RG, 21.03.1889 - IV 338/88
Reicht der Umstand, daß die schwurpflichtige Partei im Schwurtermine auf die Frage des beauftragten Richters, ob sie den Eid leisten wolle, sich nicht erklärt, zur Annahme einer Eidesverweigerung auch in dem Falle hin, wenn ein Versäumnisantrag der Gegenpartei nicht gestellt ist und die schwurpflichtige Partei sich bei der nächsten Verhandlung erbietet, die Eidesleistung nachzuholen?
Aus den Gründen
"Der Beklagte, welcher von den Erben seines Sohnes Christian F. aus einem Ausstattungsversprechen in Anspruch genommen worden ist, hat der Klage die Behauptung entgegengestellt, daß seine Schuld durch Zahlung und Aufrechnung getilgt sei. Der Streit in seiner gegenwärtigen Lage betrifft die Frage der Tilgung der Klageforderung in Höhe von 1900 M. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung in der fraglichen Richtung von einem Eide des Beklagten abhängig gemacht. Der Beklagte soll nämlich schwören, 1. daß er seinem Sohne Christian außer den in dem gegenwärtigen Prozesse anerkannten Zahlungen noch 700 M zur Bezahlung zweier Forderungen des A. G. gezahlt habe, 2. daß er seinem Sohne Friedlich einschließlich der zugestandenen 600 M den Betrag von 1800 M (oder welche geringere Summe) mit dem Auftrage, sie seinem Sohne Christian behufs Tilgung einer für den Besitzer R. zu B. auf dem Grundstücke des Sohnes Christian eingetragenen Hypothek von 2100 M auszuhändigen, gegeben habe, und zwar nicht als Rückzahlung auf ein angeblich ihm -- dem Beklagten -- von dem Sohne Christian gewährtes Darlehen, -- und daß er nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt habe, daß sein Sohn Friedrich einschließlich der zugestandenen 600 M die 1800 M (oder welche geringere Summe) dem Sohne Christian ausgezahlt habe. Bei Ableistung dieses Eides sollen die Kläger mit ihrem Klaganspruche in Höhe von 1900 M nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. Juni 1885 abgewiesen, bei Nichtleistung des Eides soll der Beklagte verurteilt werden, den Klägern außer einem von dem Eide unabhängigen Geldbetrage noch 1900 M nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. Juni 1885 zu zahlen. . . . Das Berufungsgericht hat das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Beklagte wohnt, mit der Abnahme des Eides beauftragt. In dem zur Eidesleistung anberaumten Termine ist der Beklagte erschienen, der Eid ist ihm aber nicht abgenommen worden. Das amtsgerichtliche Protokoll... enthält vielmehr folgenden Vermerk: "Der erschienene Beklagte erklärte sich trotz wiederholten Befragens, ob er die für ihn durch das Urteil auferlegten Eide leisten wolle, nicht." Bei der demnächst stattgehabten Verhandlung vor dem Berufungsgerichte hat der Beklagte sich zur Eidesleistung bereit erklärt und angetragen, ihm die Eide abzunehmen. Über den Hergang im amtsgerichtlichen Termine hat er sich dahin ausgesprochen, er habe betreffs des die 700 M betreffenden Teiles der Eidesformel den Amtsrichter dahin verstanden, daß gerade der Betrag von 700 M beschworen, werden müsse, und er habe, da er 1000 M gezahlt, Bedenken getragen, den Eid über Zahlung von 700 M zu leisten. Den die Betrage von 600 M und 1800 M betreffenden Teil des Eides aber habe er dahin verstanden, daß er schwören solle, seinem Sohne Friedrich 600 M und 1800 M gegeben zu haben. Dies habe er, da er im ganzen nicht 600 M, sondern 600 Thaler seinem Sohne Friedrich gegeben, nicht beschwören wollen. Die Kläger haben auf diese Anführungen des Beklagten die Entscheidung zum Ermessen des Berufungsgerichtes gestellt. Das Gericht hat jedoch den Antrag des Beklagten, ihm den Eid abzunehmen, abgelehnt und im Läuterungsurteile die an die Nichtleistung des Eides geknüpften Folgen ausgesprochen. Begründet wird die Entscheidung mit der Ausführung, die Eidesleistung sei versäumt und könne nicht nachgeholt werden. Wenngleich eine im Schwurtermine nicht erschienene Partei nach §. 209 Abs. 2 C.P.O. die versäumte Eidesleistung nachholen könne, so gelte dies doch nicht von der Partei, welche im Termine erscheine, sich aber über die Eidesleistung nicht erkläre. Für die schwurpflichtige Partei bestehe nur die Wahl, den Eid zu leisten oder die Eidesleistung zu verweigern. Zu verhandeln habe sie nicht. Der §. 