RG, 22.01.1889 - II 298/88
1. Muß nach §. 9 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879, betreffend die Anfechtung etc, von dem Kläger regelmäßig in der Klage zugleich Verurteilung des Beklagten zur Rückgewähr beantragt werden?
2. Erscheint, wenn lediglich Feststellung der Unwirksamkeit beantragt wird, die Klage als mangelhaft und muß dieser Mangel von Amts wegen berücksichtigt werden?
Tatbestand
Die Beklagten haben im Jahre 1886 von der Ehefrau B. ein dieser gehöriges Wohnhaus auf die Dauer eines Jahres gegen Vorausbezahlung des Mietzinses in der Höhe von 2500 M gemietet. Der Mietvertrag sollte am 27. Juni 1867 in Kraft treten. Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Gläubiger der Vermieterin im Jahre 1887 Klage erhoben mit dem Antrage, den erwähnten Mietvertrag "für aufgehoben zu erklären". Zur Begründung der Klage wurde zunächst geltend gemacht, der Mietvertrag sei ungültig, weil Ehefrau B. nicht befugt gewesen sei, denselben ohne Ermächtigung ihres Ehemannes abzuschließen. In zweiter Linie wurde die Klage auf §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes gestützt. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf Berufung der Kläger wurde aber das Urteil erster Instanz aufgehoben und der Mietvertrag auf Grund des §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes dem Kläger gegenüber als unwirksam erklärt. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt, in welcher Weise die Rückgewähr zu erfolgen habe.
Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sachen an das Berufungsgericht zurückverwiesen, und zwar aus folgenden Gründen:
Gründe
"Nach §. 9 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1379, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, hat, sofern die Anfechtung im Wege der Klage erfolgt, der Klagantrag bestimmt zu bezeichnen, in welchem Umfange und in welcher Weise die Rückgewähr seitens des Empfängers bewirkt werden soll. Eine Klage auf bloße Feststellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung, wie sie bei der Anfechtung im Konkurs- verfahren zulässig ist, mit dem Vorbehalte, über die Rückgewähr in einem späteren Prozesse entscheiden zu lassen, ist hiernach, sofern die Anfechtungsklage auf das Gesetz vom 21. Juli 1879 gestützt wird, nicht statthaft. Vielmehr muß der Gläubiger, der eine solche Anfechtungsklage erhebt, in der Klageschrift neben der Unwirksamerklärung zugleich Verurteilung zur Rückgewähr beantragen und genau angeben, in welcher Weise diese letztere erfolgen soll.1 Der angeführten Vorschrift hat der Kläger nicht genügt, da in der Klageschrift lediglich beantragt worden ist, der angefochtene Mietvertrag solle für "aufgehoben" erklärt werden. Auch hat derselbe nicht etwa im Laufe des Prozesses den Klagantrag unter Berufung auf §. 240 Ziff. 2 C.P.O. erweitert, sondern auch seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag lediglich dahin gerichtet, daß der Mietvertrag ihm gegenüber für unwirksam erklärt werden solle. Infolge dieses Umstandes konnte auch das Berufungsgericht, als es die Anfechtung für begründet erklärte, über den Umfang und die Art der Rückgewähr nicht eine der Rechtskraft fähige Entscheidung treffen, sondern nur in den Entscheidungsgründen darlegen, wie sich die Rückgewähr nach seiner Ausfassung zu gestalten habe. Durch das angefochtene Urteil, das lediglich als ein Feststellungsurteil anzusehen ist, wird die den eigentlichen Zweck der Anfechtung bildende Rückgewähr in keiner Weise geregelt. Vielmehr müßte der Kläger, wenn das angefochtene Urteil in Rechtskraft erwüchse, in einem zweiten Prozesse die Verurteilung der Beklagten zur Rückgewähr beantragen, sofern nicht eine gütliche Verständigung erfolgt. Es ist sonach in Klage und Urteil gerade dasjenige Verfahren eingehalten worden, welches durch §.9 des Anfechtungsgesetzes ausgeschlossen werden soll. Der gerügte Mangel liegt hiernach wirklich vor. Allerdings war zur Zeit der Klage der Mietvertrag noch nicht in Kraft getreten. Daraus kann jedoch nicht der Einwand abgeleitet werden, es habe einer Rückgewähr, damit der Zweck der Anfechtung erreicht werde, überhaupt nicht bedurft, vielmehr habe der Kläger durch die