RG, 06.10.1883 - V 188/83

Daten
Fall: 
Bergwerkseigentümer
Fundstellen: 
RGZ 10, 210
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.10.1883
Aktenzeichen: 
V 188/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bromberg
  • OLG Posen

Ist der Bergwerkseigentümer, welcher auf Grund oberbergamtlicher Anordnung befugt ist, ein in seinem Felde auftretendes, einem Anderen verliehenes Mineral mitzugewinnen, verpflichtet, über diese Gewinnung Rechnung zu legen?

Tatbestand

Das Feld des nicht im Betriebe befindlichen Soolquellenbergwerkes Gertrud, welches der Klägerin verliehen ist, wird zum Teil von dem der Beklagten gehörigen im Betriebe stehenden Steinsalzbergwerke Inowrazlaw überdeckt. In dem überdeckten Feldesteile hat die Beklagte bei Niederbringung eines Schachtes ein unterirdisches Wasserbecken angeschlagen, dessen Wasser ihre Baue ersäuften. Um die Fortsetzung des Betriebes zu ermöglichen, hat die Beklagte diese ihrem Schachte zusetzenden Wasser, welche sich als salzhaltig ergaben, zu Tage gehoben und einen Teil derselben nach vorheriger Anreicherung mit eigenem Steinsalze an eine benachbarte Saline verkauft. Die Klägerin beantragte beim Oberbergamte, der Beklagten die Hebung dieses salzhaltigen Wassers zu untersagen. Das Oberbergamt befand aber, daß die Hebung erfolgen müsse, wenn nicht der Betrieb des Steinsalzbergbaues unmöglich werden solle, und entschied unterm 15. November 1881 auf Grund des §. 56 des Allg. Bergges. vom 24. Juni 1865, daß das in dem überdeckten Feldesteile anstehende Steinsalz aus bergtechnischen Gründen nicht getrennt von dem in demselben Felde auftretenden salzhaltigen Wasser gewonnen werden könne. Die Beklagte erklärte sich bereit, der Klägerin das gehobene salzhaltige Wasser gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herauszugeben, lehnte aber die von der Klägerin vorher zu ihrer Information verlangte Aufstellung einer Berechnung ab. Nunmehr hat die Klägerin klagend beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, über die von ihr gewonnene und geförderte und über die verkaufte Soole Rechnung zu legen, namentlich das geförderte und das verkaufte Quantum und die erzielten Preise sowie die Gewinnungs- und Förderungskosten genau nachzuweisen und zu belegen.

Die Beklagte hält sich zur Rechnungslegung nicht für verpflichtet, insbesondere auch deshalb nicht, weil die Klägerin sich darüber, ob sie die Soole gegen Erstattung der Kosten übernehmen wolle, erst dann erklären will, wenn sie aus der gelegten Rechnung den Betrag dieser Kosten wird ersehen haben. Die Beklagte bemerkt noch, daß der Erlös aus dem Verkaufe der Soole die Gewinnungskosten und den Wert des zur Anreicherung benutzten eigenen Steinsalzes übersteige, sie aber zu dem Verkaufe genötigt sei, weil sie bei Ableitung des salzhaltigen Wassers erhebliche Entschädigungsansprüche der benachbarten Grundeigentümer gewärtigen müsse. Eventuell erhob die Beklagte eine Widerklage, auf die es aber bei Erörterung der in der Überschrift aufgestellten Rechtsfrage nicht ankommt. Der Berufungsrichter verurteilte, unter Abänderung des ersten Urteiles, die Beklagte nach dem Klagantrage. Auf die von ihr eingelegte Revision ist auf Abweisung der Klägerin erkannt worden.

Gründe

"Der Berufungsrichter hat thatsächlich festgestellt, daß die salzhaltigen Wasser, welche die Beklagte aus dem Schachte ihres Steinsalzbergwerkes Inowrazlaw zu Tage fördert, zu den Soolquellen gehören, zu deren ausschließlicher Gewinnung die Klägerin auf Grund ihrer Verleihung Gertrud berechtigt ist. Zutreffend nimmt der Berufungsrichter an, daß diese bloße Verleihung der Klägerin noch kein Eigentum an der verliehenen Soole verschafft hat. Denn die bergrechtliche Verleihung gewährt nach dem Allg. Berggesetze vom 24. Juni 1865 §. 54, ebenso wie früher nach dem Allg. Landrechte, dem Berechtigten nur die ausschließliche Befugnis, die verliehenen Mineralien innerhalb seines Feldes aufzusuchen und zu gewinnen. Das Eigentum an den Mineralien erlangt er aber erst mit der Gewinnung.