298 C.P.O., nach welchem die in dem Termine zwar erscheinende, aber nicht verhandelnde Partei als nicht erschienen angesehen werden soll, finde also keine Anwendung. Der Schwurpflichtige könne zwar Anträge auf Änderung der Eidesformel oder auf Terminverlegung stellen. Wenn er aber, ohne dergleichen Anträge zu stellen, der Aufforderung, den Eid zu leisten, nicht nachkomme, so liege darin eine Weigerung der Eidesleistung. Eine solche Weigerung brauche nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern könne wirksam auch durch schlüssiges Verhalten der Partei zum Ausdrucke gebracht werden.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Revision erscheint begründet. Nach §. 429 Abs. 2 C.P.O. hat die Verweigerung der Eidesleistung seitens des Schwurpflichtigen zur Folge, daß das Gegenteil der zu beschwörenden Thatsache als voll bewiesen gilt. Im §. 430 a.a.O. ist festgesetzt, daß beim Nichterscheinen des Schwurpflichtigen in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine auf Antrag ein Versäunmisurteil dahin, daß der Eid als verweigert anzusehen sei, zu ergehen habe. Im §. 431 a. a. O. ist bestimmt, daß der Schwurpflichtige, welcher frühere Behauptungen zurücknehme oder früher bestrittene Thatsachen zugestehe, sich zur Leistung eines beschränkteren Eides erbieten könne, selbst wenn der Eid bereits durch bedingtes Endurteil aufgelegt sei, und daß unerhebliche Umstände, welche in die Eidesformel aufgenommen seien, berichtigt werden können. Für den Fall aber, daß der Schwurpflichtige im Schwurtermine erschien, ohne sich darüber auszusprechen, ob er zur Ableistung des Eides bereit sei, oder ob er die Eidesleistung verweigere, oder ob er die Fassung des Eides geändert wissen wolle, hat das Gesetz nichts bestimmt. Es kann einem begründeten Bedenken nicht unterliegen, daß in einem solchen Falle die gegebenen Umstände zu der Annahme einer Eidesweigerung führen können. Denn die Annahme der Eidesweigerung erfordert keine ausdrückliche Erklärung, sondern kann auch in einem schlüssigen Verhalten der schwurpflichtigen Partei wirksamen Ausdruck finden. Bei einer solchergestalt zum Ausdrucke gebrachten Eidesweigerung würde also nach Vorschrift des §. 429 Abs. 2 a. a. O. das Gegenteil der zu beschwörenden Thatsache als voll bewiesen zu gelten haben, ohne daß es eines hierauf gerichteten Antrages der Gegenpartei bedürfte. Allein die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte durch sein in dem amtsgerichtlichen Termine vom 13. August 1888 beobachtetes Verhalten seine Weigerung, den Eid zu leisten, in schlüssiger Weise zu erkennen gegeben habe, kann auf der Grundlage des gegebenen Streitstoffes nicht aufrechterhalten werden.
Die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichtes weisen darauf hin, daß das Gericht von der Annahme ausgeht, die schwurpflichtige Partei, welche im Eidleistungstermine erscheine, habe nur die Wahl, den Eid zu leisten oder ihn zu verweigern oder, wenn sie ihn im Termine nicht leisten, aber auch nicht endgültig verweigern wolle, Voranträge zum Zwecke der Terminverlegung oder der Änderung der Eidesformel zu stellen. Die Partei aber, welche im Eidesleistungstermine erscheine, und der wiederholten Aufforderung, den Eid zu leisten, nicht nachkomme, auch Voranträge nicht stelle, müsse immer als eidesweigernd angesehen werden. Diesen Erwägungen gegenüber ist zuerst zu bemerken, wie der Inhalt des amtsgerichtlichen Protokolls nicht ergiebt, daß an den Beklagten eine Aufforderung, den Eid zu zu leisten, ergangen sei. Der Beklagte ist nach dem Protokolle nur wiederholt befragt worden, ob er den Eid leisten wolle. Das Eine steht dem Anderen nicht gleich. Wäre der Beklagte einer wiederholt an ihn gerichteten Aufforderung des Amtsrichters, den Eid zu leisten, nicht nachgekommen, so möchte, wenn die Nichtbefolgung der Aufforderung nicht in der Abgabe sonstiger Erklärungen und der Stellung anderweiter Anträge ihre Veranlassung und Rechtfertigung fände, der Natur der Sache nach die Annahme einer Eidesweigerung als naheliegend betrachtet werden können. Anders ist die Nichtbeantwortung der an den Beklagten gerichteten Frage, ob er den Eid leisten wolle, zu beurteilen. Dieser Frage stand der Beklagte nicht so gegenüber, daß, wenn er aus irgend einem Grunde nicht willens oder nicht imstande war, sie sofort unumwunden und bestimmt zu beantworten, er weitere Anträge zu stellen hatte, um nicht als eidesweigernd angesehen zu werden. Und es läßt sich dem Berufungsgerichte darin nicht beitreten, daß gegen die schwurpflichtige Partei darum allein, weil sie im Eidesleistungstermine zwar erscheint, aber den Eid nicht leistet und auch Voranträge nicht stellt, die Annahme der Eidesweigerung begründet ist. Die fragliche Annahme bedarf