RG, 14.05.1889 - III 89/89
1. Hindert die vor Eröffnung des Konkurses erfolgte Realisierung eines nach §. 23 Ziff. 2 K.O. anfechtbaren Pfandrechtes die Anfechtung des Pfandrechtes aus der gedachten Vorschrift?
2. Darf gegen den Anfechtungsbeklagten die Kenntnis der Zahlungseinstellung des Schuldners schon aus dem Grunde angenommen werden, weil demselben die Thatsachen bekannt gewesen sind, aus welchen der Richter auf Zahlungseinstellung schließt?
Aus den Gründen
"Nachdem die Witwe F. ihre Zahlungen eingestellt hatte, hat der Beklagte für eine ihm zugesprochene Wechselforderung, dann für das Urteil, welches die Witwe F. verurteilt, zur Sicherheit des Klägers für einen noch nicht fälligen Wechsel den Wechselbetrag zu deponieren, endlich für die Kosten beider Wechselprozesse die Beschlagnahme des Grundstückes der Schuldnerin erwirkt. Das beschlagnahmte Grundstück ist am 24. Februar 1888 versteigert; am 3. März ist der Konkurs über das Vermögen der Witwe F. eröffnet und am 4. April ist der Erlös aus dem versteigerten Grundstücke in der Weise zur Verteilung gebracht, daß nach Befriedigung der Hypothekenforderungen aus dem für die übrigen Gläubiger verbliebenen Restbetrage von 4530 M die Forderungen des Beklagten zu Händen seines Cessionars voll befriedigt worden sind. Die Vorinstanzen erachten nicht nur die Beschlagnahme für die fälligen Forderungen, sondern auch die Beschlagnahme auf Grund des die Schuldnerin zur Deposition der noch nicht fälligen Wechselforderung verurteilenden Erkenntnisses für anfechtbar aus §. 23 Ziff. 2 K.O.; es ist ausgeführt, daß die letztere Beschlagnahme nach Maßgabe des Landesrechtes dem Beklagten nicht eine allenfalls zu beanspruchende Kautionshypothek, sondern ein Vorzugsrecht gewährt habe, welches sich als ein bereits in der Realisierung begriffenes Vollstreckungspfandrecht darstelle, auf eine so geartete Sicherheit aber der Beklagte einen Anspruch nicht gehabt habe.
Der Revisionskläger macht gegen die Anwendung des §. 23 Ziff. 2 K.O. geltend, daß auf seine fälligen Forderungen schon vor der Konkurseröffnung durch Durchführung der Subhastation Zahlung erfolgt sei, auf Zahlung seiner fälligen Forderungen er aber ein Recht gehabt, mithin ihm nicht eine Befriedigung gewährt sei, worauf er im Sinne der Ziff. 2 keinen Anspruch gehabt habe; er ist daher der Ansicht, daß insoweit nur Ziff. 1 habe Anwendung finden können. Allein abgesehen davon, daß zwar die Versteigerung des beschlagnahmten Hauses vor der Konkurseröffnung erfolgt, Zahlung auf die Forderungen des Beklagten aber erst nach Eröffnung des Verfahrens geleistet ist, so kann auch nach den im Urteile der vereinigten Civilsenate vom 6. Dezember 1883,1 entwickelten Rechtssätzen der Umstand, daß das Vollstreckungspfandrecht bereits vor Eröffnung des Verfahrens realisiert worden ist, die Anwendung der Ziff. 2 nicht ausschließen. Der Gläubiger hat auf die im Exekutionswege erfolgte Sicherung keinen Anspruch, und ebensowenig ist der Vollstreckungstitel, auf Grund dessen die Pfändung bewirkt worden ist, ein Anspruch im Sinne des Gesetzes. Ist aber die Pfändung anfechtbar aus Ziff. 2. so kann es nicht für gerechtfertigt erachtet werden, die Realisierung des Pfandrechtes und damit die Befriedigung des Gläubigers der Anfechtung aus Ziff. 2 zu entziehen; denn wenn der Gläubiger keinen Anspruch auf die Pfändung selbst hat, so kann ihm auch kein Anspruch auf die Vollstreckungshandlungen zustehen, welche lediglich zur Realisierung jener Pfändung erfolgen. Bei der entgegengesetzten Ansicht könnte auch die Zahlung, welche aus einer nach Ziff. 2 anfechtbaren freiwilligen Pfandbestellung vor Eröffnung des Verfahrens erlangt ist, nur noch aus Ziff. 1 angefochten werden, und würde die Zahlung der Anfechtung aus §. 23 überhaupt nicht unterliegen, wenn die in den letzten zehn Tagen vor der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrage erfolgte Pfandbestellung vor Ablauf dieser zehn Tage realisiert sein sollte.
