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RG, 06.12.1918 - II 222/18

Daten
Fall: 
Anfechtung der Jahresbilanz einer GmbH
Fundstellen: 
RGZ 94, 213
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.12.1918
Aktenzeichen: 
II 222/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG III Berlin, Kammer für Handelssachen
  • KG Berlin

Anfechtung der Jahresbilanz einer Gesellschaft m. b. H. wegen willkürlicher, zwecks Bildung einer Rücklage für Ausgaben und Verluste künftiger Jahre vorgenommener Abschreibungen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin eines Geschäftsanteils der beklagten Gesellschaft m. b. H. Sie hat in der zur Beschlußfassung über die Feststellung der Bilanz für das Geschäftsjahr 1915 einberufenen Gesellschafterversammlung vom 8. Mai 1916 geltend gemacht, daß ein als "Sonderabschreibungskonto" in die Bilanz eingestellter Betrag von 111000 M Reingewinn sei und als solcher verteilt werden müsse; sie ist jedoch überstimmt worden und hat den Bilanzfeststellungsbeschluß durch Klage angefochten. Das Landgericht hat der Anfechtung stattgegeben, weil die in Betracht kommenden Aktivposten ihrem wirklichen Werte entsprechend in der Bilanz aufgeführt seien und die Sonderabschreibung von 111000 M eine willkürliche Minderbewertung darstelle. Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden, ihre Revision erfolglos geblieben.

Gründe

... "Nach § 29 Abs. 1 GmbHG. haben die Gesellschafter, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist, Anspruch auf den nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Reingewinn; nach §42 desselben Gesetzes kommen für die Aufstellung der Bilanz mit gewissen Maßgaben die Vorschriften des § 40 HGB. zur Anwendung, wonach bei der Aufstellung der Bilanz sämtliche Vermögensgegenstände zu dem Werte anzusetzen sind, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für den die Aufstellung stattfindet, und nach § 46 Nr. 1 GmbHG. unterliegt die Feststellung der Bilanz der Bestimmung der Gesellschafter. Der Zusammenhang dieser Vorschriften ergibt zwar, daß die Abschätzung des Wertes, den die vorhandenen Vermögensgegenstände in dem genannten Zeitpunkte haben, also auch die Vornahme der zur Darstellung des Wertes etwa erforderlichen Abschreibungen, der Gesellschafterversammlung zusteht und daß der einzelne Gesellschafter sich einem auf pflichtgemäßem Ermessen beruhenden Beschlusse der Mehrheit zu fügen hat. Er ergibt jedoch gleichzeitig, daß beim Fehlen einer dies zulassenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrags der Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf den Jahresgewinn nicht durch die willkürliche Minderbewertung von Vermögensgegenständen vereitelt oder geschmälert werden darf (vgl. Urt. d. RG. vom 7. November 1916, II. 259/16, in der Zeitschr. f. AktGes. Bd. 24 S. 139). Hiervon sind beide Vorinstanzen ausgegangen, sie haben aber die Überzeugung erlangt, daß der wirkliche Wert, den die hier in Betracht kommenden Vermögensgegenstände der Beklagten - Autodroschken, Waren und Materialien - am 31. Dezember 1915, d. h. an dem Tage, für den die Bilanz des Geschäftsjahres 1915 ausgemacht worden ist, in ihrem damaligen Zustande hatten, nach Vornahme durchaus ausreichender Abschreibungen mit 71092 M auf Garagekonto und mit 86276,58 M auf Warenkonto richtig in der Bilanz aufgeführt stehe, und daß die von der Beklagten zur Rechtfertigung des Sonderabschreibungskontos von 111000 M geltend gemachten Umstände diesen Wert nicht zu beeinflussen vermöchten. Inwiefern sie dabei das Gesetz verletzt haben sollten, ist nicht erkennbar. Wenn, wie die Beklagte behauptet hat, zu der nach Beendigung des Krieges vorzunehmenden Instandsetzung der Autodroschken ein Betrag von 60000 M für die Beschaffung neuer Reifen und ein solcher von 30000 M für die Ausbesserung von Schäden aufgewandt werden muß, wenn unter großen Kosten eine neue Werkstattorganisation aufzubauen ist, wenn die Einarbeitung neuer Arbeiter und die Wiedereinrichtung der Werkzeugmaschinen für die Herstellung von Automobilen erhebliche Kosten verursachen, auch die Beschaffung von Rohstoffen für eine neu in die Wege zu leitende Fabrikation bedeutende Schwierigkeiten machen wird, und wenn weiter am 31. Dezember 1915 damit gerechnet werden mußte, daß der Geschäftsbetrieb der kommenden Jahre statt eines Gewinnes einen Verlust bringen werde, so mag es vom Standpunkt einer vorsichtigen Geschäftsführung aus zweckmäßig, ja vielleicht im Interesse der Erhaltung des Unternehmens geradezu notwendig gewesen sein, aus dem Reingewinne des Jahres 1915 in Höhe von 111000 M eine Rücklage zu bilden, statt den Betrag unter die Gesellschafter zu verteilen. Das alles hat jedoch mit der Bewertung der vorhandenen Vermögensgegenstände nach dem Stande vom 31. Dezember 1915 nichts zu tun. Vielmehr ergibt die eigene Darstellung der Beklagten, daß die Sonderabschreibung der 111000 M lediglich zur Deckung künftiger Betriebsaufwendungen, Anschaffungskosten oder Geschäftsverluste dienen sollte. Dieser Verwendung des Reingewinns hat die Klägerin mit Recht widersprochen." ...