RG, 18.09.1884 - IV 106/84
Gründe
"In thatsächlicher Hinsicht steht fest, daß die ursprüngliche Klägerin, Witwe W., diejenigen Forderungen, um welche es sich gegenwärtig handelt, unter dem Bekenntnisse, den Wert dafür laut Abrede erhalten zu haben, an den Beklagten cediert, und daß letzterer sodann den Betrag derselben mit 6000 M von den Schuldnern eingezogen und für sich verwendet hat. Darüber, daß jenes Bekenntnis des Valutenempfanges der Wirklichkeit nicht entsprochen habe, sind die Parteien einverstanden. Sie weichen aber in ihren Angaben über den Inhalt des der Cession zu Grunde liegenden Geschäftes, insbesondere der vom Beklagten versprochenen Gegenleistung, voneinander ab. Während nämlich seitens der Klägerin behauptet - und hierauf in erster Reihe die Klage gestützt - ist, daß die Cession unter der Abrede erfolgt sei, der Beklagte solle die abgetretenen Forderungen einziehen und den Erlös als ein hypothekarisch sicherzustellendes Darlehn der Klägerin behalten, ist nach der Aufstellung des Beklagten die mündliche Vereinbarung dahin gegangen, daß er als Gegenleistung die Verpflichtung zur lebenslänglichen Alimentation der Cedentin übernommen habe. Der Berufungsrichter hat sich nun, in Übereinstimmung mit dem ersten Richter, der Prüfung des Klagegrundes des Darlehns durch die Erwägung für überhoben erachtet, daß auch nach dem Vorbringen des Beklagten dieser zur Herauszahlung der eingeklagten 6000 M verpflichtet sei, weil die ursprüngliche Klägerin an den nur mündlich geschlossenen, noch nicht von beiden Seiten erfüllten, Alimentationsvertrag keinesfalls gebunden gewesen sei, ihren Rücktritt von demselben durch Verlassen der beklagtischen Wohnung sowie durch Anstellung der gegenwärtigen Klage unzweideutig erklärt habe und demnach das ihrerseits in Erfüllung des mündlichen Vertrages Geleistete zurückfordern dürfe.
Die Richtigkeit dieser Argumentation unterliegt in materieller Hinsicht keinem rechtlichen Bedenken. Die Cession ist zwar ein formell selbständiges, mit eigenen Rechtswirkungen, insbesondere der Wirkung der Forderungsübertragung, ausgestattetes Rechtsgeschäft, welches zu seiner Gültigkeit eines anderweiten, vorgängigen oder gleichzeitigen Vertrages nicht bedarf. Allein der Bestand ihrer Wirkungen ist in mannigfachen Beziehungen abhängig von ihrem Rechtsgrunde oder dem rechtlichen Zwecke, zu welchem sie erfolgt ist, und in diesem Sinne ist sie - ebenso wie die Tradition und Auflassung - ein materiell unselbständiges Geschäft, welches nach Maßgabe oder wegen Mangel des zu Grunde liegenden Geschäftes rückgängig gemacht werden kann. Zu diesen Mängeln des letztgedachten Geschäftes gehört zweifellos auch der Mangel der gesetzlich vorgeschriebenen Form, und wenn derselbe auch den Eintritt der Wirkungen einer auf Grund des mangelhaften Geschäftes gehörig erfolgten Cession nicht hindert, so gewährt er doch demjenigen Cedenten, welcher sich mit Erfolg auf ihn berufen darf, unter geeigneten Umständen einen persönlichen Anspruch auf Rückgewähr der abgetretenen Forderung oder des Wertes derselben nach Maßgabe der einschlägigen Gesetzesvorschriften.
Wie sich im einzelnen dies Verhältnis gestaltet, hängt in erster Reihe von der Beschaffenheit des Rechtsgrundes der Cession ab, welcher ein verschiedenartiger sein kann. Vorliegend handelt es sich um den, vom preußischen Landrechte (§§ 376. 377. 381 I. 11) als Normalfall der Cession angesehenen Fall, daß der Cession ein zweiseitiger (nach der Terminologie des Landrechtes - §. 7 I. 5 - lästiger) Vertrag zwischen dem Cedenten und dem Cessionar zu Grunde liegt. In diesem Falle kann die Cession selbst, wie allseitig anerkannt wird, im Verhältnisse zu dem unterliegenden Vertrage nur die Funktion einer Erfüllungshandlung, und zwar einer einseitigen Erfüllung des Cedenten haben, da sich die für den Begriff des lästigen Vertrages wesentliche Leistungspflicht des Cessionars nicht in der bloßen Annahme der Cessionserklärung erschöpfen kann (§§. 376. 377 a. a. O.).
