RG, 18.02.1889 - IV 271/88

Daten
Fall: 
Im Konkurs geschossener Zwangsvergleich
Fundstellen: 
RGZ 23, 43
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.02.1889
Aktenzeichen: 
IV 271/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Elbing
  • OLG Marienwerder

Wieweit ist der im Konkurse geschlossene Zwangsvergleich für die absonderungsberechtigten Gläubiger wirksam?

Tatbestand

Die Beklagte ließ am 26. Januar 1885 wegen einer rechtskräftig erstrittenen Forderung von 4486,99 M gegen den Kläger auf dessen Gut eine Quantität Stahlschienen, verschiedenes Vieh und Fahrgeschirr pfänden. Zwei Tage später wurde über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet, aber bereits durch Zwangsvergleich vom 5. Juni 1885 mit 50 Prozent beendet.

Durch Beschluß des Amtsgerichtes zu Christburg vom 16. Mai 1888 ist auf Antrag der Beklagten eine Brandentschädigungsforderung an die Feuerversicherungsgesellschaft zu Schwebt in Höhe von noch 3066,83 M und 179,30 M für die Beklagte gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen. Von diesen Brandentschädigungsgeldern hat die Beklagte nach Erhebung der vorliegenden Klage 2300 M ausgezahlt erhalten.

Kläger hält die Pfändung für unzulässig, da die Beklagte dem Zwangsvergleiche unterworfen sei und hat daher klagend beantragt:
den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 16. März 1888 aufzuheben und die Beklagte zu verurtheilen, die empfangene Brandentschädigungssumme von 2300 M nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 12. April 1888 an Kläger, eventuell zur Hinterlegungsstelle, zu zahlen.

Die Beklagte hat dagegen geltend gemacht, daß sie durch die Pfändung vom 26. Januar 1885, und zwar nicht bloß auf jene Pfandobjekte, sondern überhaupt Absonderungsberechtigte geworden sei und als solche dem späteren Zwangsvergleiche nicht unterliege, vielmehr zu jeder Pfändung wegen ihrer ganzen Forderung berechtigt sei.

Das Landgericht zu Elbing hat die Beklagte nach dem Klagantrage verurteilt, das Oberlandesgericht zu Marienwerder dagegen auf die Berufung der Beklagten den Kläger abgewiesen. Der vom Kläger eingelegten Revision ist stattgegeben aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der Berufungsrichter nimmt an, daß die Absonderungsberechtigten als solche bei dem Zwangsvergleichsverfahren nicht beteiligt sind. Dieser Satz laßt sich nicht beanstanden, wenn man die Worte "als solche" dahin auffaßt: "soweit es sich um die Ausübung des Absonderungsrechtes handelt."

Dagegen kann als richtig nicht anerkannt werden, was an diesen Satz angeschlossen wird, nämlich:
daß die Absonderungsberechtigten nur soweit, als sie überhaupt an dem Konkurse teilnehmen und aus der Konkursmasse Befriedigung erhalten wollen, mit ihren persönlichen Forderungen dem Akkorde unterworfen sind, daß sie nur unter Voraussetzung des Verzichtes oder eines Ausfalls zu den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigen, gehören und an dem Zwangsvergleiche teilnehmen.

Nach §. 2 K.O. ist Konkursgläubiger jeder persönliche Gläubiger, welcher einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner hat. Darunter fällt ein persönlicher Gläubiger auch dann, wenn er einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus Gegenständen, welche zur Konkursmasse gehören, hat. Dieser Anspruch schließt das Recht, seine Befriedigung auch aus den übrigen zur Konkursmasse gehörigen Gegenständen zu suchen, an sich nicht aus.

Deshalb bestimmt der dritte Absatz des §. 3 nicht, daß die Befriedigung der Absonderungsberechtigten, sondern daß die abgesonderte Befriedigung unabhängig von dem Konkursverfahren erfolgt.

Schon der §. 3 ergiebt klar, daß der Anspruch auf abgesonderte Befriedigung nur bestimmte Gegenstände, nur Teile der Konkursmasse ergreift. Noch deutlicher ist dies ausgedrückt in §. 40, in welchem als Gegenstände, aus denen die Faustpfandgläubiger abgesonderte Befriedigung verlangen können, nur die verpfändeten Gegenstände bezeichnet werden, sowie aus §. 41, in welchem überall durch die Worte "in Ansehung" die Bestandteile der Konkursmasse bezeichnet werden, deren Absonderung aus derselben der Berechtigte behufs seiner Befriedigung beanspruchen kann.