Vgl. die übereinstimmenden Motive der Regierungsvorlage zum Allg. Berggesetze (Drucksachen des Herrenhauses von 1865 Nr. 6 S. 23), die Gründe des Plenarbeschlusses des Obertribunales vom 18. April 1843 (Entsch. Bd. 9 S. 110) und vielfache spätere Erkenntnisse des Obertribunales, z. B. Entsch. Bd. 41 S. 360. 364, Bd. 71 S. 293 und die an letztgenannter Stelle allegierten bergrechtlichen Schriftsteller.

Von derselben Auffassung geht auch das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneignung von Mineralien vom 26. März 1856 (G.S. S. 203) aus, indem dasselbe für die rechtswidrige Zueignung bereits gewonnener Mineralien also solcher, die bereits in das Eigentum und den Besitz des Berechtigten gelangt sind, die Strafen des Diebstahles und der Unterschlagung bestimmt (§. 4 a. a. O.), während die Aneignung noch nicht gewonnener anderen Strafandrohungen unterliegt (§§. 2. 3 a. a. O.).

Auch darin ist dem Berufungsrichter beizutreten, daß die Beklagte Eigentümerin der aus ihrem Schachte gehobenen salzhaltigen Wasser geworden ist. Der §. 56 des Allg. Berggesetzes bestimmt:

Steht das Recht zur Gewinnung verschiedener Mineralien innerhalb derselben Feldesgrenzen verschiedenen Bergwerkseigentümern zu, so hat jeder Teil das Recht, bei einer planmäßigen Gewinnung seines Minerales auch dasjenige des anderen Teiles insoweit mitzugewinnen, als diese Mineralien nach der Entscheidung des Oberbergamtes aus den im §. 55 a. a. O. angegebenen Gründen nicht getrennt gewonnen werden können.

Die mitgewonnenen, dem anderen Teile zustehenden Mineralien müssen jedoch dem letzteren auf sein Verlangen gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herausgegeben werden.

Es hat das zuständige Oberbergamt unterm 15. November 1881 entschieden, daß ohne Beseitigung der im Steinsalzbergwerke Inowrazlaw auftretenden salzhaltigen Wasser die Steinsalzgewinnung unmöglich sein würde, daß diese Wasser zu Tage gehoben werden müssen, und daß aus diesen bergtechnischen Gründen das Steinsalz nicht getrennt von dem in demselben Feldesteile auftretenden salzhaltigen Wasser gewonnen werden kann. Durch diese oberbergamtliche Entscheidung ist das Gewinnungsrecht der Beklagten über die aus ihrer Steinsalzverleihung fließende Befugnis hinaus auch auf das im Kollisionsfelde auftretende salzhaltige Wasser ausgedehnt, und die Beklagte hat mit der Hebung der Soole das Eigentum daran erworben, jedoch mit der persönlichen Verpflichtung, dieselbe der Klägerin auf Verlangen gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herauszugeben.

