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RG, 24.04.1889 - V 45/89

Daten
Fall: 
§ 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte
Fundstellen: 
RGZ 23, 394
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.04.1889
Aktenzeichen: 
V 45/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Neisse
  • Oberlandesgericht Breslau

Zur Bestimmung der Voraussetzungen für den Anspruch auf die im §. 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vorgesehene Gebühr.

Aus den Gründen

"In der ersten mündlichen Verhandlung dieses Rechtsstreites beschloß das Prozeßgericht, über eine Einrede des Beklagten Zeugenbeweis zu erheben, und zwar vor dem Prozeßgerichte selbst. Zugleich wurde bestimmt, die weitere mündliche Verhandlung unmittelbar der Beweisaufnahme folgen zu lassen.

Nachdem die letztere bewirkt war, stellte der Anwalt des Beklagten, Weil der Kläger nicht erschienen, den Antrag, die Klage durch Versäumnisurteil abzuweisen. Diesem Antrage wurde entsprochen.

Bei Liquidation der Kosten brachte der Anwalt des Beklagten den Satz in Rechnung, welchen der §. 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte bewilligt für die Vertretung in der weiteren mündlichen nicht kontradiktorischen Verhandlung in den Fällen des §. 13 Nr. 4 daselbst, das heißt, wenn schon vorher die Vertretung im Termine zur Leistung des durch Urteil auferlegten Eides, oder in einem Beweisaufnahmeverfahren stattgefunden hatte.

Das Landgericht setzte diesen Posten ab. Auf die Beschwerde des Beklagten hat der jetzt angefochtene Beschluß ihn wieder in Zugang gebracht. Dieser Entscheidung mußte beigetreten werden.

Der angezogene §. 17 lautet wörtlich:
"Insoweit sich in den Fällen des §. 13 Nr. 4 die Vertretung auf die weitere mündliche Verhandlung erstreckt, erhöht sich die dem Rechtsanwalte zustehende Verhandlungsgebühr um fünf Zehnteile und, wenn die weitere mündliche Verhandlung eine nicht kontradiktorische ist, um die Hälfte dieses Betrages."

Der §. 13 Nr. 4 ist bereits oben mitgeteilt, soweit er auf den vorliegenden Fall Beziehung hat.

Danach hat die Gebühr des §.17 zur Voraussetzung:

  1. Es muß bereits ein – hier nur in Frage stehendes – Beweisaufnahmeverfahren stattgefunden und der Rechtsanwalt darin die Partei vertreten haben.
    Diese Voraussetzung steht hier außer Zweifel.
  2. Es muß demnächst stattgefunden haben eine "weitere mündliche Verhandlung", wenn solche auch nicht kontradiktorisch gewesen ist.

Zur Begriffsbestimmung einer nicht kontradiktorischen Verhandlung bezieht der §. 16 daselbst das Gerichtskostengesetz §. 19. Dort heißt es:
"Die Verhandlung gilt als kontradiktorische im Sinne des §.18 Nr. 1 – für welche die volle Gebühr erhoben wird –, soweit in derselben von beiden Parteien einander widersprechende Anträge gestellt werden."

Danach sind nicht kontradiktorische Verhandlungen alle diejenigen mündlichen Verhandlungen, in welchen solche Anträge nicht gestellt werden. Der §. 20 des Gerichtskostengesetzes und der §. 16 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte, in welchen die für kontradiktorische mündliche Verhandlungen bestimmte Gebühr in Ehesachen auch für eine "nicht kontradiktorische mündliche Verhandlung" zugelassen wird, sofern der Kläger verhandelt, lassen auch keinen Zweifel darüber, daß die einem Versäumnisurteile vorausgehende Verhandlung, in welcher nur die erschienene Partei verhandelt hat, eine nicht kontradiktorische mündliche Verhandlung im Sinne der Kostengesetze darstellt.

Es fragt sich also nur noch, ob eine solche Verhandlung auch als eine "weitere" im Sinne des Gesetzes angesehen werden muß, wenn sie weder auf die frühere Verhandlung, noch auf die vorausgegangene Beweisaufnahme bezugzunehmen hat, sondern, wie hier, lediglich aus dem Nichterscheinen des Gegners ein Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteiles entnommen wird.

Auch diese Frage ist zu bejahen. Es liegt kein zureichender Grund vor, dem Begriffe der "weiteren" Verhandlung, nachdem das Gesetz darunter auch nicht kontradiktorische mündliche Verhandlungen gebracht hat, diese enge Bedeutung zu geben. Es würde dies dahin führen, den Gebührensatz des §. 17 bei nicht kontradiktorischer Verhandlung zu beschränken auf die Fälle, in welchen der Kläger (Berufungskläger, Revisionskläger) allein verhandelt, weil nur in diesen Fällen eine Bezugnahme aus die früheren Verhandlungen vorkommen kann (§§. 296. 504. 520 C.P.O.). Hätte dies das Gesetz gewollt, so würde ein diese Ansicht unzweideutig kundgebender Ausdruck umsomehr zu erwarten gewesen sein, als gerade in dem dem §. 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vorhergehenden Paragraphen nach einer anderen, vorhin mitgeteilten Richtung hin ein Unterschied gemacht wird, ob in der betreffenden nicht kontradiktorischen Verhandlung der Kläger oder der andere Teil allein verhandelt.

Der Grund, aus welchem im angezogenen §. 17 eine besondere Gebühr für die daselbst vorgesehenen Fälle bewilligt wird, liegt in der Erwägung, daß in diesen der Regel nach, dem Rechtsanwalte ein besonderer Aufwand von Zeit und Arbeit erwächst (vgl. Motive zum §. 17 a. a. O.). Für die Fälle, in denen dieser Grund nicht zutrifft, greift die Rücksicht durch, daß bei der Bestimmung der Gebühr nach dem Bauschsystem und dem Werte des betreffenden Gegenstandes die nach Maßgabe des Zeit- und Arbeitsaufwandes bei der einen Sache nicht entsprechende Vergütung ausgeglichen werden soll durch die Fälle bei denen das Gegenteil eintritt, d. h. mehr als in dieser Beziehung entsprechend gewährt wird.

Deshalb mußte die Beschwerde zurückgewiesen werden."