RG, 02.02.1897 - III 360/96

Daten
Fall: 
Beseitigung des Scheidungsanspruchs
Fundstellen: 
RGZ 38, 218
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.02.1897
Aktenzeichen: 
III 360/96
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Lüneburg
  • OLG Celle

Kann nach gemeinem protestantischen Eherechte nach Erhebung der Ehescheidungsklage wegen Weigerung der ehelichen Pflicht der schuldige Ehegatte den Scheidungsanspruch dadurch beseitigen, daß er im Laufe des Rechtsstreites sich zur Leistung der ehelichen Pflicht bereit erklärt?

Gründe

... "Was das Verhalten des Beklagten nach der Klagerhebung betrifft, so ist durch Urteil des III. Civilsenates des Reichsgerichtes vom 7. Dezember 1894 in Sachen K. gegen K., III. 207/94, ausgesprochen worden:

"Nach gemeinem protestantischen Eherechte wird für den unschuldigen Teil der Anspruch auf Scheidung begründet, wenn der andere Teil die eheliche Pflicht andauernd ohne Grund verweigert hat, und psychologische Zwangsmittel entweder erfolglos geblieben sind, oder nach den Verhältnissen angenommen werden muß, daß sie im Falle der Anwendung erfolglos geblieben sein würden. Daß der schuldige Teil seine Weigerung auch noch im Laufe des Prozesses festhalte, ist kein Teil des Klagfundamentes, und ebensowenig kann einer im Laufe des Prozesses ausgesprochenen Bereitwilligkeit die Wirkung der Aufhebung des erhobenen Anspruches beigemessen werden. Das Zurücktreten des beklagten Teiles von seiner bisherigen Weigerung kann es unter Umständen zweifelhaft erscheinen lassen, ob in der That eine hartnäckige Weigerung der Pflicht vorliegt; ergeben sich aber aus diesem Gesichtspunkte keine Bedenken, und muß eine schon vor der Klagerhebung vorhandene hartnäckige Verweigerung der ehelichen Pflicht angenommen werden, so kann dem im Prozesse erfolgten Erbieten nicht die Wirkung der Wiederaufhebung des erworbenen Scheidungsanspruches beigelegt werden. Ein gemeines Gewohnheitsrecht dieses Inhaltes ist nicht nachweisbar, und innere Gründe für die Annahme eines solchen Satzes sind nicht vorhanden. Die unmittelbare Anwendung der für die malitiosa desertio geltenden Rechtsgrundsätze verbietet sich von selbst, und für die analoge Anwendung des Rechtssatzes, daß der desertor durch Rückkehr die wegen böswilliger Verlassung erhobene Klage beseitigt, fehlt bei der grundsätzlichen Verschiedenheit des Scheidungsgrundes wegen böslicher Verlassung und des Scheidungsgrundes wegen Verweigerung der Pflicht die Gleichheit des Grundes."

Es ist danach den Vorfällen nach Erhebung der Klage (im Winter 1894/5, am 5. März 1895 und am 16. Juli 1895) unter der Voraussetzung, daß die hartnäckige Weigerung der ehelichen Pflicht zur Zeit der Erhebung der Klage vorlag, rechtliche Bedeutung abzusprechen." ...