RG, 03.10.1884 - II 188/84

Daten
Fall: 
Akkordvertrag
Fundstellen: 
RGZ 12, 313
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.10.1884
Aktenzeichen: 
II 188/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kalmar
  • OLG Kalmar

Ist schon deshalb, weil im Akkordvertrage ein Preis in Bausch und Bogen erwähnt ist, der Art. 1793 Code civil anzuwenden oder kann aus den Umständen gefolgert werden, daß demungeachtet kein marché à forfait abgeschlossen worden sei?

Tatbestand

Durch Vertrag vom Mai 1878 hat Kläger die Herstellung verschiedener Bauarbeiten auf dem Gute des Beklagten übernommen. Im Vertrage kommen folgende Bestimmungen vor:

Ms. M. s'engage à exécuter pour le compte de Ms. J. les travaux de maçonnerie, charpente, platrerie, couverture, menuiserie, vitrerie et peinture spécifiés dans l'état estimatif et descriptif des travaux. Les travaux seront exécutés suivant les règles de l'art et conformément aux plans qui ont été dressés et acceptés par les parties. Le prix de forfait de ces travaux a été fixé à la somme de frs. 17754, dont l'entrepreneur a fait un rabais de 2 % reste 17 400 frs.

Ferner:
II ne pourra être dérogé soit par le propriétaire, soit par le constructeur aux dispositions d'ensemble ou de détail sans con- sentement réciproque et préalable. En conséquence seront à la charge du propriétaire tous travaux exécutés en dehors du présent traité et ordonnés par lui en cours d'exécution.

Mit der erhobenen Klage wird für gelieferte Arbeiten eine Restsumme von 9231,58 M nebst Zinsen begehrt. Der Beklagte behauptet, daß er die Akkordsumme von 17400 Frcs. bezahlt habe und die Klage, welche Mehrarbeiten zum Gegenstände habe, nach Art. 1793 Code civil unbegründet sei, weil ein marché à forfait vorliege. Die Klage ist jedoch vom Landgerichte für begründet erklärt und die Berufung vom Oberlandesgerichte verworfen worden.

Dasselbe hat durch die übereinstimmenden Zeugenaussagen für erwiesen erachtet, daß M. sich verpflichtet habe, die in dem Vertrage bezw. in den in demselben in bezug genommenen und einen Bestandteil des Vertrages bildenden états estimatif und descriptiv näher bezeichneten Bauarbeiten nach den festgesetzten und verabredeten Plänen den Regeln der Kunst gemäß für die Bauschsumme von 17 400 Frcs. auszuführen und für die vereinbarten Arbeiten einen höheren Preis nur nach vorheriger schriftlicher Einigung mit J. über die Preissteigerung zu fordern, daß er dagegen den Preis der Arbeiten, welche I. außerhalb des Vertrages in Abänderung desselben oder in Zusatz zu demselben anordne, gleich nach Herstellung derselben, und zwar nach den Ansätzen des Kostenanschlages, anzusprechen habe, auch, wenn der Auftrag von J. nicht schriftlich erteilt sein sollte, und endlich, daß M. wegen der im Vertrage vorgesehenen, aber mit Genehmigung des J. unterbliebenen Arbeiten in der Rechnung einen Ansatz nicht machen dürfe. - Auch die Bestimmungen des Vertrages und das Verhalten J.'s führten, wie näher dargelegt wird, zu diesem Ergebnisse. - Danach seien schon bei Eingehung des Vertrages unter den Parteien an den Bauarbeiten Abänderungen, Zusätze und Weglassungen und dementsprechend eine Erhöhung oder Herabsetzung der im Vertrage festgesetzten Bauschsumme vorgesehen worden, und könne es deshalb nicht zweifelhaft sein, daß das unter den Parteien zustande gekommene Vertragsverhältnis den Bestimmungen des Art. 1793 Code civil nicht unterliege.

Die Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen.

Gründe

"Der materielle Angriff, welcher Verletzung des Art. 1793 Code civil rügt, konnte für begründet nicht erachtet werden.

Wie im landgerichtlichen Urteile zutreffend ausgeführt ist, wird dieser Art. 1793 von den Bestimmungen der Civilprozeßordnung nicht berührt; daher konnten, wenn eine marchè à fortait abgeschlossen war, wegen Mehrarbeiten oder Veränderungen am ersten Plane höhere Preise nur gefordert werden, wenn schriftliche Vereinbarung über Arbeiten und Preise getroffen worden war. - Das Berufungsgericht verneint aber, daß der Vertrag vom Mai 1878 ein marchè à fortait sei. Es verkennt nicht, daß darin prix de forfait fixé à la somme de 17734 frs. festgesetzt sei, es erforscht aber unter Berücksichtigung des übrigen Vertragsinhaltes, der Zeugenaussagen und des Verhaltens des Beklagten den beiderseitigen Willen der Kontrahenten (Art. 1156 Code civil) und gelangt zum Ergebnisse, daß der Bauschsumme nur die Bedeutung beizumessen sei, dem Bauherrn einen Überblick über den Kostenbetrag der von ihm beabsichtigten Bauten für den Fall zu gewähren, daß seinerseits Abweichungen und Zusätze nicht beliebt würden, während entgegengesetzten Falles für die in Gemäßheit des Vertrages und der späteren Anordnungen des Bauherrn zur Ausführung gelangten Arbeiten die in dem Kostenanschläge des Fr. angegebenen Preise maßgebend sein sollten. - Diese Auslegung verstößt gegen kein Gesetz; es wird ihr auch mit Unrecht vorgeworfen, daß sie den Art. 1793 weiter einschränke, als dies in der französischen Doktrin und Rechtsprechung geschieht, denn nach dieser genügt schon der Vorbehalt des Bauherrn im Vertrage, später Änderungen anzuordnen, um den Art. 1793 auszuschließen.1"

  • 1. Vgl. Kassationshof, 6. März 1860 in Sirey, 61. 1. 401, 10. März 1880, Journal äu Willis 1880. S. 588 und 16. Januar 1882 in Sirey, 82. 1. 104.