Ist nun aber - wie im gegenwärtigen Falle - der zu Grunde liegende Vertrag wegen Mangels der gebotenen Schriftform für beide Teile unverbindlich, so vermag die zwecks Erfüllung desselben erfolgte Cession auf dessen Konvaleszenz grundsätzlich keine andere Wirkung zu äußern, als der einseitigen Erfüllung überhaupt zukommt. Über das Maß dieser Wirkung entscheiden die diesbezüglichen Vorschriften des A.L.R. I. 5. Danach wird der der gesetzlichen Form ermangelnde Vertrag der Anfechtung wegen dieses Mangels nur dann entrückt, wenn derselbe über bewegliche Sachen (zu welchen in der Regel auch Rechte gehören - §§. 7 - 9 I. 2 a. a. O.) geschlossen und von beiden Seiten vollständig erfüllt ist (§. 146 I. 5 a. a. O.). Anderenfalls greifen die Bestimmungen der §§. 156 flg. daselbst Platz, wonach, mit alleiniger Ausnahme des Falles, wo Handlungen den Hauptgegenstand des Vertrages bilden und sämtlich geleistet sind (§. 165 a. a. O.), jedem Teile der Rücktritt von dem noch nicht abgemachten Geschäfte freisteht.
Allerdings hat der vierte Senat des vormaligen preußischen Obertribunales in anscheinend gleichförmiger Rechtsprechung diesen allgemeinen Vorschriften des Gesetzes die Anwendung auf den in Frage stehenden Fall versagt und in einer Reihe von veröffentlichten Entscheidungen den Grundsatz ausgesprochen, daß durch eine formgültige Cession der Formmängel des Kausalvertrages dergestalt geheilt werde, daß nicht nur der Cedent des ihm in Gemäßheit der §§. 156 flg. I. 5 a. a. O. offenstehenden Rücktrittes verlustig, sondern auch der Cessionar durch die Annahme der Cession zur Gewährung der mündlich versprochenen Gegenleistung verpflichtet werde. Allein dieser Ansicht, welche in der Doktrin des preußischen Rechtes so gut wie ohne Zustimmung geblieben ist,1 kann auch diesseits nicht beigetreten werden. Zur Begründung derselben ist in einem Falle,2 die Auffassung verwertet, daß die Cession eine Handlung und daher jedes pactum de cedendo ein Vertrag über Handlungen im Sinne des §. 165 I. 5 a. a. O. sei, welcher durch deren wirkliche Leistung unanfechtbaren Bestand gewinne. Die Unrichtigkeit dieser Auffassung unterliegt indes keinem erheblichen Bedenken. Denn bei der Cession kommt nicht die zur Herstellung des Rechtsgeschäfts erforderliche körperliche Thätigkeit des Cedenten, sondern die Rechtsfolge derselben, nämlich die substanzielle Übertragung eines Rechtes - also einer Sache in dem weiteren Sinne des preußischen Landrechtes - in das Vermögen des Cessionares in Betracht. Sie ist demnach in gleicher Weise, wie die Tradition körperlicher Sachen, eine Sachleistung.3
Es tritt hinzu, daß das gesetzgeberische Motiv für die Vorschrift des §. 165 die Erwägung gewesen ist, daß Handlungen nicht ungeschehen gemacht und in den wenigsten Fällen richtig geschätzt werden könnten.4
Beides trifft auf die Rechtsübertragung offenbar nicht zu.