vielmehr besonderer Begründung, wie sie der vorliegende Streitstoff nicht bietet. Das spätere Verhalten bei schwurpflichtigen Partei, nämlich die in dem Verhandlungstermine vor dem Berufungsrichter abgegebene Erklärung der Partei, daß sie die Eidesformel nicht richtig verstanden habe und nach Erlangung dieses Verständnisses zur Eidesleistung bereit sei, kann zwar für die Beurteilung des von der Partei vor dem Amtsgerichte beobachteten Verhaltens im Sinne einer Verneinung des Vorhandenseins einer Eidesweigerung nicht ausschlaggebend sein, weil die Möglichkeit vorliegt, daß jene spätere Erklärung die Folge einer Sinnesänderung in der Zeit vom amtsgerichtlichen Termine bis zu dem vor dem Oberlandesgerichte abgehaltenen gewesen ist. Allein auch wenn auf jenes spätere Verhalten der Partei das entscheidende Gewicht nicht gelegt und der Inhalt des amtsgerichtlichen Protokolles in Betracht gezogen wird, ohne mit jenem späteren Verhalten in Verbindung gebracht zu werden, so liegt doch für die Annahme, daß der Beklagte durch sein Verhalten im Termine seine Weigerung, den Eid zu leisten, zu erkennen gegeben habe, kein ausreichender Anhalt vor. Das amtsgerichtliche Protokoll ergibt nicht mit Sicherheit, wie der Beklagte jenem wiederholten Befragen gegenüber sich verhalten hat. Der Inhalt des Protokolls läßt die Annahme zu, daß der Beklagte auf die wiederholte Frage, ob er den Eid leisten wolle, infolge unzureichenden Verständnisses, das eine Belehrung über die Bedeutung des Eides nach der Analogie der §§. 464. 127 Abs. 3 C.P.O. geboten erscheinen ließ, eine unumwundene bestimmte Antwort, wie sie vom Richter für erforderlich erachtet worden, mangels ausreichender Belehrung nicht gegeben hat. weil er sich vorher anderweit über die Bedeutung des Eides hat unterrichten lassen wollen. Das Protokoll besagt nicht, daß der Beklagte auf jene Fragen des Richters geschwiegen hat. Es enthält auch nicht, was er erklärt hat, sondern besagt nur, was er nach der Auffassung des Richters nicht erklärt hat. Es ist also aus ihm mit Sicherheit nur zu entnehmen, daß vom Beklagten eine Erklärung nicht abgegeben worden ist, die der Amtsrichter für eine ausreichend bestimmte Beantwortung der von ihm an den Beklagten gerichteten Frage, ob derselbe den Eid leisten wolle, aufgefaßt haben würde. Hiernach liegt gegen den Beklagten zwar vor, daß er im Eidesleistungstermine erschienen ist, und daß er den Eid nicht geleistet hat. Allein der gegebene Streitstoff laßt nicht erkennen, daß die thatsächliche Nichtleistung des Eides in einem auf die Nichtleistung gerichteten Willensvorgange ihren Grund hat, daß sie also auf eine Eidesweigerung zurückzuführen ist. Fehlt es aber an dem schlüssigen Ausdrucke einer Eidesweigerung, welche unabhängig von dem Antrage der Gegenpartei die im §. 429 Abs. 2 a, a. O. festgesetzte Folge herbeizuführen geeignet ist, so bleibt nur übrig, das Verhalten des Beklagten gegenüber der Frage des Richters, ob er den Eid leisten wolle, auf gleiche Stufe der rechtlichen Beurteilung mit dem Nichterscheinen der schwurpflichtigen Partei im Eidesleistungstermine zu stellen. Die Lage des Streitfalles ist also nach dem Rechtsgrundsatze, der im §. 298 a. a. O. für den Fall, in welchem eine Partei im Verhandlungstermine zwar erscheint, aber nicht verhandelt, dahin Ausdruck gefunden hat, daß diese Partei als nicht erschienen anzusehen ist, unter analoger Anwendung der fraglichen Rechtsnorm auf den vorliegenden Fall, in welchem nicht ein Verhandlungstermin, sondern ein Beweisaufnahmetermin in Rede steht, zu beurteilen. Danach aber war der Beklagte befugt, bei der Verhandlung vor dem Prozeßgerichte die Eidesleistung nachzuholen. Gehindert werden konnte er an dieser Nachholung dadurch, daß seitens der Gegenpartei der Antrag auf Versäumnisurteil dahin, daß der Eid infolge der Nichterklärung des Beklagten als verweigert anzusehen wäre, gestellt und die Verhandlung über diesen Antrag vor der Nachholung der versäumten Prozeßhandlung geschlossen wurde (§§. 209. 430 a. a. O.). Nach dem Thatbestande des angefochtenen Urteiles hat sich der Beklagte vor dem Prozeßrechte zur Nachholung der Eidesleistung bereit erklärt. Ein Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteiles ist überall nicht gestellt. Das Berufungsgericht hat hiernach aus unzureichenden Gründen das Gegenteil der vom Beklagten zu beschwörenden Thatsachen für voll bewiesen angesehen und die dem entsprechenden Folgen gezogen. Das Urteil unterliegt mithin der Aufhebung." ...