RG, 22.10.1884 - I 265/84
Entsteht das dem Kommissionär nach Art. 374 H. G. B. zustehende Pfandrecht schon durch die Ausstellung eines auf ihn als Empfänger lautenden Ladescheines in Verbindung mit der Thatsache, daß die Ware sich nicht mehr im Gewahrsam des Schuldners, sondern des Schiffers befindet, oder erst durch die Aushändigung des Ladescheines an den Kommissionär?
Tatbestand
Nachdem durch das in Bd. 9 der Entscheidungen in Civilsachen unter Nr. 122 S. 424 flg. abgedruckte Urteil des Reichsgerichtes das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen war, hat nach abermaliger Verhandlung und Beweisaufnahme das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Durch die Beweisaufnahme hatte sich die Behauptung, dem Kläger sei schon vor der am 29. September 1880 erfolgten Pfändung ein Exemplar des über die Ladung vom Schiffer ausgestellten Ladescheines seitens des B. zugestellt gewesen, als unwahr herausgestellt.
Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen.
Gründe
"Der Kläger hat zur Begründung der Revision noch geltend gemacht, daß der Berufungsrichter die Frage unerwogen, gelassen habe, ob das vom Kläger beanspruchte Pfandrecht nicht schon durch die bloße Thatsache begründet werde, daß der Schiffer W. einen auf den Kläger lautenden Ladeschein ausgestellt hat, und daß der Berufungsrichter unbeachtet gelassen habe, daß dem Kläger doch unstreitig nach der Beschlagnahme der Ladeschein ausgehändigt ist, daß sich aber zur Zeit der Beschlagnahme die Ladung nicht mehr im Gewahrsam des Schuldners B. , sondern in demjenigen des Schiffers befand, ohne dessen, beklagterseits gar nicht behauptete, Bereitschaft zur Herausgabe die Waren nach §. 713 C. P. O. rechtswirksam überhaupt nicht hätten gepfändet werden können, sodaß der Beklagte durch den Arrest ein Pfandrecht überall nicht erlangt habe.
Allein auch diese Angriffe erscheinen als unbegründet. Denn durch die bloße Legitimation zum Empfange der Ladung auf Grund der Ausstellung des ihn als Empfänger bezeichnenden Ladescheines erhielt der Kläger noch keinerlei thatsächliche Herrschaft über die Ladung, da der Schiffer nach Art. 418 H. G. B. zur Ablieferung derselben an den Kläger nur gegen Rückgabe des Ladescheines, welche dessen Besitz voraussetzt, verpflichtet war, und da der Schiffer ferner nach Art. 416 H. G. B. einer späteren Anweisung des Absenders B. , die Ladung ihm zurückzugeben, oder einem anderen Empfänger auszuliefern, hätte Folge leisten müssen, solange der Ladeschein sich in den Händen des B. befand und von diesem dem Schiffer zurückgegeben werden konnte. Auch wenn man in der Thatsache, daß der Absender den Frachtführer einen Ladeschein ausstellen läßt, welcher einen Dritten als Empfänger bezeichnet, eine Anweisung im Sinne des §. 66 A. L. R. I. 7 erblickt, so vollzieht sich doch auf Grund derselben nach den §§. 58. 59. 67 daselbst der Besitzübergang erst in dem Augenblicke, wo der Dritte in den Stand gesetzt wird, über die angewiesene Sache zu verfügen, und durch Annahme der Anweisung den Besitz der Sache ergreift, an welchen Voraussetzungen es aber fehlt, solange der Ladeschein dem durch denselben legitimierten Empfänger nicht ausgehändigt ist. Wenn aber der Kläger jetzt in der Revisionsinstanz die Klage darauf zu stützen versucht, daß es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Arrestlegung auf die beschlagnahmten Waren gefehlt habe, und daher für den Beklagten ein Pfandrecht an dem behufs Wiederaufhebung des Arrestes hinterlegten Geldbetrage ebensowenig zustehe, wie ihm ein Pfandrecht an den beschlagnahmten Waren selbst erwachsen sei, so scheitert dieser Angriff schon daran, daß hierdurch unzulässigerweise ein ganz neues Klagefundament geltend gemacht wird, da der Kläger in den Vorinstanzen seinen Klaganspruch lediglich darauf gegründet hat, daß ihm für seine Forderungen an B. ein älteres und daher demjenigen des Beklagten vorgehendes Pfandrecht zustehe. Außerdem liegt in dieser letzteren Klagebegründung sowie in dem Verhalten des Klägers, welcher weder gegen die Art und Weise der Arrestpfändung Einwendungen noch Widerspruch gegen den Arrest erhoben, sondern sich darauf beschränkt hat, seinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem von ihm behufs Wiederaufhebung des Arrestes hinterlegten, in Arrestbefehle nach §. 803 C. P. O. vorgesehenen Geldbeträge geltend zumachen, das stillschweigende Anerkenntnis der Zulässigkeit des Arrestes, wie denn dieselbe auch bereits zwischen dem Beklagten und dem B. gerichtlich festgestellt ist, da unstreitig von dem hinterlegten Betrage die Summe von 1704,40 M, deren Herausgabe Kläger vom Beklagten verlangt, an den Beklagten behufs seiner Befriedigung wegen der von ihm gegen den B. geltend gemachten Forderung auf Grund rechtskräftigen Erkenntnisses ausgezahlt ist."