RG, 22.11.1884 - I 321/84
Behält ein im Urkundenprozesse geleisteter Eid seine Bedeutung nach Umleitung der Sache in das ordentliche Verfahren?
Aus den Gründen
... "Der Beklagte hat gegen die im Wechselprozesse erhobene Klage exzipiert, daß die eingeklagte Wechselforderung dadurch getilgt sei, daß Kläger statt der eingeklagten fünf Wechsel fünf andere Wechsel vom gleichen Betrage an Zahlungsstatt angenommen habe, weshalb er die älteren Wechsel, die jetzt eingeklagten, dem Beklagten habe zurückgeben müssen. Er nahm zum Beweise auf drei Briefe... Bezug und deferierte dem Kläger den Eid. Das Prozeßgericht ordnete durch Beschluß an, daß von dem Kläger der Eid, nach Vorlegung der drei Briefe an denselben durch Requisition des österreichischen Gerichtes zu Aussig erhoben werden solle. In dem zur Eidesleistung vor dem requirierten Gerichte bestimmten Termine erschien der Beklagte, gestellte zwei Zeugen, welche bekunden sollten, daß die Einredethatsache richtig sei, und protestierte gegen die Erhebung des Eides. Das requirierte Gericht vernahm sofort die beiden Zeugen nicht eidlich; darauf erklärte sich Kläger wiederholt bereit, den Eid zu leisten, worauf dieser vom Kläger abgeleistet ist. Hierauf erklärte Kläger vor dem Prozeßgerichte, daß er von dem Urkundenprozesse gemäß §. 559 C. P. O. in der Weise Abstand nehme, daß der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig bleibe. Der erste Richter nahm in seinem Endurteile den Einwand des Beklagten als durch die Eidesleistung widerlegt an. In zweiter Instanz hat dann der Beklagte Zeugenbeweis über das vom Kläger abgeschworene Einredevorbringen benannt und auszuführen gesucht, daß dies nach Überleitung des Wechselprozesses in das ordentliche Verfahren zulässig sei, da der geleistete Eid für das ordentliche Verfahren keine Bedeutung mehr habe. Das Berufungsgericht hat aber angenommen, daß der im Wechselverfahren geleistete Eid auch nach Umleitung der Sache in das ordentliche Verfahren die im §. 428 C. P. O. vorgesehene Bedeutung behalte Der hiergegen erhobene Revisionsangriff ist für begründet nicht zu erachten. Es ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß ein gesetzmäßig erhobener Eid auch nach Umleitung des Wechselverfahrens in das ordentliche Verfahren seine volle gesetzliche Bedeutung behielt, und es kann nicht, wie der Revisionskläger will, aus §. 562 C. P. O. abgeleitet werden, daß ein im vorhergegangenen Wechselverfahren infolge Beschlusses des Prozeßgerichtes (§. 558 Abs. 4 C. P. O. ) geleisteter Eid für das spätere Ordinarium gar keine Bedeutung hätte. Der §. 562 hat zunächst den Fall zum Gegenstande, wenn im Wechselprozesse unter Vorbehalt der Ausführung der Rechte des Beklagten erkannt ist. Aber in diesem so wenig wie im vorliegenden Falle verliert der im Wechselprozesse gesetzmäßig geleistete Eid die ihm im §. 428 C. P. O. beigelegte Bedeutung. Wäre der Eid unter Verletzung eines Gesetzes geleistet, so würde derselbe unter Umständen als nicht geleistet zu behandeln sein. Es fragt sich daher, ob etwa das Gericht in Aussig den Eid unter Verletzung der Vorschriften der deutschen Civilprozeßordnung erhoben hat; denn daß in dieser Beziehung die Vorschriften dieser Civilprozeßordnung, nicht diejenigen der österreichischen Gesetze maßgebend sind, kann nicht zweifelhaft sein. Es bestimmt nun der §. 331 C. P. O. :
Erhebt sich bei der Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter ein Streit, von dessen Erledigung die Fortsetzung der Beweisaufnahme abhängt, und zu dessen Entscheidung der Richter nicht berechtigt ist, so erfolgt die Entscheidung durch das Prozeßgericht. Wenn also anzunehmen wäre, daß vor dem requirierten Gerichte in Aussig sich ein Streit im Sinne des §. 331 darüber erhoben hätte, ob der Eid zu erheben sei oder nicht, dann hätte das requirierte Gericht die Erhebung des Eides aussetzen und die Akten dem Prozeßgerichte 109. Vorabentscheidung über den Grund des Anspruches.
zur Entscheidung des Streites vorlegen müssen, und der dem zuwider erhobene Eid wäre als nicht geleistet zu behandeln. Es kann aber nach Lage der Sache nicht angenommen werden, daß in dem zur Eidesleistung vor dem requirierten Gerichte stattgehabten Termine ein Streit im Sinne des §. 331 C. P. O. entstanden, und daß es die Absicht des Beklagten gewesen sei, daß durch das Prozeßgericht über diesen Streit vor der Erhebung des Eides entschieden werden sollte. Vielmehr spricht die Fassung des Protokolles für die Annahme, daß ebenso wie nach dem Beschlusse des Prozeßgerichtes vor der Eidesleistung die drei erwähnten Briefe dem Beklagten vorgelegt werden sollten, um seinem Gedächtnisse zu Hilfe zu kommen und sein Gewissen zu schärfen, es auch die Absicht des Beklagten war, daß die beiden Zeugen, welche Beklagter zum Termine mitgebracht hatte, vor dem requirierten Gerichte zu gleichem Zwecke sofort vernommen werden sollten. Dies ist geschehen und damit der Zweck des Beklagten erreicht. Da aber Kläger dadurch nicht davon überzeugt wurde, daß er den Eid nicht mit gutem Gewissen leisten konnte, so durfte das requirierte Gericht den Eid vom Kläger erheben. Das Einredevorbringen des Beklagten ist daher als widerlegt anzusehen."