RG, 17.06.1884 - III 290/83
Erstreckt sich nach gemeinem Rechte die Hypothek an einem Gebäude im Falle des Unterganges des letzteren durch Feuer ohne weiteres auch auf die Feuerversicherungsgelder?
Aus den Gründen
"Nach §. 39 des preußischen Gesetzes über den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke vom 5. Mai 1872 haften für das eingetragene Kapital außer dem Grundstücke und den auf demselben befindlichen Gebäuden u. a. die dem Eigentümer zufallenden Versicherungsgelder für abgebrannte oder durch Brand beschädigte Gebäude, wenn diese Gelder nicht statutenmäßig zur Wiederherstellung der Gebäude verwendet werden müssen oder verwendet worden sind. Da nun im vorliegenden Falle die Versicherungsgelder zur Konkursmasse eingezahlt und nicht zur Wiederherstellung der Gebäude verwendet worden sind, so, würde der Klaganspruch auf abgesonderte Befriedigung aus den Versicherungsgeldern begründet sein, wenn der §. 30 Anwendung finden könnte. Mit Recht ist indes diese Bestimmung in dem angefochtenen Erkenntnisse für unanwendbar erachtet. Denn wenn auch das Gesetz vom 5. Mai 1872 durch das Gesetz vom 30. Mai 1873 in den Bezirk des vormaligen Justizsenates zu Ehrenbreitstein eingeführt und das letztere Gesetz mit dem 1. Oktober 1873 in Kraft getreten ist, so kann doch der §. 30 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 nur für solche Hypotheken wirksam werden, welchem Gemäßheit des Gesetzes vom 5. Mai 1872 in das Grundbuch eingetragen sind. Die Bestimmungen in §§. 80 - 33 des Gesetzes vom 5. Mai 1872, welche von dem Umfange des Hypotheken- und Grundschuldrechtes handeln, beziehen sich nur auf diejenigen Hypotheken und Grundschulden, welche in Gemäßheit dieses Gesetzes, mithin nach §. 18 durch die Eintragung im Grundbuche entstanden sind. Da nun nach Ausweis des Hypothekenbuchauszuges vom 11. November 1875 für das hier fragliche Grundstück zur Zeit der Eintragung der Hypothek ein Grundbuchblatt noch nicht angelegt war, so ist mit Recht die Anwendbarkeit des §. 30 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 für ausgeschlossen erachtet worden.
Es fragt sich daher, ob nach den Bestimmungen des gemeinen Rechtes das Pfandrecht des Hypothekengläubigers sich im Falle des Unterganges der verpfändeten Sache durch eine Feuersbrunst auf die dem Pfandschuldner zustehenden Versicherungsgelder erstreckt. Bei der Erörterung dieser Frage ist von dem Falle abzusehen, daß durch einen Vertrag zwischen dem Pfandschuldner und dem Pfandgläubiger dem letzteren der Anspruch auf die Versicherungssumme mitverpfändet worden ist, und ebenso auch von dem Falle, daß in dem zwischen dem Pfandschuldner und der Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrage zu Gunsten der Hypothekengläubiger Bestimmungen getroffen sind, durch welche das Interesse der letzteren gesichert wird; denn auf derartige besondere Umstände ist die Klage nicht gegründet. Die Klägerin stützt vielmehr ihren Anspruch lediglich darauf, daß das Pfandrecht, welches ihr an den abgebrannten Gebäuden zustand, ohne weiteres und kraft Gesetzes sich auf die Versicherungsgelder mit erstrecke. Dieser Satz läßt sich indes nach gemeinem Rechte nicht begründen.
Der Anspruch auf die Versicherungssumme beruht auf dem persönlichen Vertrage zwischen dem Versicherten und dem Versicherer. Hat der Eigentümer eines Hauses einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, so versichert er, das Interesse, welches er daran hat, daß das Haus die Gefahr des Unterganges durch eine Feuersbrunst bestehe. Der Besitz des Hauses ist lediglich die Veranlassung für den Abschluß des Vertrages, das Abbrennen desselben die Thatsache, durch welche die Bedingung, an welche die Verpflichtung des Versicherers geknüpft ist, existent wird. Aus welchem Rechtsgrunde nun der Hypothekengläubiger Rechte aus dem zwischen dem Pfandschuldner und dem Versicherer abgeschlossenen rein obligatorischen Vertrage, sollte ableiten können, ist nicht erfindlich. Daß insbesondere der Satz " pretium succedit in locum dei" in dieser Allgemeinheit unrichtig und auf das vorliegende Rechtsverhältnis unanwendbar ist, wird allseitig zugegeben. Ebensowenig läßt sich die Rechtsiegel " commodum ejus esse debet cujus periculum est" für diese Frage verwerten. Durch diese Regel wird nur ausgedrückt, daß derjenige, welcher die Gefahr eines bestimmten Ereignisses trägt, auch die Vorteile zu genießen hat, welche dasselbe Ereignis mit sich bringt. In dem hier fraglichen Falle ist abgesehen davon, daß das periculum jedenfalls zunächst und in erster Linie vom Eigentümer des Hauses zu tragen ist, das commodum nicht die Folge des Unterganges der Sache durch Feuer, sondern die Folge des vorher abgeschlossenen Vertrages; das durch den Vertrag bedingte bereits erworbene commodum wird durch den Brandfall lediglich ein unbedingtes. Für die entgegengesetzte Ansicht hat man sich einesteils auf verschiedene Aussprüche in den Quellen und anderenteils darauf berufen, daß, da das Pfandrecht auf die Aneignung des Wertes des Pfandgegenstandes gerichtet sei, dem Pfände auch dasjenige unterworfen bleiben müsse, was von dem Werte des Pfandgegenstandes übrig bleibe, vgl. Windscheid, Pandekten §. 248 Nr. 9 und Lippmann in den Jahrbüchern für Dogmatik Bd. 7 S. 29.1
Allein, was den letzten Grund anlangt, so folgt aus dem darin enthaltenen Grundsatze, dessen Richtigkeit hier übrigens auf sich beruhen kann, keineswegs dasjenige, was daraus abgeleitet wird. Als übrig bleibender Wert des Pfandgegenstandes ließe sich die Versicherungssumme nur dann bezeichnen, wenn sie schon vorher dem Pfandrechte des Gläubigers unterworfen gewesen wäre. Dies wäre aber, mangels eines speziellen Vertrages, der im gegebenen Falle nicht behauptet ist, nur anzunehmen, wenn die Versicherungssumme als Pertinenz des Pfandgegenstandes, hier der Gebäude, angesehen werden könnte, was aber unzweifelhaft unthunlich ist.
