RG, 29.05.1889 - I 76/89
Ist für die Klage des Kommissionärs gegen den Kommittenten aus der Kommission der Gerichtsstand des Vertrages am Orte der Erfüllung des kommittirenden Geschäfte begründet?
Tatbestand
Der Beklagte, ein Wiener Gastwirt, hat der Klägerin, einem Frankfurter Bankhause, Aufträge zum Ankaufe und Verkaufe österreichischer Papiere an der Frankfurter Börse erteilt. Die Klägerin hat die Aufträge Ausgeführt (nach ihrer Behauptung im Thatbestande des ersten Urteile durch Eintritt als Selbstkontrahent) und klagt einen aus der Ausführung ihr angeblich zukommenden Betrag von 4760,83 M ein. Die Klage ist angestellt bei der ersten Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Frankfurt a./M. Auf Grund der vorgeschützten Einrede der Unzuständigkeit wurde in den beiden ersten Instanzen die Klage abgewiesen. Auf Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Einrede verworfen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Wenn Gegenstand der Kommission der Abschluß und die Ausführung von Börsengeschäften an einer bestimmten Börse sind, so ist damit der Erfüllungsort dieser kommittierten Geschäfte gegeben. Der Kommissionär soll an dem Börsenplatze Erfüllung leisten und empfangen. Der Kommissionär ist aber dem Kommittenten gegenüber nicht verpflichtet, in Vorschuß zu gehen, sondern er kann verlangen, daß der Kommittent ihm die Mittel gewährt, die für seine Rechnung abgeschlossenen Geschäfte zu erfüllen, also dem Verkaufskommissionär die von diesem verkaufte Ware zur Verfügung zu stellen, dem Einkaufskommissionär das Kaufgeld, gegen welches dieser die Ware zu beziehen hat, bereit zu stellen, und zwar muß dies beides am Erfüllungsorte des kommittierten Geschäftes stattfinden, denn nur damit wird der durch seine wirtschaftliche Natur gegebene Zweck dieses Geschäftes erreicht.1
Der Ort bei Erfüllung der wesentlichen Verpflichtungen des Kommittenten wird also bei den angeführten Geschäften in Ermangelung besonderer Vereinbarung durch den Erfüllungsort des kommittierten Geschäftes bestimmt, beziehentlich fällt mit diesem zusammen, ganz so wie das gleiche betreffs der dem Kommissionär aus der übernommenen Kommission obliegendem Leistung der Fall ist.
Notwendige Folge dieser Anerkennung des Erfüllungsortes ist, daß an diesem Orte für die Klage auf Erfüllung der Verpflichtungen des Kommittenten der Gerichtsstand begründet ist (§. 29 C.P.Ö.). Es ist aber eine durch nichts gerechtfertigte Einschränkung, wenn der Berufungsrichter nur, "soweit es sich darum handelt, den Kommissionär mit den Mitteln zur Ausführung eines Geschäftes zu versehen, den betreffenden Ort auch für den Kommittenten als den der Natur des Geschäftes entsprechenden Erfüllungsort ansieht." Der Umstand, daß die Forderung entweder thatsächlich nicht alsbald geltend gemacht, oder daß die Leistung vertragsmäßig kreditiert wird, kann auf die Art und Weise, in welcher dieselbe geltend zu machen ist, insbesondere auf die Gerichtszuständigkeit für dieselbe keine Einwirkung haben.
Der hier vertretenen Auffassung gemäß haben erkannt die dritte und die erste Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Hamburg, sowie bei II. Civilsenat des hanseatischen Oberlandesgerichtes,2 während der I. Civilsenat des hanseatischen Oberlandesgerichtes die entgegengesetzte Ansicht ausgeführt hat. Derselbe stützt sich dabei auf den für das reine Kommissionsgeschäft nicht bestrittenen Satz, daß "die Forderung des Kommissionärs gegen seinen Kommittenten immer um die Klage ex mandeto d. h. die durch den Austrag und dessen Ausführung begründete Forderung, sein könne." Allein es beruht auf einer Mißkennung der wirtschaftlichen Natur des Kommissionsgeschäftes, wenn fortgefahren wird:
"Abgehen von der für den gegenwärtigen Rechtsstreit nicht weiter interessierenden Eventualität, daß es bei den gedachten Kommissionen (zu Kaffeetermingeschäften) zu einer effektiven Lieferung aus den kommittierten Kaufgeschäften komme und der Kommissionär deshalb etwa genötigt sein kann, von seinem Kommittenten auch die Herbeischaffung des zu liefernden, oder die Abnahme des gelieferten und empfangenen Kaffees zu verlangen, geht also sein Anspruch gegen den Kommittenten lediglich auf Zahlung."
