhandelte, sich persönlich haftbar gemacht hat und deshalb zum Ersatze der 16100,65 M verpflichtet ist. Die Revision erweist sich hiernach nicht als begründet."