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RG, 30.09.1884 - III 129/84

Daten
Fall: 
Mit Erbschaftsklage verklagte Miterbe
Fundstellen: 
RGZ 12, 179
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.09.1884
Aktenzeichen: 
III 129/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Lüneburg
  • OLG Celle

Kann der mit der Erbschaftsklage verklagte Miterbe sich wirksam darauf berufen, eine von den Klägern als Teil des Nachlasses geltend gemachte Forderung des Erblassers an ihn sei durch unbenutzten Ablauf der für diese Forderung nach dem Gesetze bestehenden Verjährungsfrist erloschen?

Tatbestand

Der Großvater der Kläger und Vater des Beklagten J. C. R. war Eigentümer eines von ihm angekauften, 1857 abgelösten Halbhofes zu Marwedel. Nach dem Tode seines ältesten Sohnes schloß er mit seinen sechs Kindern, darunter dem Vater der Kläger, am 12. Dezember 1863 einen Vertrag, in welchem bestimmt wurde, daß der Hof von ihm verkauft und dessen Erlös gleichmäßig unter seine Kinder verteilt werden solle, daß die noch nicht abgefundenen Kinder jedoch 800 Thlr. vorab erhalten sollen. Nach dem im Jahre 1865 erfolgten Tode des Vaters der Kläger verkaufte J. C. R. seinen Halbhof nebst Zubehör und Inventar an den Beklagten für 4600 Thlr. und gegen Übernahme der auf dem Hofe ruhenden Schulden, sowie unter Vorbehalt eines Altenteiles. Der Kaufpreis sollte Michaelis 1865, bezw. Michaelis 1866 bezahlt werden. Der Beklagte bewirtschaftete den Hof bis 1876 und übertrug denselben sodann durch Tauschvertrag dem T.; der Wert des Hofes wurde dabei zu 36000 M angenommen. J. C. R. starb 1880 und wurde von seinen fünf Kindern und von den Klägern, seinen Enkeln, beerbt. Die letzteren haben im Jahre 1881 gegen den Beklagten, welcher sich ihrer Behauptung zufolge nach dem Tode des J. C. R. in den Besitz von dessen Nachlaß gesetzt hat, Klage erhoben, mit dem Antrage, "daß Beklagter schuldig erkannt werde, ihnen ein Sechsteil des Nachlasses ihres verstorbenen Großvaters nach eidlicher Spezifikation und Manifestation herauszugeben, und daß derselbe als Teil der Erbschaft anerkenne und manifestiere, den Hof zu Marwedel nebst Zubehör, eventuell den Erlös von 36000 M, eventuell den Kaufpreis von 4600 Thlr. & etc;"

Der Beklagte erklärte sich zur Inventarisation und Manifestation des Nachlasses, sowie zur Herausgabe von einem Sechsteil desselben an die Kläger bereit, bestritt aber, daß der Hof, der Erlös für denselben, oder der Kaufpreis von 4600 Thlr. zum Nachlasse gehöre, und machte bezüglich des letzten Anspruches namentlich geltend, daß er seinem Vater den Kaufpreis für den Hof bezahlt habe.

Das Landgericht wies den Anspruch der Kläger auf 1/6 des Hofes, sowie auf 1/6 von 36000 M ab, machte dagegen den Anspruch auf 1/6 des Kaufpreises von 4600 Thlr. von der Leistung bezw. Nichtleistung eines dem Beklagten über die behauptete Zahlung auferlegten Eides abhängig, verurteilte denselben zur Herausgabe von 1/6 des zu manifestierenden Nachlasses und stellte die Konferenden fest.

Die Kläger erhoben Berufung, Beklagter Anschlußberufung, weil die Klage nicht abgewiesen worden, und setzte dem Ansprüche auf 1/6 des Kaufpreises nun die Einrede der Verjährung entgegen, da der Rest der Kaufgeldforderung Michaelis 1866 fällig gewesen, die Klage nach §. 1 des hannoverschen Verjährungsgesetzes vom 22. September 1850 (wonach die rein persönlichen Klagen in zehn Jahren verjähren, sofern nicht kürzere Verjährungsfristen bestimmt sind) Michaelis 1876 verjährt gewesen, die jetzige Klage aber erst 1881 erhoben sei.

Das Oberlandesgericht verwarf die Einrede aus den nachstehend angeführten Gründen.

Auf Revision des Beklagten wurde die Einrede für begründet erkannt, das angefochtene Urteil, soweit es den Anspruch der Kläger auf den Kaufpreis betrifft, aufgehoben und mit Rücksicht auf eine der Einrede der Verjährung entgegengesetzte Replik die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen, aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach der von dem Beklagten und Revisionskläger erhobenen Beschwerde handelt es sich nur um die Frage, ob die Entscheidung des Berufungsgerichtes, daß die Anschlußberufung des Beklagten, soweit sie sich auf den Anspruch der Kläger auf Zahlung von 1/6 des Kaufpreises für den dem Beklagten von dem Erblasser der Parteien für 4600 Thlr. verkauften Hof zu Marwedel bezieht, zurückzuweisen sei, auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Diese Frage war zu bejahen.

