RG, 06.04.1889 - V 2/89

Daten
Fall: 
Verpfändung von Aktien
Fundstellen: 
RGZ 23, 268
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.04.1889
Aktenzeichen: 
V 2/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Königsberg
  • OLG Königsberg

Kann der Eigentümer einer Aktie bei der Verpfändung derselben das Recht auf den Bezug der Revenuen (Zinsen oder Dividenden) von der Pfandhaftung ausschließen? Ist der Pfandgläubiger, wenn der Aktienbesitzer behufs Ausführung dieser Ansicht den Talon zurückbehalten hat, befugt, ans die Herausgabe desselben als eines Zubehörs der Aktie zu klagen?

Gründe

"Es liegt folgender Sachverhalt vor:
Der Kläger hatte 1884 einer Schwester der Beklagten Namens Henriette G. seine Meierei verpachtet. Die Pächterin sollte den getroffenen Abreden gemäß eine Kaution von 600 Thlr. bestellen. Zu diesem Zwecke verpfändete sie mit Zustimmung bei Beklagten drei der letzteren gehörige Aktien einer Aktienbrauerei S. dem Kläger und übergab ihm die Aktien mit je zwei Dividendenscheinen. Die weiteren, von der Aktiengesellschaft bereits ausgegebenen Dividendenscheine für die Zeit vom 1. Oktober 1886 bis 30. September 1892, sowie die Talons zu den drei Aktien behielt sie zurück. Der Berufungsrichter stellt fest, daß nach der Absicht sowohl der jetzigen Prozeßparteien als der Henriette G. die zurückbehaltenen Dividendenscheine und die zum Empfange der späterhin auszugebenden Dividendenscheine legitimierenden Talons von der Verpfändung ausgeschlossen sein sollten.

Die Henriette G. erfüllte die ihr nach dem Pachtvertrage gegen den Kläger obliegenden Verpflichtungen nicht. Nachdem letzterer ein rechtskräftiges Urteil zur Zahlung von 3152,57 M gegen sie erstritten hatte, ließ er die drei Aktien pfänden und erstand sie in einer von dem Gerichtsvollzieher abgehaltenen Auktion für 1520 M. Ihm wurden hierauf dieselben Urkunden, welche er als Pfandstücke erhalten hatte, übergeben.

Die vorliegende Klage stützt sich auf die Rechtsausführung, daß die Talons und die Dividendenscheine Zubehör der Aktien seien, daß Kläger also mit dem Eigenwille an den Aktien auch dasjenige an dem Zubehör erworben habe und insbesondere berechtigt sei, nach Ablauf der Zeit, für welche jetzt die Talons und Dividendenscheine ausgegeben sind, die neuen Talons und Dividendenscheine von der Aktiengesellschaft zu erheben. Dieser Auffassung entsprechend ging der prinzipale Klagantrag dahin, die Beklagte zur Herausgabe der geständlich in ihrem Besitze befindlichen drei Talons und der Dividendenscheine bis zum 30. September 1892 zu verurteilen. Eventuell bat Kläger, die Beklagte zu verurteilen, darin zu willigen, daß die Aktiengesellschaft ihm – Kläger – für die Zeit nach dem 1. Oktober 1892 die Talons und die Dividendenscheine für die drei Aktien gegen Präsentation derselben aushändige.

Der erste Richter hat den Prinzipalen Antrag des Klägers abgewiesen, dagegen die Beklagte nach dem eventuellen verurteilt. Gegen diese Entscheidung ist nur von der Beklagten Berufung eingelegt und durch Urteil des zweiten Richters auf Abweisung des eventuellen Antrages erkannt. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Talons und die Dividendenscheine bildeten zwar an sich ein Zubehör der Aktien, dem Besitzer der Aktien stehe jedoch frei, die Pertinenzeigenschaft zu lösen, und das sei hier bei der Pfandbestellung am 23. Dezember 1884 geschehen. Durch die von dem Gerichtsvollzieher vorgenommene Auktion aber habe Kläger ein weiteres Recht, als ihm verpfändet worden, nicht erwerben können.

Die Revision des Klägers rügt Verletzung der Vorschriften des §§. 42 flg. A.L.R. I. 2 über die Rechtsgrundsätze von Pertinenzen. Sie kann jedoch nicht für begründet erachtet werden.

