RG, 09.12.1884 - II 296/84

Daten
Fall: 
Vermietung einer zum eheweiblichen Sondergute gehörigen Liegenschaft
Fundstellen: 
RGZ 12, 326
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.12.1884
Aktenzeichen: 
II 296/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Straßburg
  • OLG Kolmar

Welchen Einfluß hat es bezüglich einer vom Ehemanne über die im Art. 1429 Code civil vorgesehene Dauer abgeschlossenen Vermietung einer zum eheweiblichen Sondergute gehörigen Liegenschaft, wenn dem überlebenden Ehemanne der Nießbrauch an derselben vermacht ist?

Tatbestand

Am 20. Dezember 1863 hat W. dem Beklagten auf die Dauer von 20 Jahren das seiner Ehefrau als Sondergut gehörende Wohnhaus in Straßburg, vermietet. Im Jahre 1876 ist die Ehefrau W. gestorben, und die Kläger, ihre gesetzlichen Erben, haben am 9. April 1879 dem Beklagten die Miete auf 25. Dezember 1881 auf Grund des Art. 1429 Code civil gekündigt.

Der Beklagte ist aber im Besitze geblieben; es ist deshalb gegen ihn Klage erhoben worden, nach deren Anträgen das Landgericht zu Straßburg dahin erkannt hat:

  1. Der Mietvertrag sei den Klägern gegenüber mit dem 23. Dezember 1881 hinfällig geworden und werde demgemäß der Beklagte verurteilt, den Klägern das Haus sofort zur freien Verfügung zu stellen.
  2. Der Beklagte werde verurteilt, 180 M Mietzinsen, welche er für das erste Quartal des laufenden Jahres eingezogen hat und 80 M für die Benutzung eines Magazins vom 25. Dezember 1881 bis Ostern 1882 an die Kläger zu bezahlen.

In zweiter Instanz machte der Beklagte weiter geltend, daß die Mutter der Kläger im Ehevertrage ihrem Ehemanne die Nutznießung am fraglichen Hause vermacht habe, und daß demselben auch bei der Auseinandersetzung der Gemeinschaft diese Nutznießung zugeteilt worden sei.

Das Oberlandesgericht hat aber die Berufung verworfen.

Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Es ist von der unbestrittenen Thatsache auszugehen, daß der Ehemann W. bei Abschluß des Mietvertrages dem Beklagten das vermietete Haus ausdrücklich als eheweibliches Sondergut bezeichnet hat. Demnach hat derselbe den Vertrag nicht in eigenem Namen, sondern in seiner Eigenschaft als Verwalter des eheweiblichen Vermögens abgeschlossen (Art. 1428 Code civil), und, wenn auch die Dauer der Miete auf 20 Jahre vereinbart worden ist, so konnte doch der Beklagte darüber nicht in Zweifel sein, daß nach Auflösung der Gütergemeinschaft der Vertrag in Gemäßheit des Art. 1429 a. a. O. kündbar werde. Das Recht der Kläger, als Erben der Ehefrau diese Kündigung auszuüben, ist demnach unbestreitbar.

Die Behauptung des Beklagten, daß die Ehefrau W. in den Mietvertrag eingewilligt habe, ist nicht nur beweislos geblieben, sondern das Berufungsgericht stellt auf Grund des erhobenen Zeugenbeweises das Gegenteil von dem fest, was der Beklagte beweisen wollte, es erklärt nämlich für bewiesen, daß der Mietvertrag ohne Wissen der Ehefrau abgeschlossen und von ihr auch später nicht genehmigt worden sei. Damit stellt sich aber auch die seitens des Beklagten über die Genehmigung erfolgte Eideszuschiebung gemäß §. 411 C.P.O. als unstatthaft dar.

Auch der aus der Nutznießung, welche dem Ehemanne W. im Ehevertrage zugewendet worden sein soll, hergeleitete Einwand ist mit Recht nicht beachtet worden.

Derselbe wäre nur erheblich, wenn der Mietvertrag vom Ehemanne zugleich auch in eigenem Namen in Rücksicht auf seine eventuelle Nutznießung nach aufgelöster Gütergemeinschaft abgeschlossen worden wäre. Eine dahingehende Behauptung ist jedoch in den vorderen Instanzen nicht aufgestellt worden, und entbehrt daher die bezügliche Rüge in der Revisionsinstanz der Grundlage. Es ist vielmehr daran festzuhalten, daß der Ehemann W. nicht in eigenem Namen kontrahiert hat. Demgemäß erscheint derselbe hinsichtlich des Mietvertrages als ein Dritter, welcher wegen der von den Erben geschehenen Kündigung keinerlei Gewähr zu leisten hat, und wird deshalb deren Recht, die Beendigung des Vertragsverhältnisses zu begehren, von der Nutznießung ihres Vaters nicht berührt. Es handelt sich hierbei nicht um die Anfechtung eines von einem Unberechtigten abgeschlossenen Vertrages, welcher unter Umständen der spätere Erwerb des Rechtes entgegenstehen könnte, sondern um die im Gesetze vorgesehene Kündigung eines von einem zum Abschlusse befugten Verwalter eingegangenen Mietvertrages.

Auch der Anspruch der Kläger auf Abtretung des Mietgegenstandes und Erstattung der Mietzinsen wird durch die Nutznießung ihres Vaters nicht beseitigt. Der Beklagte könnte sich vielmehr auf dieses Recht eines Dritten nur dann berufen, wenn er zu besorgen hätte, zur nochmaligen Leistung an den Nutznießer angehalten zu werden. Diese Voraussetzung trifft aber nicht zu, denn der Ehemann W. hat, obgleich ihm der Streit verkündet worden ist, seine Rechte als Nutznießer nicht geltend gemacht."