RG, 30.06.1884 - IV 88/84

Daten
Fall: 
Branntweinsteuer
Fundstellen: 
RGZ 11, 330
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.06.1884
Aktenzeichen: 
IV 88/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Danzig
  • OLG Marienwerder

Greift die Verjährungsfrist des §. 7 oder die des §. 10 des Gesetzes vom 18. Juni 1810 bezüglich der vom Brennereiunternehmer als subsidiarisch Verpflichteten bei Kontraventionen seiner Gewerbsgehilfen zu entrichtenden Branntweinsteuer Platz?

Tatbestand

Kläger, der Ritterguts- und Brennereibesitzer T., ist als subsidiarisch Verpflichteter von der Steuerbehörde zur Entrichtung der durch die Kontraventionen seines Brenners, v. Pl., veranlaßten Branntweinsteuer herangezogen. Er macht in vorliegendem Prozesse die Verjährung der Steuerforderung ihm gegenüber geltend. Beide Instanzrichter haben die Verjährungsfrist für nicht abgelaufen erachtet. Die vom Kläger eingelegte Revision ist zurückgewiesen. Das Nähere in den Gründe:

Gründe

"Gegen den früheren Brennereiverwalter des Klägers, v. Pl., ist nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 450070,80 M oder im Unvermögensfalle einem Jahre Gefängnis durch die Steuerbehörde eine Pfändung vorgenommen, aber fruchtlos ausgefallen. Nach dem §. 2 des Reichsgesetzes betreffend die subsidiarische Haftung des Brennereiunternehmers für die Zuwiderhandlungen " vom 8. Juli 1868 haftet der Brennereitreibende für seine Gewerbsgehilfen hinsichtlich der infolge einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Branntweinsteuergesetzgebung vorenthaltenen Steuer mit seinem Vermögen, wenn die Steuer von dem eigentlich Schuldigen wegen Unvermögens nicht beigetrieben werden kann. Die Fruchtlosigkeit der im Oktober 1880 vorgenommenen Pfändung hat das Unvermögen des v. Pl. erwiesen, und die Haftung des Klägers für die Steuer ist jedenfalls mit dem 1. November 1880 eingetreten. Die Zahlungsaufforderung ist dem Kläger erst am 5. Januar 1882 zugegangen, und der allein zu entscheidende Gegenstand dieses Prozesses ist die Frage, ob an diesem Tage die Steuer dem Kläger gegenüber verjährt war oder nicht. Kläger hält die Verjährung nach §. 7 des Gesetzes vom 18. Juni 1840 durch den Ablauf von mehr als einem Jahre seit dem Eintritte seiner Zahlungsverpflichtung bis zur Zahlungsaufforderung für vollendet, während Beklagter, weil die Nichtentrichtung der in Rede stehenden Steuer auf einer Kontravention beruht, den §. 10 des gedachten Gesetzes angewendet wissen will. In den Fällen des §. 10 verjährt die Steuer gleichzeitig mit der Strafe, und für diese ist die Verjährungsfrist durch §. 7 des Einführungsges. zum St.G.B. auf drei Jahre festgesetzt. Die dreijährige Frist war am 5. Januar 1882 noch nicht abgelaufen. Das Gesetz vom 18. Juni 1840 hat die Verjährungsfristen bei öffentlichen Abgaben erschöpfend regeln wollen, die Fristen für indirekte Steuern sind in den §§. 7. 8. 10 bestimmt; der §. 8 kann nicht in Betracht kommen, weil es sich hier nicht um Rückstände oder kreditierte Beträge zur Hebung gestellter Steuern handelt, und es bleiben nur die beiden §§. 7. 10 übrig, von denen der eine oder der andere für die Entscheidung maßgebend sein muß. Zur Zeit des Erlasses des Gesetzes vom 18. Juni 1840 bestand noch nicht die bloß subsidiarische Haftung des Brennereiberechtigten für die in Kontraventionsfällen zu entrichtenden Gefälle, sondern nur für die durch Dritte verwirkten Geldstrafen (§. 83 der Ordnung zum Gesetze vom 8. Februar 1819, Deklaration vom 6. Oktober 1821). Erst das Gesetz vom 21. September 1860 führte, indem es darin einem in die Zollgesetzgebung (§. 19 des Gesetzes vom 23. Januar 1838 wegen Untersuchung und Bestrafung der Zollvergehen) aufgenommenen Grundsatze nachfolgte, jene Subsidiarität betreffs der Gefälle ebenso wie für die Geldstrafen ein, und das obengedachte Reichsgesetz vom 8. Juli 1868 behielt diesen Grundsatz bei. Bevor das Gesetz vom 21. September 1860 erging, war die Haftung des Brennereiberechtigten für die Gefälle bei Kontraventionen dritter Personen eine Prinzipale, er haftete neben und außer dem Kontravenienten für die hinterzogene Steuer wie überhaupt für jede beim Betriebe der Brennerei zu entrichtende Steuer, und der Zahlungstermin für die hinterzogene Steuer war selbstverständlich der Zeitpunkt des Brennereibetriebes, bei welchem die Steuer aufkam, d. i. zugleich der Zeitpunkt der Kontravention. In diesen Rechtszustand trat das Gesetz vom 18. Juni 1840 ein, und da erfahrungsmäßig die Kontraventionen in den Branntweinbrennereien zu einem großen Teile erst später als binnen Jahresfrist entdeckt und festgestellt werden, so ist es höchst unwahrscheinlich, daß durch den §. 7 a. a. O. die Steuerforderung in so kurzer Frist und ehe die Steuerbehörde sie geltend zu machen imstande war, dem unmittelbar verpflichteten und meistens allein zahlungsfähigen Brennereiberechtigten erlassen sein sollte. Aber auch abgesehen von dieser Unwahrscheinlichkeit ist der §. 7 a. a. O. speziell bestimmt, gewisse besondere Fälle zu treffen, und zwar solche, bei denen die Steuerpflicht nicht durch eine Kontravention veranlaßt ist.

