RG, 11.01.1889 - II 268/88
Wird die Verjährung der Klagen gegen die einzelnen Genossenschafter aus Ansprüchen an die aufgelöste Genossenschaft dadurch zum Stillstande gebracht, daß die Gläubiger einem von den Liquidatoren angebotenen Stundungsvertrage beitreten?
Gründe
"Die vom Kläger als Cessionar einer größeren Anzahl Genossenschaftsgläubiger erhobene Ausfallsklage ist, soweit sie für das Schlußurteil noch in Betracht kam, von dem Oberlandesgerichte zufolge der von den beklagten Genossenschaftern entgegengehaltenen Einrede der zweijährigen Verjährung des §. 63 des Genossenschaftsgesetzes vom 4. Juli 1866 abgewiesen worden.
Mit Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß diese Verjährung mit dem Eintrage der Auflösung des Mayener Spar- und Kreditvereines, eingetragene Genossenschaft, in das Genossenschaftsregister, mithin am 22. August 1878 begonnen hat, nicht erst mit der unterm 8. April 1884 erfolgten Ablehnung des auf Konkurseröffnung gestellten Antrages.
Obgleich die Genossenschaftsgläubiger die Solidarhaft der einzelnen Genossenschafter erst nach Durchführung des Konkursverfahrens gegen die Genossenschaft, oder wenn die Eröffnung des Konkurses nicht erfolgen kann (§. 12 des Genossenschaftsgesetzes), in Anspruch nehmen können, läßt das Gesetz die Verjährung schon mit dem Tage beginnen, an welchem die Auflösung der Genossenschaft registriert worden ist.1
Die Bestimmungen der §§. 63-65 des Genossenschaftsgesetzes sind zwar den im Handelsgesetzbuche (Artt. 146-149) für die offene Handelsgesellschaft gegebenen Vorschriften nachgebildet, allein es tritt der durch die verschiedene Natur der Haftbarkeit bedingte Unterschied ein, daß die Verjährung gegen den einzelnen Genossenschafter ungeachtet seiner bloß subsidiären Haftbarkeit dennoch mit dem Eintrage der Auflösung, also zu einer Zeit beginnt, wo der Genossenschafter noch nicht belangt werden kann. Die Haftbarkeit des offenen Gesellschafters wird nur im Falle des Konkurses zu einer subsidiären (Art. 122 H.G.B.), und wenn für diesen Fall in einem reichsgerichtlichen Urteile2 angenommen wurde, daß die Verjährung der gegen den einzelnen Gesellschafter auf den Ausfall gerichteten Klage während der Dauer des Gesellschaftskonkurses ruhe, so schließt jedenfalls bei dem von Anfang an nur subsidiären Anspruch auf Befriedigung aus dem Privatvermögen des Genossenschafters die erwähnte gesetzliche Vorschrift über den Beginn der Verjährung die Annahme aus, daß gleichwohl wegen des der Verfolgung entgegenstehenden rechtlichen Hindernisses der Lauf der Verjährung gehemmt werde.
Das Gesetz ist ferner darin richtig ausgelegt, daß der Anmeldung der Forderungen der Rechtsgeber des Klägers zur Liquidationsmasse die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung nicht beigemessen wurde. Wenn §. 64 des Genossenschaftsgesetzes den allgemeinen Ausdruck gebraucht, daß die Verjährung durch Rechtshandlungen gegen die Liquidatoren unterbrochen werde, so sind unter solchen Rechtshandlungen doch nur solche verstanden, welche nach dem geltenden Civilrechte zur Unterbrechung geeignet sind, und hierzu können außergerichtliche Anmeldungen von Forderungen zur Liquidationsmasse nicht gerechnet werden (Artt. 2244. 2246 des bürgerl. Gesetzbuches).
Das angefochtene Urteil erblickt in dem Anerkennungsakte vom 25. Juli 1883 eine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Rechtshandlung und führt sodann noch weitere, später erfolgte Unterbrechungshandlungen an, legt aber allen diesen Akten für die gegenwärtige Klage mit Recht keinen Wert bei, wenn die Voraussetzung sich als zutreffend erweist, daß die Verjährung schon vor dem Akte vom 25. Juli 1883 eingetreten war. Hat auch der Liquidator durch diese Anerkennung für die Genossenschaft auf die Einrede der Verjährung verzichtet, was nach Art. 2220 des bürgerl. Gesetzbuches statthaft war, so konnte dies doch gegenüber den Vereinsmitgliedern, deren Vertreter der Liquidator nicht ist, keine Wirkung äußern, vielmehr blieben diesen gegenüber die Forderungen durch eingetretene Verjährung erloschen.
Da die letzten Abschlagszahlungen auf die Forderungen der Genossenschaftsgläubiger noch im Jahre 1880 erfolgt find, so konnte die zweijährige Verjährung vor dem Akte vom 25. Juli 1883 ablaufen, und kommt es hiernach nur noch auf die Frage an, ob der klägerischerseits behauptete und unter Beweis gestellte nachträgliche Beitritt der Cedenten des Klägers zu dem von ihnen nicht unterzeichneten Stundungsvertrage vom 20. April 1879, worin sich die Gläubiger der Genossenschaft den Liquidatoren gegenüber damit einverstanden erklärten, daß der Verein ihr Guthaben ratenweise auszahle, und zwar jedesmal, wenn ein Fünftel des Gesamtspareinlagekapitales in der Vereinskasse angesammelt sei, den Ablauf der Verjährung verhindert haben würde.
