RG, 23.09.1884 - II 198/84
Umfang der Zuständigkeit der Gewerbegerichte im Sinne der Reichsgewerbeordnung (Novelle vom 17. Juli 1878) §. 120 a.
Tatbestand
Beklagter war als Monteur in das Geschäft des Klägers eingetreten und hatte sich dabei verpflichtet, bei Vermeidung einer Konventionalstrafe eine gewisse Zeit lang nach Austritt aus dem klägerischen Geschäfte nicht in einem anderen ähnlichen Geschäfte thätig zu sein.
Das Urteil des Oberlandesgerichtes, welches die auf Bezahlung der Konventionalstrafe gerichtete Klage wegen Unzuständigkeit abwies, ist aufgehoben worden aus folgenden Gründen:
Gründe
"Es kann unerörtert bleiben, ob durch den Vertrag vom 24. Januar 1875 zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis im Sinne des §. 120 a Gew. O. begründet worden ist. Auch wenn hiervon ausgegangen wird, erscheint die Revision begründet. Unter Leistungen aus dem Arbeitsverhältnisse, von denen §. 120 a spricht, können nur die Leistungen verstanden werden, zu denen der Gewerbetreibende und der Arbeiter während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses und auf Grund desselben gegenseitig verpflichtet sind. Streitigkeiten, welche sich auf solche Leistungen beziehen, sei es, daß die Leistung selbst den Gegenstand des Streites bildet, oder daß, möglicherweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Entschädigung wegen Nichterfüllung der Leistung verlangt wird, sind bei den §. 120 a a. a. O. genannten Behörden anzubringen. Die den Gegenstand des vorliegenden Streites bildende Verpflichtung ist nun zwar in jenem Beitrage, durch welchen das Arbeitsverhältnis begründet wurde, jedoch für die Zeit nach Auflösung dieses Verhältnisses übernommen worden. Es handelt sich also nicht um eine Leistung aus dem Arbeitsverhältnisse, sondern um eine selbständige Verpflichtung, welche der Beklagte neben den ihm durch das Arbeitsverhältnis auferlegten Verpflichtungen übernommen hat, der §. 120 a findet daher keine Anwendung. Die gegenteilige Annahme des Oberlandesgerichtes beruht auf einer Auslegung des §. 120 a a. a. O. , welche um so weniger gebilligt werden kann, als dieses Gesetz eine Abweichung von der sonstigen Zulassung des ordentlichen Rechtsweges enthält und deshalb möglichst strikt zu interpretieren ist, überdies auch die Entstehungsgeschichte des aus der Initiative des Reichstages hervorgegangenen §. 120 a a. a. O. entschieden dagegen spricht. Bei dem Reichstage war zugleich mit dem Entwurfe der Novelle vom 17. Juli 1878 der Entwurf eines Gesetzes über Errichtung von Gewerbegerichten, welches den §. 108 Gewerbeordn. vom 21. Juni 1869 ersetzen sollte, eingebracht worden. Nachdem über den letzteren Gesetzesentwurf eine Einigung der gesetzgebenden Faktoren nicht erzielt worden war, wurde von dem Reichstage bei der Schlußabstimmung über die Novelle beschlossen, den §. 120 a in seiner jetzigen Fassung als Zusatzparagraphen in die Novelle aufzunehmen. Dabei wurde konstatiert, es enthalte dieser §. 120 a mit "unwesentlichen redaktionellen Veränderungen" "genau die Bestimmung", welche §. 108 enthalte, sodaß also die gewerblichen Schiedsgerichte nach wie vor unter denselben Bedingungen, wie bisher, fortbestehen werden. Der angeführte §. 108 lautete aber:
"Streitigkeiten ... , die sich auf den Antritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, auf die gegenseitigen Leistungen während der Dauer desselben, beziehen, sind, soweit für diese Angelegenheiten besondere Behörden bestehen, bei diesen zur Entscheidung zu bringen.
Insoweit solche Behörden nicht bestehen, erfolgt die Entscheidung durch die Gemeindebehörde."
Die Abänderung der Worte "die gegenseitigen Leistungen während der Dauer desselben" in "die gegenseitigen Leistungen aus demselben" ist lediglich deshalb erfolgt, weil in der Praxis die Worte "während der Dauer desselben" insofern "zu mißverständlichen Auslegungen Anlaß gegeben" hatten, als bezweifelt worden war, ob rückständige, nach Ausscheiden des Arbeiters aus dem Arbeitsverhältnisse erhobene Ansprüche der Bestimmung des §. 108 a. a. O. unterliegen."