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RG, 15.02.1884 - III 286/83

Daten
Fall: 
Wahlrechts des Konkursverwalters
Fundstellen: 
RGZ 11, 49
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
15.02.1884
Aktenzeichen: 
III 286/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Greifswald
  • OLG Stettin

Kann der Konkursverwalter, welcher das ihm nach §. 15 K.O. zustehende Wahlrecht dahin ausübt, daß er sich für die Erfüllung eines zweiseitigen Vertrages entscheidet, unbedingt Gewährung der vertragsmäßigen Gegenleistung an die Masse fordern, oder binden ihn Änderungen, welche der Inhalt des Vertrages nach dessen Abschluß erlitten hat?

Aus den Gründen

"Nach dem Thatbestande des ersten Urteiles, welchen der Berufungsrichter seiner Entscheidung zu Grunde legt, ist der Sachverhalt folgender:

Der Gutspachter L. in D. hatte am 11. Dezember 1881 mit dem Rentier v. K. einen Vertrag geschlossen, kraft dessen er dem letzteren seine Pachtung nebst der Pachtkaution und den Lagegeldern cedierte, sowie sein Inventar verkaufte. Die Cessionsvaluta und der Kaufpreis betrugen zusammen 57000 M. Die Erfüllung des Vertrages sollte Trinitatis, das heißt den 24. Juni 1882, erfolgen. Dem Erblasser der Kläger, Rentier H., stand eine rechtskräftige Forderung von 3600 M nebst Zinsen und Kosten gegen den Gutspachter L. zu. Wegen dieses Anspruches wurde auf seinen Antrag durch Verfügung des Amtsgerichtes zu Greifswald vom 26. Januar 1882 die Forderung des L. an den Rentier v. K. aus dem Vertrage vom 11. Dezember 1881 gepfändet. Die dem L. und dem Rentier v. K. am 7., bezw. 3. Februar zugestellte Verfügung sagt:

"Der Rentier v. K. darf die gepfändete Forderung an den Schuldner nicht mehr zahlen.
Der Schuldner hat sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere durch Einziehung derselben, zu enthalten.
Zugleich wird dem Rentier H. die bezeichnete Forderung auf Höhe des erwähnten Betrages zur Einziehung überwiesen."

Am 21. Juni 1882 wurde über das Vermögen des Gutspächters L. der Konkurs eröffnet. Der zum Konkursverwalter bestellte Beklagte hat sich, wie es im Thatbestande heißt, dahin entschieden, den vom Gemeinschuldner mit v. K. abgeschlossenen Vertrag seinerseits zu erfüllen, und die Erfüllung seitens des anderen Teiles zu verlangen. Am 23. Juni 1882 sind dem Rentier v. K. die cedierten Rechte und die verkauften Sachen übertragen, v. K. hat jedoch die 57000 M nicht in vollem Betrage an den Beklagten gezahlt, sondern diejenige Summe, welche durch die Verfügung vom 26. Januar 1882 für H. gepfändet war, bei der Hinterlegungsstelle in Stralsund deponiert. Die Kläger verlangen als Erben ihres Vaters, des Gutspächters H., daß der Beklagte ihr Recht aus abgesonderte Befriedigung wegen der 3600 M nebst Zinsen und Kosten anerkenne, und in die Auszahlung der hinterlegten Summe an sie willige. Beide Vorinstanzrichter haben diesem Antrage gemäß erkannt. Die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist unbegründet.

