RG, 15.02.1889 - III 278/88

Daten
Fall: 
Verwaltungsbehörde
Fundstellen: 
RGZ 23, 344
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
15.02.1889
Aktenzeichen: 
III 278/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Neustrelitz
  • Oberlandesgericht Rostock

Begriff der Verwaltungsbehörde im §.13 G.V.G.

Tatbestand

Der Beklagte hatte gegen die liquide Klageforderung eine Kompensationseinrede daraus hergeleitet, daß die Klägerin eine ihm für einen Brandschaden zukommende Entschädigungssumme zu niedrig festgesetzt habe. Die Klägerin bestritt die Zulässigkeit des Rechtsweges für die Kompensationseinrede, weil durch landesgesetzliche Vorschrift den Organen der klagenden Gesellschaft die Bestimmung der Höhe der zu zahlenden Brandentschädigungen unter Ausschluß der Gerichte zugewiesen sei; während der Beklagte ausführte, daß die Verwaltungsorgane einer Privatgesellschaft, welche deren private Interessen vertreten, als Verwaltungsbehörden im Sinne des §. 13 G.V.G. nicht anzusehen seien, und es daher an den für den wirksamen Ausschluß des Rechtsweges durch den §.13 aufgestellten Erfordernissen fehle. Beide Vorinstanzen erklärten den Rechtsweg für unzulässig, und wurde die Revision des Beklagten verworfen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach den Feststellungen des Berufungsurteiles konnte nicht mehr in Frage kommen, ob den Bestimmungen der Statuten der klagenden Gesellschaft über die Festsetzung von Brandschäden und Entschädigungen die Bedeutung vertragsmäßiger Unterwerfung der Interessenten unter einen Schiedsspruch beizumessen sei, denn das Berufungsgericht hat ausdrücklich ausgesprochen, daß die in gesetzlicher Weise verkündete landesherrliche Bestätigungsakte vom 27. Dezember 1862 ein Spezialgesetz sei, welches den Rechtsweg für Ansprüche der vorliegenden Art ausgeschlossen habe. Diese Entscheidung gründet sich allein auf partikulares mecklenburgisches Recht und ist daher der Nachprüfung entzogen.

Insoweit die Revision eine Verletzung des §. 3 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung und des §. 13 G.V.G. gerügt hat, würde, falls der Beklagte mit Recht bestritten hätte, daß der Direktion der klagenden Gesellschaft der Charakter einer öffentlichen Verwaltungsbehörde beizumessen sei, zu prüfen sein, ob durch den §. 13 a. a. O. die Befugnis der deutschen Einzelstaaten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten den Rechtsweg auszuschließen, im bisherigen Umfange - abgesehen von den Bestimmungen der §§. 4. 5 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung - unbeschränkt aufrechterhalten ist, oder ob nach dem §.13 zum wirksamen Ausschlusse des Rechtsweges die gleichzeitige Bestimmung einer Verwaltungsbehörde ober eines Verwaltungsgerichtes an Stelle der ausgeschlossenen ordentlichen Gerichte gehört. Die Entscheidung dieser Frage wäre jedoch hier ohne praktische Bedeutung, da die Direktion der klagenden Gesellschaft als öffentliche, zur Entscheidung von Streitigkeiten der vorliegenden Art berufene Verwaltungsbehörde anzusehen ist.

Der §. 50 der landesherrlich genehmigten und publizierten Statuten der klagenden Gesellschaft bestimmt, daß die Anstalt durch das Direktorium und die Beamten der mecklenburgischen Hagel- und Mobiliarbrandversicherungsgesellschaft zu Neubrandenburg verwaltet werden soll, deren Statuten durch die ein Landesgesetz enthaltende landesherrliche Bestätigung d. d. Neustrelitz den 9. April 1866 dergestalt genehmigt sind, "daß danach vom 2. März 1867 an von den Direktoren und Interessenten der Gesellschaft, sowie überhaupt von jedermann, den es angeht, auch allen unseren Behörden jederzeit verfahren werden soll." Mag nun auch dies Direktorium aus freier Wahl der Gesellschaft hervorgehen und im wesentlichen zur Wahrnehmung und Vertretung bei privaten Interessen einer Privatgesellschaft berufen sein, so wird doch dadurch nicht ausgeschlossen, daß dasselbe in der hier fraglichen Richtung zugleich eine öffentliche Verwaltungsbehörde bildet. Für diese Annahme ist maßgebend, daß das Direktorium seine Befugnis zur Entscheidung der fraglichen Streitigkeiten nicht aus einer privaten Vereinbarung herleitet, sondern aus dem Willen der Staatsgewalt, welche durch die gedachten Bestätigungsurkunden dem Direktorium jene Befugnis gesetzlich und unter Ausschluß der Gerichte beigelegt und dasselbe dadurch insoweit als allein zuständige Verwaltungsbehörde konstituiert hat.

Die Revision war daher unter Verurteilung des Revisionsklägers in die Instanzkosten zurückzuweisen."