Dieser Anspruch aus bestimmten Bestandteilen der Masse mit Ausschluß der Konkursgläubiger, welchen ein solcher Anspruch auf diese Bestandteile nicht zusteht, Befriedigung zu suchen, besteht an sich neben dem Rechte, die Befriedigung aus den übrigen Bestandteilen zu verlangen; derselbe ist eine Erweiterung dieses Rechtes.

Da aber das Recht der absonderungsberechtigten Konkursgläubiger nur einzelne Bestandteile der Masse ergreift und da der Berechtigte nicht doppelte Befriedigung beanspruchen kann1 nämlich einmal aus den abgesonderten Bestandteilen der Masse und zudann noch aus den übrigen Bestandteilen derselben, so ist als notwendiges Korrelat des weitergehenden Rechtes des Absonderungsberechtigten demselben das Recht, aus der übrigen Masse seine Befriedigung zu suchen, zwar nicht entzogen, wohl aber durch die Bestimmung des §. 57 beschränkt:
daß derselbe die Forderung zur Konkursmasse zwar geltend machen, aus derselben aber nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen kann, zu welchem er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet, oder mit welchem er bei derselben ausgefallen ist.

Die hinzugefügte Voraussetzung:
wenn der Gemeinschuldner auch persönlich für sie haftet, drückt gerade aus, daß dieses Recht ein Ausfluß der Eigenschaft des Absonderungsberechtigten als Konkursgläubigers ist.

Ob er von diesem Rechte Gebrauch machen will, hängt ganz ebenso, wie bei jedem anderen Konkursgläubiger, von seinem Willen ab. Wie jeder andere Konkursgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist oder für dessen Forderung ein vollstreckbarer Titel nicht vorliegt, falls er dem Verwalter die Erhebung der Feststellungsklage nicht binnen zwei Wochen nachweist, bei der vorzunehmenden Verteilung unberücksichtigt bleibt (§. 140), so trifft derselbe Nachteil auch den Gläubiger, welcher abgesonderte Befriedigung beansprucht, wenn er binnen derselben Frist dem Verwalter den Nachweis seines Verzichtes oder seines Ausfalles, bezw. den Nachweis, daß die Veräußerung des zur abgesonderten Befriedigung dienenden Gegenstandes betrieben wird, nicht führt und den Betrag des mutmaßlichen Ausfalles nicht glaubhaft macht (§. 141).

Wird aber von ihm zwar nicht der Nachweis des Verzichtes oder des Ausfalles, wohl aber der Nachweis des Betriebes der Veräußerung geführt und der Betrag des mutmaßlichen Ausfalles glaubhaft gemacht, so wird bei der Schlußverteilung ihm sein Anteil ganz ebenso zurückbehalten, wie jedem anderen Konkursgläubiger, dessen Forderung wegen erhobenen Widerspruches im Prozesse befangen ist (§. 155).

Endlich ergiebt der §. 88 in Verbindung mit §. 169. daß der Absonderungsberechtigte keineswegs von der Mitwirkung bei dem Zustandekommen des Zwangsvergleiches ausgeschlossen ist, vielmehr so weit mitstimmt, als sein mutmaßlicher Ausfall reicht. Der Zwangsvergleich wird zwischen dem Gemeinschuldner und den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern geschlossen. Der Absonderungsberechtigte zählt aber nicht zu den bevorrechtigten Gläubigern (§. 54).

Alles dies führt mit Notwendigkeit zu der Folgerung, daß der Zwangsvergleich (im Unterschiede von den bevorzugten Konkursgläubigern) für und gegen die absonderungsberechtigten Konkursgläubiger ganz ebenso, wie gegen andere Konkursgläubiger, wirksam ist, mögen sie an dem Konkursverfahren und der Beschlußfassung über den Vergleich teilgenommen haben oder nicht (§. 178). Selbstverständlich bleibt das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus den Bestandteilen der Masse bezw. dem Erlöse derselben (§. 117), in Ansehung derer sie das Absonderungsrecht haben, bestehen, soweit sie nicht darauf verzichtet haben. Denn diese Befriedigung erfolgt unabhängig von dem Konkursverfahren und daher auch unabhängig von dem in diesem Verfahren geschlossenen Vergleiche (§. 3 Abs. 2). Die obige Ausführung stimmt auch mit den Motiven überein, aus welchen hervorzuheben ist:

Zu §. 3 (Hahn, Materialien S. 57):
Die Absonderungsberechtigten können zugleich persönliche Gläubiger des Gemeinschuldners sein; in dieser Eigenschaft sind sie Konkursgläubiger.

