RG, 06.10.1884 - IV 137/84

Daten
Fall: 
Stempelpflichtigkeit einer Schuldverschreibung
Fundstellen: 
RGZ 12, 256
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.10.1884
Aktenzeichen: 
IV 137/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Stempelpflichtigkeit des Schriftstückes, in welchem der Schuldner unter einem vom Gläubiger ausgestellten Pfandempfangsschein die Einhändigung des Scheines bekennt.

Tatbestand

Die klagende Gesellschaft giebt Darlehne gegen Pfänder. Sie stellt dem Darlehnsnehmer einen Empfangsschein aus, welcher nicht nur die gegebenen Pfänder, sondern auch die Höhe des Darlehns, den Zinsfuß und den Fälligkeitstermin ergiebt. Eine Abschrift des Pfandscheines bleibt im Besitze der Gesellschaft. Dieselbe wird mit folgendem vom Schuldner unterschriebenem Vermerke versehen:

Das von der Direktion der B.'schen Assekuranzgesellschaft unterschriebene Original des abschriftlich vorstehenden Pfandscheines habe ... heute erhalten.

Solche Urkunden hat der beklagte preußische Fiskus zu dem Wertstempel der Position "Schuldverschreibungen" des Tarifes zum Stempelgesetze von 7. März 1822 herangezogen, ist aber in beiden Vorinstanzen zur Zurückzahlung des eingezogenen Stempelbetrages verurteilt.

Auf Revision des Beklagten ist Kläger mit der Klage abgewiesen worden.

Gründe

"Der §. 95 A.L.R. J. 20 bestimmt, daß der Empfangsschein des Gläubigers die Stelle des fehlenden schriftlichen Hauptkontraktes vertritt, wenn der Schein vom Schuldner angenommen ist.

Damit ist nur ausgedrückt, daß der Empfangsschein, obwohl nur eine einseitig vollzogene Urkunde, durch die Annahme die Wirkung eines von beiden Kontrahenten vollzogenen schriftlichen Vertrages erhalte, aber nicht, daß der Empfangsschein dadurch zu einem von beiden Kontrahenten vollzogenen schriftlichen Vertrage werde. Das Gesetz bestimmt mit anderen Worten nicht, daß der Empfangsschein des Pfandnehmers, welcher als eine einseitig vom Gläubiger ausgestellte Urkunde gewiß keine Schuldverschreibung des Verpfänders ist, durch die Annahme des Scheines zu einer solchen werde. Denn eine Schuldverschreibung ist nur eine solche Urkunde, in welcher der Schuldner bekennt, das Verschriebene zu verschulden. Der den Schuldner verpflichtende und den Empfang des Darlehns beweisende Akt ist nicht der Empfangsschein des Gläubigers, sondern die Handlung der Entgegennahme desselben seitens des Schuldners.

Indessen liegt der vorliegende Fall doch anders. Durch die unter der Urkunde befindliche, vom Schuldner unterzeichnete, Erklärung wird ein schriftliches Beweismittel geschaffen nicht bloß für die Thatsache der Annahme des Empfangsscheines durch den Schuldner, sondern zugleich für die Thatsache des Empfanges des Darlehns, da mit dem Beweise der Annahme des Scheines der letztere Beweis unmittelbar durch das Gesetz gegeben ist.

Der Richter erster Instanz, dessen Begründung der Berufungsrichter zu der seinigen macht, erklärt es auch für zweifellos, daß die Empfangsbescheinigung auf der in dem Besitze der Gesellschaft bleibenden Abschrift nur gefordert und gegeben ist, um ein Beweismittel über die Darlehnshingabe und die hierbei getroffenen Abreden zu schaffen.

Die mit diesem, von dem Vorderrichter festgestellten, Zwecke geschehene Schaffung eines durch die Unterschrift des Schuldners hergestellten schriftlichen Beweismittels für den Empfang des Darlehns ist Ausstellung einer Schuldverschreibung und dem Stempel der Tarifposition für solche unterworfen.1

Das in den Entscheidungen des Reichsgerichtes in Civilsachen Bd. 8 S. 259 abgedruckte Urteil vom 15. Februar 1883 betraf einen ganz anderen Fall. Dasselbe gilt von dem in Wallmann's Zeitschrift Bd. 3 S. 692 mitgeteilten Urteile vom 16. März 1882."

  • 1. Vgl. Erk, des Obertrib. v. 6. December 1878 in J.M.Bl. 1879 S. 137; Entscheidung des IV. Civilsenates des Reichsgerichtes vom 9. December 1880 in Berlin-Hamburger Eisenbahn g. Fiskus Rep. IV. 199/80; Reskript des Finanzministers vom 28. April 1875 in Hoyer S. 514 Anm. 9.