RG, 21.03.1919 - II 287/18
Können bei einer Preiskonvention im Falle des Vertragsbruchs eines Mitglieds die übrigen Mitglieder von dem Vertragsbrüchigen Ersatz des ihnen persönlich entstandenen Schadens verlangen?
Tatbestand
Die Brauer und Biergroßhändler im oberschlesischen Industriebezirke schlossen im Jahre 1906 eine Konvention zum Schutze ihrer gemeinsamen Interessen. Insbesondere wurden Mindestverkaufspreise festgesetzt und die damit zusammenhängenden Fragen geregelt. Als das Vertragsverhältnis, nachdem es verlängert worden war, seinem Ende zuging, trafen die Beteiligten am 30. März 1909 eine demselben Zwecke dienende neue Vereinbarung, die bestimmte, daß der Vertrag am 1. April 1909 in Kraft trete, längstens bis 1. April 1910 dauere und mit dem Inkrafttreten der neuen Brausteuer erlösche. Zu den Mitgliedern der Konvention gehörten auch die Parteien. Das neue Biersteuergesetz (vom 15. Juli 1909) trat am 1. August 1909 in Kraft.
Nach der Behauptung der Klägerin wurde die Konvention durch Vertrag vom 22. Juli 1909 für die Zeit vom 1. August 1909 bis zum 1. April 1912 verlängert, wobei die Bierpreise erhöht worden seien. Durch Schreiben vom 17. September 1909 erklärte die Beklagte ihren Austritt aus der Konvention. Zugleich setzte sie ihren bisherigen Bierpreis herab. Die Klägerin behauptete, das Vorgehen der Beklagten, deren Kündigung ungerechtfertigt gewesen sei, habe die Konvention zu einer allgemeinen Preisermäßigung genötigt; dadurch habe sie die Klägerin, in der Zeit vom 21. September 1909 bis zum 31. März 1910 einen Schaden von 26496 M erlitten. Hiervon machte sie mit der Klage einen Teilbetrag von 5000 M geltend.
Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Gründe
"Die Beklagte ist der Klage mit mehreren Einwendungen entgegengetreten, von denen jeder der Vorderrichter zwei als durchgreifend angesehen hat. Der erste Richter weist die Klage ab, indem er annimmt, daß ein Kündigungsrecht der Beklagten bestanden habe und daß ein Schaden der Klägerin nicht dargetan sei. Das Berufungsgericht erachtet diesen zweiten Grund ebenfalls für zutreffend und ist außerdem der Ansicht, daß die Klägerin aus der der Beklagten vorgeworfenen Verletzung des Syndikatsvertrags keine Ansprüche wegen des ihr angeblich erwachsenen persönlichen Schadens ableiten könne.
Bei der Prüfung der letzteren Frage geht das Berufungsgericht davon aus, daß die in Rede stehende Konvention sich als nicht rechtsfähiger Verein im Sinne des § 54 BGB. darstelle. Diese Beurteilung mag zweifelhaft sein. Das Reichsgericht hat in einer Reihe von Erkenntnissen die Merkmale eines solchen Vereins darin gefunden, daß eine auf die Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes vorliegt, die korporativ organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist. Bedenken könnten hier nach der Richtung bestehen, ob den Erfordernissen der Namenführung und eines auf die Dauer berechneten Zusammenschlusses genügt ist. Nach der Sachlage kommt es jedoch darauf, ob die Vereinigung unter § 54 BGB. fällt oder ob eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis vorliegt, nicht entscheidend an. Denn die Beziehungen der Mitglieder untereinander werden, mag das eine oder das andere zutreffen, in erster Reihe durch den der Vereinigung zugrunde liegenden Vertrag bestimmt. In dieser Hinsicht hat aber das Berufungsgericht dem Vertrage der Beteiligten einwandfrei entnommen, daß ein Anspruch, wie ihn die Klägerin erhebt, ausgeschlossen sei. Durch die §§ 14 bis 18 der Konvention sind die Folgen des vertragswidrigen Verhaltens ausdrücklich geregelt. Danach hat ein Mitglied, das gegen die Konventionsbestimmungen verstößt, eine Vertragsstrafe von 100 bis 2000 M zu zahlen, die zur Kasse der Vereinigung fließt und in einem näher geordneten Verfahren festzusetzen ist. Das Berufungsgericht faßt diese Regelung dahin auf, daß sie nach dem Willen der Beteiligten die Folgen etwaiger Zuwiderhandlungen ausschließlich bestimme und daß für weitere Ansprüche, insbesondere auch solche einzelner Mitglieder, kein Raum sein solle. Es lehnt also die Annahme ab, daß, wie es nach der Auffassung der Klägerin der Fall wäre, Zuwiderhandlungen ein doppeltes Verpflichtungsverhältnis - einerseits der Gesamtheit, anderseits den einzelnen Mitgliedern gegenüber - nach sich ziehen sollten. Das ist eine Auslegung des Vertrags, gegen die rechtliche Bedenken nicht zu erheben sind, und zwar auch dann nicht, wenn die Konvention sich etwa nicht als Verein, sondern, wie die Revision meint, als Gesellschaft darstellt. Wie der Anspruch der Klägerin als Anspruch aus unerlaubter Handlung zu beurteilen wäre; ist mangels einer dahin gehenden Begründung der Klage nicht zu erörtern.
Hiernach mußte die Revision zurückgewiesen werden, ohne daß zu prüfen war, ob das Berufungsgericht einwandfrei auch verneint hat, daß es an dem Nachweis eines der Klägerin erwachsenen Schadens fehle."