Der Kläger leitet seinen jetzt nur noch in Frage stehenden Anspruch auf die Zustimmung der Beklagten zur Aushändigung der 1892 zur Ausgabe gelangenden Talons und Dividendenscheine an ihn aus seinem Eigentume an den Aktien her. Er ist der Ansicht, daß der Talon nicht der Träger einer selbständigen Obligation, sondern nur ein Legitimationspapier behufs Empfangnahme der Zins- oder Dividendenscheine sei, daß er also den rechtlichen Charakter eines Zubehörstückes, welches mit der Hauptsache – der Aktie – auf deren Eigentümer übergehe, besitze. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser, auch in mehreren Urteilen des Reichsgerichtes,1 für das Deutsche Reich §§. 693. 698; Motive dazu Bd. 2 S. 702.712, zum Ausdrucke gebrachten Auffassung über das Rechtsverhältnis zwischen Aktie und Talon durchweg beizustimmen ist. Denn der Berufungsrichter entscheidet zutreffend, daß der Besitzer der Aktie nicht behindert ist, den Anspruch auf den Revenuengenuß, also die Erhebung der Zinsen oder Dividenden, von den weiteren Befugnissen, welche die Aktie nach den Statuten oder dem zur Anwendung kommenden Rechte gewährt, abzutrennen. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, daß der Eigentümer die Aktie, begeben, sich jedoch den Nießbrauch an den Revenüen vorbehalten kann.2

Ist aber ein solcher Vertrag zulässig, so würde es demselben widersprechen, wenn der Besitzer der Aktie ein weitergehendes Recht als das ihm eingeräumte beanspruchen und also die Aushändigung neuer Talons und Dividendenscheine als ihm gebührend in Anspruch nehmen wollte. Das trifft in dem hier vorliegenden Falle zu. Nach der Feststellung des Berufungsrichters ist bei der Verpfändung der Aktien der Vertragswille sowohl der Beklagten (der Eigentümerin der Aktien), als der Henriette G. (der Verpfänderin), und des Klägers (des Pfandnehmers) dahin gegangen, daß dem Kläger außer den Aktien nur die zwei Dividendenscheine als Kaution für die Erfüllung der Verpflichtungen der Pächtern haften sollten. Diese Absicht bei Kontrahenten, dem Kläger nur ein Recht auf die Aktien und zwei Dividendenscheine, nicht auf ein weiteres Recht zum Bezüge von Dividenden zu gewähren, hat durch die Zurückbehaltung bei Talons und der Dividendenscheine für die Zeit vom 1. Oktober 1886 bis 30. September 1892 seinen Ausdruck gefunden. Es würde mit dem bei der Verpfändung getroffenen Abkommen nicht übereinstimmen, eine Verpflichtung der Beklagten anzunehmen, daß sie in die Aushändigung der 1892 zu emittierenden Talons und Dividendenscheine an den Kläger willigen müsse. Die getroffene Entscheidung verstößt auch nicht, wie in der Revision des Klägers näher ausgeführt wird, gegen die Vorschriften des §5. 42 flg. A.L.R. I. 2. Denn will man auch mit dem Kläger davon ausgehen, daß die Talons und Dividendenscheine an sich ein Zubehör der Aktie bildeten, so ist doch dies Rechtsverhältnis durch die Zurückbehaltung und die dadurch bewirkte Lösung der Pertinenzqualität aufgehoben, und der Kläger kann als Besitzer der Aktien nicht Gegenstände als Zubehör derselben fordern, welche durch gültigen Rechtsakt diese Eigenschaft verloren haben.

Wenn in der Klage darauf Gewicht gelegt wird, der Kläger habe die ihm verpfändeten Aktien später in gerichtlicher Auktion zu Eigentum erworben, so ist dem Berufungsrichter auch darin beizustimmen, daß der Kläger als Pfändungspfandgläubiger ein anderes oder weiterreichendes Recht, als ihm durch den Pfandvertrag bestellt war, nicht zum Verkaufe bringen und bei voller Kenntnis des Sachverhaltes nicht mehr, als er verkaufen durfte, erwerben konnte."

  • 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 3 S. 152 I. Civilsenat; Bd. 4 S. 138 II. Civilsenat; Entwurf eines bürgerl. Gesetzbuches.
  • 2. Vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 15 S. 404; Striethorst, Archiv Bd. 44 S. 119.