Die Revision sieht §. 28 Ziff. 2 K.O. auch durch die Beurteilung verletzt, welche das Berufungsgericht der Behauptung des Beklagten hat zu teil werden lassen, daß er sich über die Zahlungseinstellung der Witwe F. im Irrtume befunden habe. Dem Beklagten steht gegen die Anfechtung aus Ziff. 2 der Beweis frei, daß ihm zur Zeit der Handlung weder die Zahlungseinstellung noch eine Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war. Der Beklagte bestreitet nun freilich jetzt nicht mehr das Vorhandensein einer Zahlungseinstellung zur Zeit der fraglichen Beschlagnahmen, will aber mit seinem Sachwalter damals nicht eine Zahlungseinstellung, sondern nur eine Zahlungsstockung angenommen haben. Zur Begründung dieser Behauptung hat er sich aus eine Reihe von Umständen berufen, welche ihn zu der Annahme geführt haben sollen, daß es sich zu jener Zeit nur um eine vorübergehende Zahlungsstockung gehandelt habe, wie solche bei der Witwe F. schon häufig vorgekommen sei. Das Berufungsgericht hält jedoch für unerheblich, ob der Beklagte die ihm bekannten Umstände als Zahlungseinstellung erkannt oder ob er sich über die Zahlungseinstellung im Irrtume befunden hat; es soll nur darauf ankommen, ob die dem Beklagten bekannten Umstände nach der richterlichen Würdigung objektiv zur Annahme einer Zahlungseinstellung ausreichend sind und, wenn dies der Fall ist, die subjektive Beurteilung der Umstände durch den Beklagten bedeutungslos sein. Es hat daher nur gewürdigt, ob schon aus den dem Beklagten bekannten Umständen mit Sicherheit auf eine Zahlungseinstellung zu schließen ist und bei Bejahung dieser Frage das Vorbringen des Beklagten unbeachtet gelassen. Diese Ansicht, welche die Kenntnis der Thatsachen, aus welchen das Gericht auf eine Zahlungseinstellung schließt, der Kenntnis der Zahlungseinstellung selbst gleichstellt, ist von der Revision mit Recht als rechtsirrtümlich bezeichnet. Das Gesetz fordert für 5. 23 Ziff. l K.O. Kenntnis der Zahlungseinstellung und läßt für Ziff. 2 dem Beklagten den Beweis frei, daß ihm die Zahlungseinstellung zur Zeit der fraglichen Handlung nicht bekannt war. Hiernach ist die Kenntnis der Zahlungseinstellung als solcher maßgebend, und wenn auch diese Kenntnis vermittelt wird durch bestimmte Thatsachen, so sind letztere doch vielfach, zumal bei Zahlungseinstellungen von Nichtkaufleuten, einer sehr verschiedenen Beurteilung fähig, so daß, wie die Erfahrung lehrt, dieselben Umstände vom ersten Gerichte für ausreichend, vom Berufungsgerichte für nicht ausreichend zur Annahme einer Zahlungseinstellung erachtet werden und umgekehrt. Daß die Klagen aus §. 23 keine Deliktsklagen sind, worauf das Berufungsgericht Gewicht legt, ist für die Beurteilung des Merkmales der Kenntnis der Zahlungseinstellung ohne Bedeutung; es handelt sich um die Kenntnis bezw. Nichtkenntnis des Gläubigers von dem Umstande, daß eine allgemeine, durch dauernde Zahlungsunfähigkeit veranlaßte Einstellung der Zahlungen stattgefunden hat, und wenn der Gläubiger eine solche Lage des Gemeinschuldners nicht erkannt hat, so ist die Anfechtung aus Ziff. 1 ausgeschlossen und die Anfechtung aus Ziff. 2 wirkungslos, wenn außerdem noch vorliegt, daß der Gläubiger von einer Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners keine Kenntnis gehabt hat. Der Richter wird vielfach in der Lage sein, aus den dem Gläubiger bekannten Thatsachen zu schließen, daß derselbe auch Kenntnis von der Zahlungseinstellung selbst gehabt hat; er ist aber nicht berechtigt, die Kenntnis der Thatsachen, aus welchen nach seiner Ansicht auf Zahlungseinstellung zu schließen ist, ohne weiteres der Kenntnis der Zahlungseinstellung selbst gleichzustellen und die subjektive Meinung des Gläubigers als unerheblich zurückzuweisen. Hiernach und da die Entscheidungsgründe nicht erkennen lassen, daß das Berufungsgericht gegen den Beklagten auch eine Kenntnis der Zahlungseinstellung selbst hat feststellen wollen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen."
- 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 10 S. 33,