Nach dem festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, daß die im §. 7.36 C.P.O. gedachte erste Alternative hier vorliegt. Die gepfändete Forderung ist dem Gläubiger zur Einziehung (nicht an Zahlungsstatt zum Nennwerte) überwiesen. Sie verblieb deshalb im Vermögen des Schuldners, und es fragt sich nur, ob den Klägern ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus diesem Vermögensstücke des Gemeinschuldners zusteht. Die Erörterungen des Berufungsrichters über ein etwaiges Aussonderungsrecht der Kläger haben, da ihnen die thatsächliche Grundlage fehlt, keine Bedeutung. Es ist auch mit den Instanzrichtern anzunehmen, daß der Drittschuldner v. K. sich durch die Hinterlegung befreit hat. Der Streit zwischen den Parteien betrifft deshalb allein die Frage, ob ein Konkursverwalter, welcher das ihm nach §.15 K.O. zustehende Wahlrecht dahin ausübt, daß er sich für die Erfüllung eines zweiseitigen Vertrages entscheidet, unbedingt Gewährung der vertragsmäßigen Gegenleistung an die Masse fordern kann, oder ob Änderungen, welche der Inhalt des Vertrages nach dessen Abschluß erlitten hat, auch den Konkursverwalter binden. Letzteres ist für richtig zu erachten.

Die Eröffnung des Konkurses hebt einen vom Gemeinschuldner abgeschlossenen zweiseitigen Vertrag nicht auf. Der Vertrag tritt vielmehr in eine den s. g. hinkenden Geschäften ähnliche Lage. Der Konkursverwalter kann entweder die Erfüllung desselben verweigern; dann fällt das Recht des anderen Kontrahenten, Erfüllung zu verlangen, fort, und an Stelle desselben tritt der Konkursanspruch auf das Interesse wegen Nichterfüllung; oder der Konkursverwalter entscheidet sich für die Erfüllung aus der Masse, dann ist auch der andere Kontrahent zur Erfüllung verpflichtet. Welche von diesen beiden Alternativen eintreten soll, hängt von der Entscheidung des Verwalters ab. Es ist seine Sache, nach eingezogenen Erkundigungen und, falls ein Gläubigerausschuß bestellt ist, nach eingeholter Genehmigung desselben (§. 121 Nr. 2 K.O.) darüber zu beschließen, ob es für die Gläubiger vorteilhafter ist, die Erfüllung abzulehnen und dadurch den Konkursanspruch auf das Interesse hervorzurufen, oder die Erfüllung zu verlangen, und die Masse zu der Gegenleistung zu verpflichten. Eine weitere Einwirkung auf die Rechtsbeständigkeit oder den Inhalt des Vertrages steht ihm nicht zu. Er tritt, wie der §. 15 a. a. O. ausdrücklich sagt, bei der Erfüllung des Vertrages an die Stelle des Gemeinschuldners, muß also alles leisten, was dieser dem anderen Kontrahenten zu gewähren hatte. Umgekehrt kann er auch nicht mehr beanspruchen, als dem Gemeinschuldner zustand. Das Gesetz bestimmt, das Wahlrecht solle eintreten, wenn ein zweiseitiger Vertrag zur Zeit der Konkurseröffnung von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Teile nicht, oder nicht vollständig erfüllt ist. Darin liegt ausgesprochen, daß der Konkursverwalter nur diejenige Leistung, zu welcher der andere Kontrahent bei der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner gegenüber verpflichtet war, fordern darf. Ob das Recht des Gemeinschuldners auf die anfänglich im Vertrage bestimmte Leistung durch teilweise Erfüllung vermindert, oder ob es durch gültigen Rechtsakt auf einen Dritten übergegangen ist, macht für die rechtlichen Befugnisse des Gemeinschuldners, und ebenso des Konkursverwalters keinen Unterschied. Letzterer muß, wenn er Erfüllung des Vertrages verlangt, die Änderungen desselben, durch welche Dritte wohlerworbene Rechte erlangt haben, wie der Gemeinschuldner selbst anerkennen. Welches Rechtsverhältnis bei Verfügungen des Gemeinschuldners für eine spätere Zeit, in welcher das sachliche Recht des Verfügenden aufgehört hat, eintreten würde, bedarf hier keiner Erörterung.

In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Berufungsrichter beizustimmen, daß der Beklagte, nachdem er sich für die Erfüllung des Vertrages entschieden hatte, nicht befugt war, von dem Rentier v. K. die Zahlung der rechtsverbindlich gepfändeten Summe zu beanspruchen, sondern, daß den Klägern gemäß §. 41 Nr. 9 K.O. das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem deponierten Gelde zusteht." ...