Zu §. 40 (Hahn, S. 201):
Der Entwurf beläßt den Pfandgläubigern das Recht, ihre etwaige persönliche Forderung als Konkursgläubiger geltend zu machen, soweit sie aus dem Pfande nicht oder nicht völlig befriedigt sind.

Zu §. 57 (Hahn, S. 253). Das Absonderungsrecht berechtigt zur vorzugsweisen Befriedigung aus dem speziellen Gegenstande; reicht dieser zur Befriedigung nicht hin, so ist die Forderung, des Absonderungsrechtes entkleidet, eine persönliche Forderung, wie jede Konkursforderung.

(Hahn, S. 254:) Es liegt auf der Hand, daß jeder Absonderungsgläubiger bei der Geltendmachung seiner persönlichen Forderung zu der Konkursmasse denselben Vorschriften und denselben Beschränkungen unterworfen ist, wie sie für alle Konkursgläubiger gelten.2

Dies auf den vorliegenden Fall angewendet, so ist die in Rede stehende Forderung der Beklagten an den Kläger unzweifelhaft eine persönliche, die Beklagte also Konkursgläubigerin. Sie hatte aber durch die Pfändung vom 26. Januar 1885 ein Absonderungsrecht erworben, aber gemäß §. 41 Nr. 9 der Konkursordnung nur in Ansehung der gepfändeten Stahlschienen und der sonstigen in dem Verzeichnisse des Gerichtsvollziehers verzeichneten Gegenstände. Die Forderung ist aber des Absonderungsrechtes dadurch entkleidet, daß, wie nach der Feststellung des Berufungsurteiles unstreitig ist, die Pfandstücke weder während des Konkurses noch nach demselben versilbert worden, sondern nach Beendigung desselben zum Teil verbrannt, zum Teil abhanden gekommen, bezw. beseitigt worden sind. Es verblieb der Beklagten nur dasselbe Recht, wie allen übrigen Konkursgläubigern, d. h. das Recht auf die Zwangsvergleichsquote. Der Umstand, daß sie weder ihre Forderung im Konkurse geltend gemacht, noch auf ihr Absonderungsrecht verzichtet, noch sich bei dem Zwangsvergleichsverfahren beteiligt hat, ist nach §. 178 unerheblich. Nur wegen der Akkordquote stand ihr auf Grund ihres vollstreckbaren Schuldtitels die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger zu (§. 179).

Sie hat aber zugestanden, daß sie die bis zur Erhebung der Klage fälligen drei Raten mit zusammen 1422,09 M erhalten hat, und nur eingewendet, daß sie dieselben als Abschlagszahlungen auf ihre Forderung angenommen habe. Sie hat ebenso nicht bestritten, daß sie aus den Brandentschädigungsgeldern 2300 M ausgezahlt erhalten hat, und nur ins Nichtwissen gestellt, daß dies gerade am 12. April 1388 geschehen ist. Es rechtfertigt sich nach dem Obigen die vom Richter erster Instanz ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser 2300 M nebst 5 Prozent Zinsen seit dem gedachten Tage durch §. 207. 208. 194 A.L.R. I. 16 und §. 129 Abs. 3 C.P.O.

Es ist auch der Rechtsbehelf der Beklagten, daß Kläger nach Beendigung des Konkurses den Umfang ihres erworbenen Pfandrechtes durch Beiseiteschaffung der Pfandstücke verschuldet hat, in keiner Weise substanziert worden, und darauf, daß die Brandversicherungsforderung des Klägers an die Stelle der verbrannten Gegenstände getreten sei, hat Beklagte ein Recht an dieser Forderung nicht gestützt.

Nach allem Vorstehenden ist die Aufhebung des angefochtenen Urteiles und die Zurückweisung der Berufung geboten, welche die Beklagte gegen das auf Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichtes zu Christburg vom 16. März 1888 und auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der auf Grund dieses Beschlusses erhobenen 2300 M nebst Zinsen lautende Urteil erster Instanz eingelegt hat."

  • 1. vgl. Motive zu §. 57 in Hahn, Materialien S. 253.
  • 2. Vgl. auch die Kommentare von Wilmowski-Levy zu §. 160 Note 4; zu §. 178 Note 1, von Petersen zu §. 160 Nr. 2.