Das Berufungsgericht verneint dies, indem es dem etwaigen Beitritte der in Rede stehenden Genossenschaftsgläubiger die Auslegung giebt, daß letztere sich damit nur so lange gedulden zu wollen erklärten, als der Verein Mittel für die Ratenzahlungen aufzubringen vermöge, und die Annahme zu begründen sucht, daß der Zeitpunkt, in welchem es feststand, daß die Vereinskasse zu weiteren Fünftelzahlungen nicht mehr in der Lage sein werde, schon im Juli 1880 eingetreten sei, sodaß von hier an die Restbeträge wieder sofort und in einer Summe hätten eingefordert werden können.
Die Revision hat die hierauf beruhende Begründung der Unerheblichkeit des behaupteten Beitrittes der Cedenten des Klägers zu dem erwähnten Stundungsvertrage beanstandet, ihre Angriffe in dieser Richtung bedürfen aber keiner Erörterung, da die Ansicht gerechtfertigt erscheint, daß die gegenüber den Liquidatoren bewilligte Stundung den Lauf der Verjährung gegen den Genossenschafter nicht zu hemmen vermochte.
Nach der Ausführung des Revisionsklägers hätte die nachträgliche Stundung der bei Auflösung der Genossenschaft bereits fällig gewesenen Verbindlichkeiten die gleiche Wirkung, wie wenn diese Forderungen bei Auflösung der Genossenschaft nicht fällig gewesen wären. Da in letzterem Falle nach §. 63 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes die Verjährung erst mit dem Zeitpunkte der Fälligkeit beginne, so sei ein Stillstand der Verjährung auch dadurch eingetreten, daß diese fälligen Forderungen durch nachträgliche Übereinkunft Ratenforderungen geworden seien; nähmen die Termine auch einen Zeitraum von 30 Jahren in Anspruch, so würde doch die Verjährung so lange nicht ablaufen können.
Damit wäre die Absicht des Gesetzes, welches die Genossenschafter gegen die bei langer Dauer der Liquidation erfahrungsgemäß eintretende Zahlungsunfähigkeit nicht weniger Mitglieder und die dadurch ins Ungemessene sich steigernde Last der solidarischen Haftung der zahlungsfähig gebliebenen Genossenschafter zu schützen bestrebt ist, großenteils vereitelt. Nach der Bestimmung des Gesetzes können die Gläubiger ihre Ansprüche an die einzelnen Genossenschafter nur durch Rechtshandlungen gegen die Liquidatoren, welche zur Unterbrechung der Verjährung geeignet sind und als solche auf Beschleunigung der Liquidation hinwirken, vor dem Ablaufe der zweijährigen Verjährung bewahren. Die Verjährung ruht auch nicht während der Minderjährigkeit und Bevormundung eines Gläubigers und aus objektiven Gründen nur, wenn die Forderungen bei Auflösung der Genossenschaft wegen Bedingtheit oder Betagung noch nicht fällig waren, selbst die Kündbarkeit hindert die Verjährung nicht, sondern hat nur die Wirkung, daß die Kündigungsfrist der Verjährungsfrist hinzutritt, ohne daß gekündigt zu sein braucht. Nachträgliche Vereinbarungen der Gläubiger mit den Liquidatoren über ratenweise Abzahlung der Genossenschaftsschulden in längeren Terminen sind zwar an sich zulässig, aber sie hemmen den Lauf der Verjährung gegenüber den Genossenschaftern nicht, sowenig als nach dem Gesetze die Notwendigkeit der Feststellung des Ausfalles den Beginn der Verjährung hinausschiebt. Auf solche zur Verlängerung der Liquidation dienende Fristerteilungen, gegen deren einmal erfolgte Vereinbarung die Mitglieder wenig vermögen, indem ihnen nicht wie dem Bürgen im Falle des Art. 2039 des bürgerl. Gesetzbuches Klagen auf Befreiung von ihrer Haftbarkeit gegen die Liquidationsfirma zustehen, können die Gläubiger nur eingehen, wenn sie sich auf die Befriedigung aus dem Genossenschaftsvermögen beschränken wollen; denn sie sind nicht imstande, die zweijährige Verjährungsfrist des §. 63 des Genossenschaftsgesetzes auf diese Weise beliebig auszudehnen, und ebensowenig steht den Liquidatoren diese Befugnis zu. Die Vorschrift, daß die Verjährung schon vor der Liquidation beginnen soll, würde die vom Gesetze beabsichtigte Wirkung nahezu einbüßen, wenn die Liquidatoren, welchen §. 48 des Genossenschaftsgesetzes ein beschleunigtes Verfahren zur Pflicht macht, durch Festsetzung von Terminen für die Schuldentilgung sich die Abwickelung erleichtern und zugleich die Dauer der solidarischen Haft der Mitglieder verlängern könnten, wodurch den Gläubigern die Bewilligung der Stundung nahegelegt wäre. Solchen Stundungen kann hier keine andere Wirkung beigelegt werden als einfachen Verzögerungen des Liquidationsverfahrens, welche wie dieses selbst den Beginn und Ablauf der zweijährigen Verjährung nicht aufhalten."