Das Gesetz vom 8. Februar 1819 und die dazu gehörige Ordnung enthielten über die Verjährung keine Bestimmung, und beließen es in dieser Hinsicht bei den Vorschriften des Allgemeinen Landrechtes. In einem gewissen Falle sollte aber jede Nachforderung des Staates gegen den Steuerpflichtigen unterbleiben. Der mit der Überschrift "Richtige Berechnung und Erhebung der Gefälle" versehene §. 58 der Ordnung machte nämlich die Steuerbeamten für die Erhebung der Steuern nach den vorgeschriebenen Sätzen verantwortlich und gab dieser Verantwortlichkeit die weiteste Ausdehnung durch die Bestimmung, daß die bei gehöriger Anmeldung zur Versteuerung durch die Schuld der Hebungsbehörden gar nicht oder unzureichend erhobenen Gefälle nicht von den Steuerpflichtigen, sondern von dem Erhebungsbeamten eingezogen, und diesem nur das Recht auf Erstattung gegen jene vorbehalten werden solle. Diese Vorschrift enthielt eine große Härte gegen die Steuerbeamten, und bot keinen Vorteil für die Steuerpflichtigen, welche während der dreißigjährigen Verjährungsfrist den Beamten regreßpflichtig blieben. Dem sollte abgeholfen werden, und an Stelle des §. 58 a. a. O. eine zur Erleichterung der Beamten wie des Publikums dienende Bestimmung treten. Auch hierbei folgte man dem Beispiele der Zollgesetzgebung im §. 17 der Verordnung betreffend das mit den zollvereinten Staaten vereinbarte Zollgesetz etc vom 23. Januar 1838, und setzte in dem §. 7 des Gesetzes vom 18. Juni 1840 unter Beseitigung der ausschließlich gegen die Beamten gerichteten Nachforderung fest, daß bei den betreffenden indirekten Steuern der zu wenig oder gar nicht erhobene Steuerbetrug nur binnen einem Jahre nach dem Eintritte der Zahlungsverpflichtung nachgefordert werden könne, daß also für den Steuerpflichtigen die Verjährung binnen einem Jahre eintreten solle.1

Hiernach geht der §. 7 a. a. O., sowie es auch der §.17 der Verordnung vom 23. Januar 1838 ausdrücklich ausspricht, und wie ferner durch die Vergleichung mit dem vorhergehenden §. 5 des Verjährungsgesetzes noch mehr bestätigt wird, von den Voraussetzungen aus, daß die vorschriftsmäßige Anmeldung zur Versteuerung seitens des Steuerpflichtigen erfolgt, und nur durch die Schuld des Beamten die Erhebung der Steuer ganz oder zum Teile unterblieben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der durch die Kontraventionen des v. Pl. verdeckte und die Nachforderung veranlassende Brennereibetrieb ist gar nicht angemeldet und die Steuerbehörde, welche zur Zeit der Fälligkeit der Steuer, d. i. im Zeitpunkte der verübten Kontraventionen sich nicht in der Lage befunden hat, die Steuer zu berechnen und einzuziehen, hat diese Unterlassung nicht verschuldet. Hieran wird nichts dadurch geändert, daß Kläger durch die neuere Gesetzgebung zum subsidiär Verpflichteten gemacht ist; die im Streite befindlichen Steuerbeträge sind immer nicht solche, welche nach gehöriger Anmeldung des Steuerfalles allein durch die Schuld der Behörde nicht eingezogen sind, und beim Mangel dieser Voraussetzung ist §. 7 a. a. O. auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Fällt §. 7 a. a. O. weg, so liegt schon hierin notwendig die Hinweisung auf den §. 10 a. a. O., und dieser ist nach seinem Wortlaute und seiner Bedeutung so allgemein gehalten, daß er sowohl dem eigentlichen Kontravenienten als dem beim Erlasse des Gesetzes noch direkt verpflichteten Brennereiberechtigten gegenüber hat Platz greifen müssen, und daß seine Anwendung auf den letzteren nicht dadurch beseitigt sein kann, daß dessen Zahlungspflicht durch die neuere Gesetzgebung auf einen späteren Termin verlegt worden ist. Auch, hierfür ist auf den §. 17 der Zollverordnung vom 23. Januar 1838 hinzuweisen, welcher in seinem Schlußsatze die einjährige Verjährungsfrist auf die Nachzahlung hinterzogener Gefälle für unanwendbar erklärt, und keinen Unterschied macht, von wem die hinterzogenen Gefälle gefordert werden.

Hiernach ist die Vorentscheidung gerechtfertigt."

  • 1. Vgl. Löwenberg, Beiträge Bd. 1 S. 132.