Im übrigen ist aus der sehr knappen Motivierung der gedachten Entscheidungen,5 nur zu entnehmen, daß teils auf die Wirkung, teils auf die Form der Cession ein dem positiven Rechte nicht entsprechendes Gewicht gelegt ist. Denn wenn in ersterer Beziehung unter Allegierung des §. 393 A.L.R. I. 11 geltend gemacht wird, daß durch eine formgerechte, ernstlich gemeinte Cession, auch in Ermangelung eines verpflichtenden Kausalvertrages, das Eigentum des abgetretenen Rechtes auf den Cessionar übergehe, so steht dieser Umstand, welcher in der oben hervorgehobenen formalen Selbständigkeit und der abstrakten Natur des Cessionsaktes seine Erklärung findet, dem auf das unterliegende materielle Rechtsverhältnis gegründeten persönlichen Ansprüche auf Rückgängigmachung der eingetretenen Rechtsveränderung so wenig entgegen, daß er sogar eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung dieses Anspruches im Gegensatze zur dinglichen Rechtsverfolgung bildet. Sonst würde man diesen Anspruch (die Kondiktion) auch in den Fällen ausschließen müssen, in welchen körperliche Sachen auf Grund eines unverbindlichen mündlichen Veräußerungsvertrages übergeben sind, weil auch in diesen Fällen, ungeachtet der Mangelhaftigkeit des Titels, beim Vorhandensein der entsprechenden Absicht anerkanntermaßen das Eigentum auf den Empfänger übertragen wird. Es besteht aber ein Zweifel darüber nicht, daß hier der Eigentumsübergang der Kondiktion nicht hinderlich ist.
Ebensowenig vermag die Form der Cession, als welche stets die Schriftform unterstellt ist, den Formmangel des zu Grunde liegenden lästigen Vertrages zu decken. Denn diese Form gehört zur Perfektion des Cessionsgeschäftes selbst und macht dasselbe geeignet, als Erfüllung des vorangegangenen Vertrages zu dienen. Eine inhaltliche Beziehung zu diesem Vertrage aber hat die Cessionsurkunde, als solche, gemäß §§. 377. 393 I. 11a. a. O. nicht, da sie an sich nur die erfolgte Rechtsabtretung und nicht deren Rechtsgrund beurkundet. So weit sie in einem gegebenen Falle den Inhalt des letzteren in sich aufgenommen hat, ist sie mehr als bloßes Cessionsinstrument und ihre Fassung entscheidet darüber, ob ihr von dem Gesichtspunkte des Anerkenntnisses aus eine den Formmangel des Grundvertrages ergänzende Bedeutung beizulegen ist (§§. 185 flg. I. 5 a. a. O.). Selbstverständlich kann jedoch aus Fällen dieser Art, welche nach anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden sind, nicht die der Cessionsurkunde als solcher vom Obertribunale beigelegte Bedeutung hergeleitet werden.
Nach diesem allem hätte es einer positiven Gesetzesvorschrift, wie sie der §. 10 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 für die Auflassung enthalt, bedurft, um der Cession die gleiche Kraft der Heilung von Formmangeln des ihr zu Grunde liegenden Vertrages zu geben. An einer solchen fehlt es aber.
Im vorliegenden Falle ist nichts darüber festgestellt, daß die von der Klägerin ausgestellten Cessionsurkunden mehr enthalten, als §. 393 A.L.R. I. 11 vorschreibt. Die Klägerin war also befugt, unter Aufrufung des mündlichen noch nicht beiderseits erfüllten Alimentationsvertrages das ihrerseits Geleistete zurückzufordern.6"
- 1. Vgl. Bornemann, Systematische Darstellung 2. Aufl. Bd. 2 S. 284, 285, Bd. 3 S. 83; Koch, Kommentar zum Allg. Landrecht Note 2 zu §. 376 I. 11, Übergang der Forderungsrechte S. 34-38. 137. 202; Gruchot in seinen Beiträgen Bd. 11 S. 521 flg, 565 flg., Förster-Eccius, Preuß. Privatrecht Bd. 1 S. 122 flg., bes. S. 143; Dernburg, Preuß. Privatrecht 3. Aufl. Bd. 2 S. 197. Der Ansicht des Obertribunales hat sich später angeschlossen Bornemann, Erörterungen S. 173 flg.
- 2. vgl. Striethorst, Archiv Bo. 32 S. 103 flg.,
- 3. Vgl. Entsch. des preuß. Obertrib. Bd. 48 S. 60; Entsch. des Reichsoberhandelsgerichtes Bd. 11 S. 18; Dernburg, Preußisches Privatrecht (3. Aufl.) Bd. 2 S. 60.
- 4. Vgl. Bornemann, systematische Darstellung 2. Aufl. Bd. 2 S. 286.
- 5. vgl. Entsch. des Obertribunales Bd. 21 S. 357; Striethorst, Arch. Bd. 8 S. 149, Bd. 50 S. 292, Bd. 55 S. 217,
- 6. Vgl. §. 161 I. 5 a. a. O.