RG, 30.06.1917 - I 56/17

Daten
Fall: 
Taxierte Police
Fundstellen: 
RGZ 90, 366
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.06.1917
Aktenzeichen: 
I 56/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Ist im Falle der taxierten Police (§ 793 HGB., § 16 Allg. SVB.) die Taxe für die Berechnung der Freiprozente nach § 845 HGB. (§ 97 Allg. SVB.) unbedingt maßgebend? Vorbehalte für Sonderschätzungen.

Tatbestand

Die Klägerin hat laut Police vom 22. April 1913 bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften, deren etwaige Schuld der Beklagte übernommen hat, "Kasko, Maschinen und Zubehör, taxiert 243.000 M auf Grundlage gegenseitiger Vereinbarung ohne weiteren Beweis, des Dampfers Caroline Hemsoth" "nur für Seegefahr" nach den Allg. SVB. von 1867 versichert. Die Police enthält den Vordruck: Separattaxen:

Kasko.................M.
Maschine...........M.
Zubehör.............M.

diese drei Rubriken unausgefüllt, jedoch neben dem Worte "Separattaxen handschriftlich das Wort "vorbehalten".

Die gedruckten besonderen Bedingungen enthalten den Satz: "Etwaige Havarie particulière ist auf Kasko, Maschine und Zubehör separat oder über das Ganze nach Wahl der Reederei zu dispachieren."

Der Dampfer hat durch Eis lediglich am Schiffsrumpf Schaden erlitten, über dessen Höhe Streit herrscht, den die Klägerin jedoch auf 4063,65 M beziffert. Dieser Betrag nebst 5 % Prozeßzinsen wird mit gegenwärtiger Klage gefordert. Der Beklagte beantragt unter Berufung auf §§ 97,16, 17 Allg. SVB. Klagabweisung, weil dieser Betrag die Franchise von 3 % nicht erreichen würde. Es sind nämlich in Anlaß des Unfalls auf gemeinschaftliches Betreiben der Parteien Separattaxen gemacht, nach denen der Rumpf auf 105.000 M, Maschinen und Kessel auf 50.000 M, das Zubehör auf 18.000 M geschätzt wurden, so daß sich ein Gesamtversicherungswert von 173.000 M ergab. Der Beklagte will nun die einzelnen Taxen im Verhältnis dieser Schätzung zur Policentaxe heraufgesetzt wissen, so daß sich damit ein der letzteren entsprechender Taxwert des Kaskos von 147.485 M herausstellt. Legt man diesen zugrunde, so erreicht der behauptete Schade weder 3 % der Gesamttaxe, noch 3 % der Sondertaxe des Rumpfes. Die Klägerin hält diese Art der Franchisenberechnung für unrichtig und will ohne Rücksicht auf die Policentaxe die jetzt veranlaßte Schätzung des Kaskowertes zugrunde legen.

Beide Vorinstanzen sind der Auffassung des Beklagten beigetreten Die Revision der Klägerin ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Enthielte die Police nicht die Bestimmung "Separattaxen vorbehalten" und die Befugnis der Klägerin, etwaige besondere Havarie nach Wahl separat oder über das Ganze zu berechnen, so unterläge es keinem Zweifel, daß die Taxe für die Freiprozente maßgebend wäre und die Klägerin daher nichts zu beanspruchen hätte. Dasselbe würde gelten, wenn die Separattaxen von vornherein entsprechend der Gesamttaxe berechnet gewesen wären, einerlei, ob der Klägerin daneben die erwähnte Wahl der Anrechnung des Schadens zustände oder nicht. Denn ein Recht, eine Herabsetzung der Taxe wegen wesentlicher Übersetzung zu fordern, steht nach § 16 Allg. SVB. (§ 793 HGB.) nur dem Versicherer, nicht aber dem Versicherten zu. Diese Rechtslage der Klägerin änderte sich aber auch dadurch nicht, daß im vorliegenden Falle die Bestimmung der Separattaxen innerhalb und nach Maßgabe des durch die Gesamttaxe gegebenen Rahmens vorläufig unterlassen und vorbehalten wurde. Denn dadurch wurde die Verbindlichkeit der vertragsmäßigen Gesamttaxe für die Parteien nicht berührt (vgl. Voigt S. 577). Zur Aufnahme der Separattaxen lag nur für den Fall der besonderen Havarie Veranlassung vor und zwar auch nur dann, wenn nach Art und Betrag des Schadens die Klägerin Veranlassung hatte, diesen für Rumpf, Maschinen und Zubehör besonders zu verrechnen. In anderen Schadensfällen, vor allem im Falle des Totalverlustes, genoß sie die Vorteile der hohen Gesamttaxe. Bei Totalverlust würde der Beklagte mutmaßlich den Schaden nach dieser Taxe vergütet haben, da deren nachträgliche Anfechtung wegen wesentlicher Übersetzung in diesem Falle mindestens schwierig gewesen wäre. Dementsprechend kann auch die Klägerin jetzt nicht dem Beklagten den Vorteil der einmal vereinbarten Taxe entziehen, indem sie sich auf die Separattaxen in einer Weise beruft, die die Gesamttaxe ihrer rechtlichen Bedeutung entkleiden würde. Vielmehr ist mit Rücksicht auf diese der Vorbehalt der Separattaxen dahin auszulegen, daß der taxierte Versicherungswert, sofern sich das Bedürfnis nach besonderer Schätzung von Rumpf, Maschinen und Zubehör herausstellen sollte, in angemessener Weise auf diese drei Sonderteile des ganzen Schiffes zu verteilen ist. Dies geschieht eben dadurch, daß man der Berechnung der Instanzen folgt."