RG, 24.04.1889 - V 49/89
Beschwerde oder Klage gegen die Ermächtigung des Klägers aus §. 773 C.P.O., die dem Beklagten nach dem Urteile obliegende Handlung auf dessen Kosten vornehmen zu lassen?
Gründe
"Die Beklagten sind durch Urteil des Amtsgerichtes zu Löwen vom 27. September 1388 rechtskräftig verurteilt, die für die verstorbene Therese P. geb. Z. auf Vl. 38 des Grundbuches zu Golschwitz unter Abt. III. Nr. 2 eingetragene Hypothek von 75 Thlr. zur Löschung zu bringen. Bezahlt ist die Post, es handelt sich nur darum, von den Erben eine löschungsfähige Quittung beizubringen. Auf Antrag der Kläger sind diese durch Verfügung desselben Amtsgerichtes vom 13. Februar 1869 auf Grund des §. 773 C.P.O. ermächtigt worden, an Stelle und auf Kosten der Beklagten diejenigen Urkunden zu beschaffen, welche zur Bewirkung der Löschung erforderlich sind. Hierüber beschwerten sich die Beklagten unter dem Anführen, daß sie die nötigen Schritte zur Herbeischaffung der Quittung bereits gethan, letztere aber bisher nicht hätten erlangen können, zumeist weil eine Miterbin nach der Therese P. nach Amerika ausgewandert sei und auf das Schreiben der Kläger von Anfang Januar 1889 noch nicht geantwortet habe. Das Landgericht zu Brieg hob durch Beschluß vom 12. März 1889 die angefochtene Verfügung des Amtsgerichtes unter Belastung der Kläger mit den Kosten der Beschwerde auf. In den Gründen wird bemerkt, daß die Anführungen der Beklagten durch die Grundakten bestätigt würden, wonach die Löschung nur noch von dem Vertritte der nach Amerika verzogenen Miterbin abhänge, an welche, wie die Beklagten glaubhaft gemacht, schon im Januar geschrieben sei; es falle deshalb den Beklagten keine Säumigkeit zur Last, und es erscheine angemessen, denselben zur Beibringung der Quittung noch eine weitere Frist zu gewähren, welche auf nicht unter drei Monaten zu bemessen sein werde.
Gegen diesen Beschluß erhoben die Kläger weitere sofortige Beschwerde, in welcher sie geltend machten: der Einwand der Beklagten sei nicht im Beschwerdewege, sondern nach §. 686 C.P.O. nur durch Klage geltend zu machen. Eventuell liege eine Säumigkeit der Beklagten schon darin, daß sie erst im Januar 1889 nach Amerika geschrieben hatten; übrigens wüßten die Kläger von den seitens der Beklagten unternommenen Schritten zur Herbeischaffung der Quittung nichts, und und sie hätten deshalb keinesfalls mit den Kosten belastet werden dürfen.
Das Oberlandesgericht zu Breslau hat durch Beschluß vom 1. April 1889 den Beschluß des Landgerichtes vom 12. März 1889 aufgehoben und die von den Beklagten gegen die Verfügung des Amtsgerichtes vom 13. Februar 1889 eingelegte sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. In den Gründen wird ausgeführt, daß das Vorbringen der Schuldner, dem rechtskräftigen Urteile nach Kräften nachgekommen zu sein, sich als eine den Urteilsspruch selbst betreffende Einwendung gemäß §. 686 C.P.O. darstelle und deshalb im Wege der Klage hätte geltend gemacht werden müssen, wofür auf Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 21 S. 380 Bezug genommen ist.
Gegen diesen Beschluß haben die Beklagten weitere sofortige Beschwerde an das Reichsgericht eingelegt, in welcher sie geltend machen, daß ihre Anfechtung der amtsgerichtlichen Verfügung nicht gegen den Urteilsspruch, sondern nur gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung gerichtet sei und deshalb nicht unter den §. 686, sondern unter den §. 685 C.P.O. falle. Die Beschwerde ist begründet.
