RG, 29.05.1890 - VI 61/90

Daten
Fall: 
Anwendung des §. 9 C.P.O.
Fundstellen: 
RGZ 26, 409
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.05.1890
Aktenzeichen: 
VI 61/90
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Stolp
  • OLG Stettin

Findet die Bestimmung des §. 9 C.P.O. auch auf jährliche Leistungen, welche jemandem für seine Lebenszeit zu gewähren sind, Anwendung, wenn die Leistungen erst nach einer Reihe von Jahren anfangen sollen?

Gründe

"Es fragt sich zunächst, ob die Revisionssumme vorhanden ist.

Der Beklagte und Revisionskläger beschwert sich über zwei Punkte des angefochtenen Urteiles.

Die erste Beschwerde betrifft eine Summe von 480 M.

Die zweite Beschwerde geht dahin, daß die dem Kläger zugesprochene lebenslängliche Rente von dem 1. Oktober 1916 ab, dem voraussichtlichen Zeitpunkte seiner eventuellen Pensionierung, zugesprochene Rente um 107,12 M zu hoch bestimmt worden sei. Die Revision macht geltend, daß nach §. 9 C.P.O. der Wert dieser Beschwerde auf den zwölfundeinhalbfachen Betrag des von der jährlichen Rente streitigen Teiles zu berechnen sei. Allein hierin kann derselben nicht beigetreten werden. Es handelt sich darum, ob die dem Kläger vom 1. Oktober 1916 ab, dem voraussichtlichen Zeitpunkte seiner eventuellen Pensionierung, zugesprochene Rente um 107,22 M zu hoch bemessen worden ist. Der Kläger würde am 1. Oktober 1916 sein 65. Lebensjahr vollenden. Der fragliche Streit hat also nur für den Fall, daß der infolge eines Eisenbahnunfalles an einer schweren Erkrankung des Nervensystems leidende Kläger über 65 Jahre alt wird, praktische Bedeutung. Es erscheint nun nicht zulässig, die von der Revision in Bezug genommene Vorschrift des §. 6 C.P.O. auf einen solchen Fall anzuwenden, in welchem es erst von einem nach einer Reihe von Jahren eintretenden, unsicheren Ereignisse abhängt, ob es überhaupt zu der streitigen Leistung kommen wird, und den Wert einer bedingten und jedenfalls erst nach langer Zeit anfangenden, jährlichen Leistung ebenso hoch zu bestimmen wie den Wert einer gegenwärtigen, unbedingten, jährlichen Leistung. Vielmehr ist hier entsprechend dem §. 3 C.P.O. der Wert des Streitgegenstandes nach freiem richterlichen Ermessen festzusetzen. Von demselben Grundsatze ist der Senat schon in den Beschlüssen vom 22. Februar 1889 und vom 17. Januar 1890 (Beschw.-Rep. VI. 58/89 und Beschw.-Rep. VI. 44/90) ausgegangen.

Das freie richterliche Ermessen führt nun nicht dazu, den Wert der beiden Beschwerdepunkte zusammengerechnet auf über 1500 M anzunehmen."