RG, 02.02.1884 - I 485/83
Eisenbahnbetrieb im Sinne des Haftpflichtgesetzes.
Tatbestand
Der Kläger war bei dem Beklagten mit dem Fortschaffen ausgeschachteter Erde auf dem Frankfurter Centralbahnhofe beschäftigt.
Auf dem neu angelegten Eisenbahndamme war eine Strecke provisorisch mit Grubenschienen belegt, auf welchen die beladenen kleinen Wagen, s. g. Hunde oder Hunte, einzeln, jeder von zwei Arbeitern langsam nach einer Abladestelle fortgeschoben wurden. Die Wagen bestehen aus einem auf Rädern gehenden Gestell und einem in dem Gestell hängenden und drehbaren Kasten. Der Kasten ist während des Transportes mittels eines herauszunehmenden Pflockes an dem Gestell befestigt. Der Pflock wird an der Abladestelle herausgezogen, der Kasten stürzt vermöge der Drehung um, entleert sich so und wird dann leer zurückgefahren. Hintereinander fahren mehrere Wagen, jeder einzelne wird entleert, sie fahren dann sämtlich, aber einzeln, hintereinander wieder nach der Beladestelle zurück. Dem Kläger ist bei der Entladung seines Hundes die Hand gequetscht.
Aus den Gründen
"Dem Berufungsurteile ist darin beizustimmen, daß ein unter das Haftpflichtgesetz zu subsumierender Unfall nicht vorliegt. Denn der Beklagte hat nicht im Sinne von §. 1 des Haftpflichtgesetzes eine Eisenbahn betrieben. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht auch bei solchen Wagen, wie sie von dem Kläger und seinen Genossen geschoben sind, ein Eisenbahnbetrieb dann vorliegt, wenn durch Anwendung einer die Bewegung der Wagen außergewöhnlich beschleunigenden Triebkraft Gefahren hervorgerufen werden, wie sie bei dem gewöhnlichen Eisenbahnbetriebe, welchen das Gesetz im Sinne hat, vorkommen, also etwa bei Drahtseilbahnen, bei welchen die Wagen mittels Schwerkraft oder mittels Dampfkraft auf einer sehr geneigten Ebene hinaufgezogen werden oder hinabgleiten. Von solchen Anlagen ist hier gar keine Rede. Vielmehr besteht in diesem Falle der gewöhnliche Betrieb dann, daß der einzelne Wagen langsam durch Arbeiter fortgeschoben wird, welche den Wagen völlig in ihrer Gewalt haben. Der Umstand aber, daß zur Verminderung der Reibung eiserne Schienen gelegt sind, eine Eisenbahn in diesem Sinne angelegt ist, und daß infolgedavon auf dieser Unterlage größere Lasten fortbewegt werden, als sie bei dem Mangel der Anlage mit denselben Kräften fortbewegt werden könnten, genügt für sich allein nicht, um einen Eisenbahnbetrieb im Sinne des Gesetzes herzustellen."