RG, 09.03.1917 - II 512/16

Daten
Fall: 
Gewinne und Verluste der oHG
Fundstellen: 
RGZ 90, 14
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.03.1917
Aktenzeichen: 
II 512/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Chemnitz, Kammer für Handelssachen
  • OLG Dresden

Schließt eine über Gewinn und Verlust getroffene Regelung, wonach einer von mehreren Geschäftsteilhabern ein festes Entgelt erhält und weder am Gewinne noch am Verluste teilnimmt, den Bestand einer offenen Handelsgesellschaft aus?

Tatbestand

Der Kläger und der Beklagte zu 1, Arthur Sch., waren seit Jahren unter der Firma Louis H. Sch. zu einer offenen Handelsgesellschaft vereinigt, deren Zweck nach dem zwischen ihnen am 1. Mai 1898 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag in der Fabrikation und dem kaufmännischen Vertriebe von Strumpf- und Trikotwaren bestand. Tiefgehende Zerwürfnisse unter den Gesellschaftern führten zu verschiedenen Prozessen. Einer davon endigte mit einem Vergleiche, bei dem der als Gesellschaftsvertrag bezeichnete Vertrag der Parteien vom 13. März 1914 zustande kam. Laut diesem Vertrage trat der Beklagte zu 2, Erich Sch., vom 1. April 1914 ab in die offene Handelsgesellschaft unter der Firma Louis H. Sch. als persönlich haftender Gesellschafter ein. Als solcher wurde er auch demnächst in das Handelsregister zu L. eingetragen.

Der Kläger war der Ansicht, daß der Beklagte zu 2 die Stellung eines Gesellschafters insbesondere mit Rücksicht darauf, daß er nach dem Vertrage weder am Gewinne noch am Verluste beteiligt sei, nicht erlangt habe. Er erhob Klage auf Feststellung, daß der Beklagte zu 2 nicht persönlich haftender Gesellschafter der Firma Louis H. Sch. sei.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Beklagte zu 2 durch den Vertrag vom 13. März 1914 Gesellschafter der unter der Firma Louis H. Sch. in L. bestehenden offenen Handelsgesellschaft geworden ist.

Richtig ist zwar, daß durch einen Vertrag mehrerer Personen, der lediglich die Haftung für die Schulden eines unter gemeinschaftlicher Firma betriebenen Handelsgewerbes in der Weise regelt, daß alle Vertragschließenden als Gesamtschuldner persönlich haften, eine offene Handelsgesellschaft nicht begründet wird. Der Vertrag muß vielmehr alle Erfordernisse eines Gesellschaftsvertrags (§§ 705 BGB.) enthalten. Diesen Erfordernissen genügt aber der Vertrag der Parteien vom 18. März 1914. Der gemeinsame Zweck insbesondere, dessen Erreichung zu fördern die Parteien sich verpflichtet haben, ist, wie das Berufungsgericht ausführt, die Fortführung des seit Jahren unter der Firma Louis H. Sch. bestehenden Geschäfts, das die Fabrikation und den kaufmännischen Vertrieb von Strumpf- und Trikotwaren zum Gegenstand hatte. Da dieses Geschäft ein Handelsgewerbe darstellte, war der gemeinsame Zweck der Parteien auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet (§ 105 HGB.). Der Beitrag des Beklagten zu 2 zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes bestand nicht nur darin, daß er das Geschäft mit auf seinem Namen als Gesellschafter fortführen ließ, sondern auch darin, daß er seine Arbeit, bestehend vornehmlich in der selbständigen Bearbeitung gewisser Märkte, zur Förderung des gemeinsamen Zweckes zusagte.