Die Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen. Die Ansprüche, gegen welche die Einrede der Verjährung gerichtet sei, seien nach dem im Jahre 1880 erfolgten Tode des Erblassers der Parteien mit der an sich begründeten Erbschafts- bezw. Erbteilungsklage geltend gemacht. Da erstere der dreißigjährigen Verjährung unterliege, letztere unverjährbar sei, so ergebe sich hieraus die Unbegründetheit der Verjährungseinrede, wenn die fraglichen Ansprüche noch mit diesen Klagen verfolgt werden konnten. Die Kaufgeldforderung habe ursprünglich nach §. 3 des Kaufvertrages vom 21. März 1865 dem Erblasser der Parteien gegen den Beklagten zugestanden und sei mit ihrem Restbetrage von 6000 M Michaelis 1866 fällig gewesen. Müsse nun auch zugegeben werden, daß der Beklagte einer auf Zahlung dieser Kaufgelder vom Erblasser nach Michaelis 1876 gegen ihn erhobenen Klage ( actio venditi) die Einrede der Verjährung mit Wirksamkeit würde haben entgegensetzen können, so sei doch eine solche Klage weder zu Lebzeiten des Erblassers von diesem, noch jetzt von seinen Erben, den Klägern, zu ihrem Anteile geltend gemacht, und es habe daher auch die der Verjährungseinrede beiwohnende Aufhebungskraft dieser Forderung gegenüber nicht eintreten können. Dem bloßen Ablaufe der für eine Forderung bestehenden Verjährungszeit könne aber eine derartige Aufhebungskraft nicht beigemessen werden. Sei hiernach die Kaufgeldsforderung an sich noch zu Recht bestehend und Bestandteil der Erbschaftsmasse geworden, so seien auch die Kläger berechtigt, den ihnen vom Beklagten als Miterben und Nachlaßinhaber vorenthaltenen Anteil an dieser nunmehrigen Nachlaßforderung mit der Erbschaftsklage, welche durch die der Kaufklage anhaftende Verjährungseinrede nicht betroffen werde, für sich in Anspruch zu nehmen.

Diese Erwägungen sind rechtsirrtümlich. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch beruht auf dem zwischen dem Vater bezw. Großvater der Parteien und dem Beklagten am 21. März 1865 abgeschlossenen Kaufvertrage. Der Beklagte war also Schuldner des Erblassers der Parteien. Diese seine Forderung bildete einen Teil des Nachlasses des letzteren, sofern sie zur Zeit seines Todes noch bestand; sie ging auf seine Erben über in der Gestalt und mit den Modalitäten, wie der Erblasser zur Zeit seines Todes sie hatte, insbesondere auch behaftet mit den Einreden, welche zu dieser Zeit dem Beklagten zustanden. Da nach dem Kaufvertrage, wie auch der Berufungsrichter feststellt, der Rest der Kaufgelder Michaelis 1866 fällig wurde, so begann mit diesem Zeitpunkte die Verjährung der letzten Rate und lief nach §. 1 des Gesetzes vom 22. September 1850 Michaelis 1876 ab. Da der Erblasser der Parteien vor diesem Zeitpunkte Klage auf Zahlung des Kaufpreises nicht erhoben hat, auch sonst über eine Unterbrechung der Verjährung nichts vorliegt, so war die fragliche Forderung zur Zeit seines Todes im Jahre 1880 verjährt und ging also als verjährte Forderung auf seine Erben über. Nun ist es zwar richtig, daß durch den Ablauf der Verjährungszeit nicht ohne weiteres die Forderung aufgehoben wird, sondern daß dadurch nur eine die Forderung ausschließende Einrede begründet wird, sodaß wegen Verjährung eine Klage nur abgewiesen werden kann, wenn der Beklagte die Einrede der Verjährung geltend macht, auf den Ablauf der Verjährungsfrist sich beruft. Allein daraus folgt nicht, daß, wie der Berufungsrichter annimmt, der Schuldner, wenn der Gläubiger nach Ablauf der Verjährungszeit verstorben ist, die Einrede der Verjährung den Erben seines Gläubigers gegenüber verliert, falls diese den Anspruch nicht mit der Spezialklage, sondern mit der hereditas petitio verfolgen. Der Schuldner kann vielmehr auch im letzteren Falle geltend machen, daß die Forderung, bezw. das Klagerecht schon zur Zeit des Todes des Erblassers durch Verjährung erloschen gewesen sei. Die ihm gegen seinen Gläubiger zustehenden Verteidigungsbehelfe können nicht dadurch aufgehoben werden, daß infolge des Todes des Gläubigers an dessen Stelle andere Personen getreten sind, und daß sie den Anspruch nicht mit der Vertragsklage geltend machen, sondern in der Lage sind, ihn mit der Erbschaftsklage zu verfolgen." ...