Rechtsirrtümlich ist aber die fernere Ausführung des Berufungsrichters, daß die Beklagte mit der Gewinnung des salzhaltigen Wassers ein Geschäft der Klägerin besorgt habe, daß eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliege, und daß die Parteien hinsichtlich des Bergwerkseigentumes in eine communio incidens (§. 259 A.L.R. I. 13, Tit. 17) getreten seien. Die Beklagte hat sich gar nicht in die, Geschäfte der Klägerin gemischt und nicht für diese das salzhaltige Wasser gehoben. Sie hat dies lediglich in ihrem eigenen Interesse gethan, weil diese ihrem Schachte zusetzenden Wasser anderenfalls ihren Bau ersäuft und die Steinsalzgewinnung unmöglich gemacht haben würden. Aus einer solchen vermeintlichen Geschäftsführung ohne Auftrag läßt sich also die Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht herleiten, und das Allg. Landrecht - I.13 §§. 228 flg. §. 256 -ist nicht anwendbar. Es ist auch nicht eine communio incidens hinsichtlich des Bergwerkseigentumes, also nicht eine zufällige Gemeinschaft im Gewinnungsrechte (§. 54 Allg. Bergges.) eingetreten und ebensowenig bezüglich der gewonnenen Produkte, Soole und Steinsalz. Von einer Verbindung, Vermengung oder Vermischung von Sachen, die verschiedenen Eigentümern gehören (§§. 298 flg. A.L.R. I. 9), bei welcher unter Umständen ein gemeinschaftliches Eigentum entstehen kann (§. 318 a. a. O.), ist nicht die Rede. Die Beklagte ist alleinige Eigentümerin sowohl des Steinsalzes als der von ihr zu Tage gehobenen Soole und hat nur eine persönliche Verpflichtung zur Herausgabe der letzteren unter gewissen Voraussetzungen. Aus dem Plenarbeschlusse des Obertribunales vom 4. Mai 1863 (Entsch. Bd. 49 S. 21 flg.) und dessen Gründen läßt sich ebenfalls nicht für die Beklagte eine Verpflichtung zur Rechnungslegung begründen. Es ist hier entschieden, daß ein Beklagter, welcher zur Herausgabe einer Sache mit den Früchten rechtskräftig verurteilt worden, verpflichtet ist, für die Zeit seit Insinuation der Klage über die erhobenen Früchte Rechnung zu legen. Die Beklagte hat aber nicht ein der Klägerin gehöriges Bergwerk in Besitz genommen. Mineralien (Soolquellen [§. 1 Allg. Berggesetz]) sind auch Substanzteile und keine Früchte. Überdies verpflichtet selbst ein widerrechtlich ergriffener Besitz nicht ohne weiteres zu der Angabe der in Besitz genommenen Sache und zur Rechnungslegung. In dem Erkenntnisse des fünften Senates des Reichsgerichtes vom 9. Oktober 1882 V. 202/81 ist die Klage auf Rechnungslegung gegen einen Bergwerkseigentümer zurückgewiesen, welcher unterirdisch unter Überschreitung der Markscheide aus dem Grubenfelde des Klägers Steinkohlen gefördert und sich zugeeignet hatte. Ebenso ist in dem Erkenntnisse des vierten Senates vom 21. Mai 1883 IV. 153/83 (Entscheidungen Bd. 9 Nr. 72 S. 269) entschieden, daß die widerrechtliche Besitznahme fremder Sachen für sich allein noch keine Anzeigepflicht begründet.

Im gemeinen Rechte herrschen darüber verschiedene Ansichten, wieweit die aus den Grundsätzen der actio ad exhibendum und aus Billigkeitsrücksichten hergeleitete Verpflichtung zur Vorzeigung, Auskunftserteilung insbesondere zur Vorlegung von Urkunden sich erstreckt.1

Als unstreitig aber scheint es zu gelten, daß der Beklagte, abgesehen von einer auf besonderem Rechtsgrunde beruhenden Verpflichtung nicht verbunden ist, dem Kläger die zur Begründung der Klage erforderliche Auskunft zu erteilen oder eine hierzu dienliche Urkunde zu cedieren.2

Auch im preußischen Rechte gilt für das außerprozessualische Editionsverfahren, die s. g. Editionsklage (§. 93 Allg. G.O. I. 10) im Gegensatze zu den für den Prozeß geltenden Grundsätzen, §§. 91 flg. Allg. G.O. I. 10, §§. 387 flg. C.P.O.), der Satz, daß niemand ohne besonderen Rechtsgrund die Edition einer Urkunde bloß deshalb verlangen kann, um sich zu informieren, ob ihm wohl ein klagbarer Anspruch gegen den anderen Teil zustehe.3