Bei der prinzipiellen Erörterung eines Rechtsgeschäftes darf wohl eine infolge besonderer Umstände eintretende Eventualität unberücksichtigt gelassen werden, allein hier soll von der begrifflichen Konsequenz der Verkaufskommission, daß es aus dem kommittierten Geschäfte zu einer effektiven Lieferung komme, darum abgesehen werden, weil dieselbe für den zu entscheidenden Rechtsstreit nicht weiter interessiere. Mag bei Geschäften, welche unter solchen Umständen wie das konkret verhandelte abgeschlossen werden, die Meinung der Beteiligten die sein, daß es zu effektiver Lieferung nicht kommen werde -- für die begriffliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses überhaupt und insbesondere des Rechtsverhältnisses zwischen Kommittenten und Kommissionär ist dies gleichgültig. Als wesentlicher Inhalt des Anspruches des Kommissionärs an den Kommittenten wird sich immer der auf Gewährung der Mittel zur Erfüllung des für Rechnung des Kommittenten eingegangenen Geschäftes darstellen. Diese Formulierung aber schließt sich den thatsächlichen Verkehrsverhältnissen enger an, als der den Quellen geläufige Ausdruck des gleichen Gedankens, der Befreiung von der übernommenen Verpflichtung. Daß aber diese Leistung am Erfüllungsorte des kommittierten Geschäftes zu erfolgen hat, wird auch im angeführten Hamburger Erkenntnisse nicht bestritten, ebenso wie dies im vorliegenden Berufungsurteile ausdrücklich zugegeben ist.
Erscheint es hiernach so recht eigentlich als ein Ergebnis aus der Natur des Kommissionsverhältnisses, daß der Kommittent dem Kommissionär gegenüber am Erfüllungsorte des kommittierten Geschäftes zu erfüllen hat, und daß folglich an diesem Orte der Gerichtsstand des Vertrages begründet ist, so kann dieses Verhältnis sich allerdings dadurch möglicherweise anders gestalten, daß die Beteiligten ein besonderes Rechnungsverhältnis eingehen. Allein es kann hier unerörtert gelassen werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange eine solche besondere Wirkung eintritt, ob namentlich, wenn zwar ein wirkliches Kontokorrenzverhältnis besteht, dasselbe sich aber auf die Posten aus Kommissionsgeschäften beschränkt, die an einem bestimmten Orte zu erfüllen sind, die Einklagung des Saldos an diesem Orte ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Falle ist weder ersichtlich, daß zwischen den Parteien ein wirkliches Kontokorrentverhältnis bestanden habe, noch kann darin, daß der Berufungsrichter davon spricht, "es seien im vorliegenden Falle die betreffenden Geschäfte bereits vollständig zur Erfüllung gekommen, und es handle sich lediglich um die Berichtigung eines dem Kommissionär aus demselben angeblich zukommenden Saldos", die Feststellung eines Kontokorrentes gefunden werden.
Wenn der Kommissionär, von der Befugnis des Art. 316 H.G.B. Gebrauch machend, das kommittierte Geschäft selbst als Kontrahent abschließt, kann gegen die Zuständigkeit des fraglichen Gerichtes von Anfang an kein Bedenken erhoben werden; denn infolge des Eintrittes des Kommissionärs als Selbstkontrahenten ist ja die Klage desselben auf das kommittierte Geschäft gestützt, und wird mit der Klage der Anspruch ans Erfüllung dieses Geschäftes geltend gemacht. Damit aber ist die Zuständigkeit des Gerichtes des Ortes dieser Erfüllung gegeben.3
Für diesen Fall erkennt auch, wie aus dem oben erwähnten Urteile hervorgeht, der I. Civilsenat des hanseatischen Oberlandesgerichtes die sonst bestrittene Zuständigkeit des betreffenden Gerichtes an.
Der Berufungsrichter handelt sonach rechtsirrtümlich, wenn er die Einrede der mangelnden Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes für begründet erachtet." ...