Unwirksamerklärung des Mietvertrages alles dasjenige erlangen können, was er durch die Anfechtung erreichen wollte. Ganz abgesehen davon, daß eine rechtskräftige Entscheidung über die Anfechtungsklage nicht in so kurzer Zeit, erwartet werden konnte, daß eine Rückgewähr gegenstandslos gewesen wäre, würde jener Einwendung die Thatsache im Wege stehen, daß das den Beklagten vermietete Haus an verschiedene Untermieter vermietet war und deren Mietverträge durch eine erfolgreiche Anfechtung des in Frage stehenden Mietvertrages nicht beseitigt wurden. Der Kläger kann, wie auch das Berufungsgericht selbst in den Entscheidungsgründen dargelegt hat, den mit der Anfechtungsklage verfolgten Zweck nur dann erreichen, wenn ihm der Mietwert des Hauses für die Zeit, in welcher ihm dessen Benutzung, durch den angefochtenen Vertrag entzogen war, ersetzt wird. Er mußte aber auch von vornherein wissen, daß er auf eine derartige Rückgewähr angewiesen sein werde, und hat diese ohne Zweifel schon bei der Klage im Auge gehabt. Bei dieser Sachlage kann also nicht davon die Rede sein, daß der gestellte Klagantrag der in §. 9 des Anfechtungsgesetzes enthaltenen Vorschrift entspreche. Nun haben allerdings die Beklagten die Zulässigkeit der Klage bezw. des gestellten Klagantrages weder in erster noch in zweiter Instanz bestritten. Aber auf diesen Umstand kommt es nicht an, weil das Gericht den Mangel, sofern demselben nicht durch Erweiterung des Klagantrages abgeholfen wurde, von Amts wegen berücksichtigen mußte. Ob die Voraussetzungen des §. 267 Abs. 1 C.P.O. hier überhaupt gegeben sind, d. h. ob lediglich die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift in Frage steht, kann dahingestellt bleiben, weil §. 9 des Anfechtungsgesetzes jedenfalls als eine Vorschrift anzusehen ist, auf deren Befolgung der Beklagte nicht in wirksamer Weise verzichten kann, also die Anwendung des §. 267 Abs. 1 unter allen Umständen nach Abs. 2 dieses Paragraphen ausgeschlossen ist. Der mehrerwähnte §. 9 hat hauptsächlich den Zweck, auf dem in Frage stehenden Gebiete bloße Feststellungsklagen und damit die Möglichkeit auszuschließen, daß über die Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung und über die Rückgewähr in zwei verschiedenen Prozessen verhandelt werbe. Dabei handelt es sich nicht um eine dispositive Vorschrift, welche nur für den Fall maßgebend sein soll, daß die Parteien nicht etwas anderes vereinbaren; vielmehr ist die Vorschrift eine zwingende oder absolute. Es ist aus Gründen, welche mit dem öffentlichen Interesse zusammenhängen, vorgeschrieben worden, daß der Klagantrag die in §. 9 des Anfechtungsgesetzes vorgesehenen Angaben enthalten müsse, damit aber die Möglichkeit geschaffen, daß regelmäßig in einem und demselben Prozesse über die Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung und über die Rückgewähr entschieden werden könne. War der dargelegte Mangel von Amts wegen zu berücksichtigen, so durfte das Berufungsgericht unzweifelhaft nicht so, wie es geschehen, erkennen. Vielmehr hatte der Kläger nach §. 130 Abs. 2 C.P.O. auf die Bedenken aufmerksam gemacht werden sollen, welche in Ansehung des Klagantrages zu erheben waren, und, wenn der gegebene Mangel nicht gemäß §. 240 Ziff. 2 dieses Gesetzbuches durch Erweiterung des Klagantrages gehoben wurde, die Klage abgewiesen werden müssen. Hiernach mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden, ohne daß es notwendig war, auf die im übrigen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob Kläger benachteiligt sei, erhobenen Angriffe der Revisionskläger einzugehen. Bei den gegebenen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht darauf, daß zur Ausübung des Fragerechtes noch Veranlassung gegeben ist, konnte jedoch nach §. 528 C.P.O. nicht in der Sache selbst entschieden werden, vielmehr war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen und die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz dem künftigen Endurteile vorzubehalten."
- 1. Vgl. hierzu Sosack, S. 224. 225; Hartmann, S. 185 flg.; Jäckel, S 177; Otto, S 240 flg.; Wenzel, Österr. Anfechtungsgesetz S. 297; v. Völderndorff, Bd. 8 S. 120; v. Wilmowsky, S. 525 Anm. 1. D.E.