Um so weniger kann also aus einem bloßen Interesse der Klägerin, und weil die Beklagte besser als Klägerin imstande ist, über die vorwaltenden Verhältnisse Auskunft zu geben, dieser die noch viel umfangreichere Verpflichtung, Rechnung zu legen, angesonnen werden. Dernburg (Lehrbuch des preußischen Privatrechtes etc. Bd. 2 §. 44) erkennt zwar an, daß es grundsätzlich Sache des Klägers ist, sich ohne Mitwirkung des Beklagten die Kenntnisse von denjenigen thatsächlichen Umständen zu verschaffen, auf die er seinen Anspruch gründen will, meint aber, daß das römische Recht unter anderem darin eine Ausnahme mache, daß es dem Prokuristen, Vormund, negotiorum gestor gegenüber dem Geschäftsherrn die Pflicht zur Rechnungslegung und Auskunftserteilung über seine Verwaltung auflege. Für das preuß. Recht will er aus dem Geiste desselben und dessen Bestreben die materielle Wahrheit auch im Civilprozeß zur Geltung zu bringen, eine noch weitergehende Verpflichtung herleiten. Nach demselben soll zur Rechnungsablage verpflichtet sein, nicht bloß, wer für fremde Rechnung handelt, sondern auch im eigenen Interesse fremde Objekte innehat, insbesondere der Besitzer fremder Objekte, welcher mit einer Vindikation oder einer Erbschaftsklage belangt wird. Als Belegstellen für diese vermeintlich umfangreicheren Verpflichtungen nach preuß. Recht werden aber in Note 4 zu §. 44 nur solche Gesetzesstellen allegiert, die ein besonderes Verhältnis zwischen den Beteiligten voraussetzen - A.L.R. I. 14. §§. 143. 144 (Verwalter), I. 17.§. 219 (Gesellschafter), H.G.B. Art. 270 (Teilnehmer an einem gemeinschaftlichen Geschäft), Artt. 361. 376 (Kommissionär dem Kommittenten gegenüber), Verordnung vom 5. Juli 1875 §. 67 (Vormund).

Allgemeine civilrechtliche Grundsätze stehen also der Klägerin bei ihrem Verlangen nach Rechnungslegung nicht zur Seite. Es ist eine diesfällige Verpflichtung der Beklagten aber auch nicht aus dem durch den §. 56 des Allg. Berggesetzes geschaffenen eigentümlichen Verhältnisse zu begründen. Auf Grund der einer jeden der beiden Parteien erteilten bergrechtlichen Verleihung hat in demselben Felde die Klägerin ein ausschließliches Recht auf Gewinnung der Soole und die Beklagte ein ausschließliches Recht auf Gewinnung des Steinsalzes. Nach der maßgebenden Entscheidung des Oberbergamtes kann das Steinsalz aus bergtechnischen Gründen nicht getrennt von den in demselben Feldesteile auftretenden salzhaltigen Wasser gewonnen werden. Deshalb ist die Beklagte befugt, die Soole mitzugewinnen unter den im §. 56 Abs. 2 des Allg. Berggesetzes ausgesprochenen Verpflichtungen. Diese Sachlage ist durch die eigentümlichen Verhältnisse des Bergbaues geschaffen ohne jedes Verschulden der Beklagten. Diese befindet sich vielmehr überall in ihrem Rechte. Die Klägerin hat noch nachträglich zur Beseitigung des diesfälligen Einwandes der Beklagten sich bereit erklärt, die gewonnene Soole zu übernehmen und die Gewinnungs- und Förderungskosten zu erstatten. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Erbietens ist der Antrag auf Rechnungslegung nicht haltbar. Hieraus ergiebt sich, daß bei Aufhebung des Berufungserkenntnisses die Klägerin mit ihrem Antrage auf Rechnungslegung abzuweisen ist."

  • 1. Vgl. Glück, Ausführliche Erläuterungen der Pandekten Bd. 11 S. 190; Bähr, Über die Verpflichtung zur Rechnungslegung - Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechtes Bd. 13 S. 251 namentlich S. 254; Demelius, Die Exhibitionspflicht S. 269 flg. 270. 271; Windscheid, Lehrbuch der Pandekten §. 474 (3. Aufl. Bd. 2 S. 720).
  • 2. Vgl. Seuffert, Praktisches Pandektenrecht §. 434 Note 3 (4. Aufl.,) Bd. 2 S. 441; Glück, a. a. O. Bd. 22 S. 122. 123; Hagemann, Praktische Erörterungen Bd. 16 Nr. 19; Freiherr v. Holzschuher, Theorie und Kasuistik Bd. 3§. 322e. 3. Aufl. S. 1085.
  • 3. Vgl. Erkenntnis des Obertribunales vom 1. Februar 1856, Entsch. Bd. 32 S. 225; Förster, Theorie und Praxis etc. Bd. 1 §. 48 Nr. 7.