Nun bestimmt zwar § 2 des Vertrags, daß der Beklagte zu 2 "als Vergütung für seine Tätigkeit und gleichzeitig als fixierten Gewinnanteil" ein ziffermäßig bestimmtes Jahresgehalt, für das erste Jahr 6000 M, erhalte, und zu § 16 des alten Gesellschaftsvertrags vom 1. Mai 1896 ist bestimmt, daß Gewinn und Verlust "nach wie vor ausschließlich von Paul und Arthur Sch. (dem Kläger und dem Beklagten zu 1) getragen werden" und der Beklagte zu 2 Erich Sch. auf den in §2 fixierten Betrag beschränkt bleibt. Danach erhält der Beklagte zu 2 ein festbestimmtes Entgelt gleichzeitig für seine Tätigkeit und als Gewinnanteil unabhängig davon, ob der Geschäftsbetrieb einen Gewinn oder einen Verlust ergeben hat, und er nimmt im Innenverhältnis der Parteien weder am Gewinne noch am Verluste Teil. Seine Bezüge aus dem Geschäftsbetriebe sind unabhängig von dem Gewinn oder Verlust bringenden Ergebnis dieses Betriebes. Eine solche Regelung der Gewinn- und Verlustbeteiligung aber, bei der ein Geschäftsteilhaber ein festes Entgelt erhält und im Innenverhältnis am Gewinne und Verluste keinen Anteil hat, schließt den Bestand eines Gesellschaftsverhältnisses überhaupt und den einer offenen Handelsgesellschaft insbesondere nicht aus. An diesem in dem Urteile vom 13. Juli 1915 II. 99/15 (Jur. Wochenschr. 1915 S. 1470) ausgesprochenen Satze hält der Senat fest.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb der von den Parteien zu fördernde gemeinsame Zweck, nämlich die Fortführung des bis dahin unter der Firma Louis H. Sch. betriebenen Geschäfts mit der erwähnten Regelung nicht vereinbar sein soll. Dieser Zweck könnte ein gemeinsamer bleiben, auch wenn der Beklagte zu 2 während der Vertragsdauer für das, was er zur Förderung des Zweckes beiträgt, gar nichts erhielte und von jeder Anteilnahme am Gewinn und Verlust ausgeschlossen wäre. Es würde selbst dann nicht an einem wirtschaftlichen Vorteile für den Beklagten zu 2, wodurch seine Tätigkeit für den gemeinsamen Zweck erklärlich würde, fehlen. Denn jeder der drei Beteiligten war berechtigt, nach Ablauf einer gewissen Zeit die Gesellschaft zu kündigen mit der Folge, daß in diesem Falle das Geschäft unter den drei Beteiligten zu versteigern war. Der Beklagte zu 2 war daher in der Lage, in nicht zu ferner Zukunft den Alleinerwerb des Geschäfts für sich durchzusetzen, falls er dafür mehr bot als die beiden anderen Beteiligten. Indem sie das Geschäft der Firma Louis H. Sch. fortführen, betreiben die drei Beteiligten auch ein Handelsgewerbe. Allerdings erfordert ein solches eine auf dauernden Erwerb gerichtete Tätigkeit. Zum Zwecke eines solchen dauernden Erwerbes, zwecks Erzielung von Gewinn, wird aber auch das Geschäft der Firma Louis H. Sch. nach wie vor betrieben. Diesen Gewinn wollen die sämtlichen drei Beteiligten erzielen. Ihre dahin gehende Ansicht ist sehr wohl damit vereinbar, daß der Beklagte zu 2 von diesem Gewinne nur einen festen Geldbetrag und diesen selbst für den Fall, daß der Geschäftsbetrieb einen Gewinn nicht ergibt, beziehen soll. Auch der Beklagte zu 2 wird in dem Geschäftsbetriebe tätig, um aus ihm einen dauernden Erwerb zu ziehen, wiewohl er von dem Gewinne nicht einen Bruchteil erhält. Dies schließt nicht aus, daß, worauf es entscheidend ankommt, das Geschäft von allen drei Beteiligten zum Zwecke der Erzielung von Gewinn betrieben wird.

Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß eine Regelung der Gewinn- und Verlustbeteiligung, wie sie die Parteien in dem Vertrage vom 13. März 1914 vorgenommen haben, an sich einen Umstand darstellt, der gegen die Annahme einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft überhaupt spricht, so schließt sie doch diese Annahme nicht aus. Und im vorliegenden Falle liegen zwingende Gründe für die Annahme einer offenen Handelsgesellschaft vor. Es kommen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, in dieser Beziehung in Betracht der Wortlaut des Vertrags, der Zusammenhang seiner einzelnen Bestimmungen und die den Vertragsabschluß begleitenden Umstände; insbesondere daß der Beklagte zu 2 wie die beiden anderen Teilhaber unbeschränkte Vertretungsmacht hat und auch grundsätzlich in gleicher Weise zur Geschäftsführung berechtigt ist. Nur darf er nicht den geschäftlichen Maßnahmen des Klägers widersprechen. Gerade der Umstand, daß die Parteien es für nötig erachteten, diese letztere Bestimmung zu treffen, läßt, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, erkennen, daß nach dem Willen der Vertragschließenden der Beklagte zu 2 die Stellung eines Gesellschafters der offenen Handelsgesellschaft Louis H. Sch. erhalten sollte." ...