Es handelt sich, abweichend von den in den angezogenen Beschlüssen des Reichsgerichtes entschiedenen Fällen, gegenwärtig nicht um eine Einwendung gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst. In jenen Fällen hatte der verurteilte Beklagte behauptet, dem Urteile genügt, nämlich alles gethan zu haben was seinerseits dazu erforderlich war, beziehungsweise daß es lediglich an dem Kläger selbst liege, wenn derselbe sich (infolge seines Annahmeverzuges) noch nicht im Besitze der ihm zugesprochenen Leistung befinde. Solche Einwendung betraf den urteilsmäßigen Anspruch selbst, indem durch sie geltend gemacht wurde, daß der Anspruch getilgt sei; sie verneinte, daß überhaupt eine Veranlassung zur Zwangsvollstreckung vorliege. Im vorliegenden Falle dagegen behaupten die Beklagten nicht, dem Urteile bereits genügt zu haben, denn dazu gehört die Herbeischaffung löschungsfähiger Quittungen von allen Erben und Instandsetzung der Kläger zur Bewirkung der Löschung, während die Beklagten die Quittung von der in Amerika sich aufhaltenden Miterbin noch nicht beschafft haben. Sie behaupten nur, dasjenige gethan zu haben, was sie bis jetzt thun konnten, um dem Urteile zu genügen, und sie verneinen deshalb, daß jetzt schon eine Veranlassung vorliege, mit Zwangsvollstreckungsmaßregeln gegen sie vorzugehen. Ihre Einwendung betrifft also nicht den durch das Urteil festgestellten Anspruch der Kläger, welchen sie als nach wie vor bestehend anerkennen; die Einwendung richtet sich lediglich gegen die Art und Weise, nämlich den Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung, und fällt daher unter die Vorschrift des §. 665 C.P.O., der die Entscheidung über solche Einwendungen dem Vollstreckungsgerichte im Wege der Beschlußfassung überweist. Diese Einwendung erheischt nicht eine richterliche Prüfung und Feststellung darüber, ob die Beklagten die Verpflichtung zur Vornahme der ihnen durch das Urteil auferlegten Handlung nicht etwa bereits erfüllt haben, worüber allerdings nur auf besondere Klage gemäß §. 686 vom Prozeßgerichte entschieden werden könnte,1 sondern sie verstellt lediglich die Frage zum richterlichen Ermessen, ob die billige Frist, welche jedesmal dem verurteilten Schuldner zur Erfüllung des Urteiles gelassen werden muß, bereits verstrichen und somit der Fall bei Zwangsvollstreckung bereits gegeben sei.
Mit Unrecht hat demnach das Oberlandesgericht angenommen, daß gegen die vom Amtsgerichte getroffene Verfügung der Zwangsvollstreckung keine Beschwerde zulässig gewesen sei, und daß der landgerichtliche Beschluß vom 12. März 1889 aus diesem Grunde der Aufhebung unterliege. Der letztere Beschluß erweist sich aber auch materiell jedenfalls insofern als gerechtfertigt, als durch denselben die Vollstreckungsverfügung des Amtsgerichtes aufgehoben worden ist. Mögen auch, wie die Kläger geltend gemacht haben, die Beklagten von dem Vorwurfe der Säumigkeit mit der erst im Januar 1889 erlassenen Aufforderung an die nach Amerika ausgewanderte Erbin zur Einsendung der Quittung nicht freizusprechen sein, so hatten doch, als die Kläger die Zwangsvollstreckung beantragten, die Beklagten diese Aufforderung bereits erlassen, und es war deshalb von einer Ermächtigung der Kläger, diesen Schritt auf Kosten der Beklagten nochmals vorzunehmen, kein Nutzen abzusehen. Eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses kann jedoch zur Zeit um deswillen nicht erfolgen, weil mangels einer Erklärung der Beklagten über die Behauptung der Kläger: daß sie von den Schritten der Beklagten zur Herbeischaffung der Quittungen nichts erfahren hätten, nicht beurteilt werden kann, ob die vom Landgerichte verfügte Belastung der Kläger mit den Kosten der Beschwerdeinstanz gerechtfertigt ist. Hätten die Beklagten seit dem Urteile vom 27. September 1888 bis zum Zwangsvollstreckungsantrage der Kläger vom 15. Januar 1839 die Kläger ohne Kenntnis davon gelassen, daß sie, soviel an ihnen lag, dem Urteile nachgekommen seien, so würden die Beklagten es sich selbst zuzuschreiben haben, daß sie den Vollstreckungsantrag erst durch Beschwerdeführung wieder beseitigen mußten, und es würde dann die Kläger mindestens nicht die ganze Kostenlast des Beschwerdeverfahrens treffen können. Es erschien aus dieser Rücksicht angemessen, die Sache an das Oberlandesgericht zur anderweitigen Beschlußfassung nach vorgängiger Vernehmung der Beklagten über die gedachte Behauptung der Kläger zurückzuweisen, wobei vom Oberlandesgerichte zugleich auch über die Kosten der gegenwärtigen Beschwerdeinstanz Entscheidung zu treffen ist."
- 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 21 S. 379.