Auch die Stellen des römischen Rechtes, welche für die entgegengesetzte Ansicht angeführt sind, erscheinen nicht geeignet, dieselbe zu begründen. In der 1. 17 §. 1 Dig. de R. V. 6, 1 wird die Frage erörtert, was der mit der rei vindicatio auf die Herausgabe eines Sklaven belangte Besitzer zu leisten hat, wenn der Sklave nach der Litiskontestation durch einen Dritten getötet wird. Der Jurist entscheidet, es müßten nicht bloß die Früchte, sondern auch omnis causa prästiert werden. Zu letzterer rechnet er insbesondere auch die actio legis Aquilae, die dem Kläger auf sein Verlangen cediert werden müsse ( restituere cogendum). Da die actio legis Aquilae ohne weiteres dem Eigentümer zufallen und es mithin einer Cession derselben an den Kläger nicht bedürfen würde, so ist in tatsächlicher Beziehung bei dieser Entscheidung zu unterstellen, daß, wie auch am Schlusse der Stelle ausdrücklich hervorgehoben wird (verb: Sed quod dicit de actio legis Aquilae, procedit, si post litem contestatem usucepit possessor, quia plenum jus incipit habere), daß der Beklagte nach der Litiskontestation durch Usukapion Eigentümer des Sklaven geworden und dieser demnächst von einem Dritten getötet ist. Wie in solchem Falle die Usukapion dem Besitzer keinen Nutzen brachte, weil das Urteil auf die Zeit der Litiskontestation zurückbezogen, und der Beklagte daher ohne Rücksicht auf den inzwischen erfolgten Eigentumserwerb zur Herausgabe des vindizierten Sklaven, falls dieser noch am Leben geblieben wäre, hätte verurteilt werden müssen, so muß er auch auf Verlangen des Klägers nach dem Tode des Sklaven die actio legis Aquilae cedieren, weil, wenn das Urteil unmittelbar nach der Litiskontestation erfolgt wäre, eine Usukapion nicht hätte stattfinden können und daher die actio legis Aquilae dem Kläger unmittelbar erworben sein würde. Die Verpflichtung zur Übertragung dieser Klage beruht daher wesentlich auf dem Satze, daß nach älterem römischen Rechte durch die Litiskontestation die Usukapion nicht unterbrochen, der Kläger aber gegen die Wirkung der vollendeten Usukapion durch die Zurückziehung des Urteiles auf die Zeit der Litiskontestation geschützt wurde. Für die vorliegende Frage kann daraus zu Gunsten des klägerischen Anspruches nichts gefolgert werden. Dasselbe gilt von den weiter in bezug genommenen Stellen, der 1. 13 §. 12 Dig. de A. E. et V. 19, 1 und der 1. 16 Dig. de aqua et aquas pluv. arc. 39, 3. Nach der ersten Stelle ist zwar anzunehmen, daß der Verkäufer eines Grundstückes, wenn er vor dem Verkaufe sich die cautio damni infecti hatte bestellen lassen, zur Abtretung der Schadensersatzklage an den Käufer gezwungen war, falls nach dem Verkaufe der befürchtete Schaden eingetreten war. Allein diese Entscheidung beruht wesentlich darauf, daß der Verkäufer omnis culpa zu prästieren und, wenn er nicht bereits vorher sich die Kaution hatte bestellen lassen, nach dem Verkaufe die Bestellung der Kaution zu veranlassen hatte, wollte er anders sich nicht dem Vorwurfe der culpa aussetzen (vgl. 1.1. 7. 8. 38 pr. Dig. de damno infecto 39, 2). Es leuchtet ein, daß aus dieser Entscheidung keine Konsequenzen für die vorliegende Frage gezogen werden können, da, abgesehen davon, daß derjenige, von welchem die Kautionsbestellung gefordert wurde, ohne sich anderen Nachteilen auszusetzen, diese nicht ablehnen konnte, die Unterlassung einer Versicherung dem Verkäufer nicht als Verschulden zugerechnet werden kann. Eine ähnliche Bewandtnis hat es mit dem in der 1. 16 a. a. O. erörterten Falle. Die dort getroffene Entscheidung beruht einesteils auf dem Satze "commodum ejus esse debet cujus periculum est", andererseits auf der Wirkung der Litiskontestation."
- 1. Über die Litteratur dieser auch im Gebiete des rheinischen und des preußischen Rechtes streitigen Frage ist zu vergleichen für das gemeine Recht: Madai im Archiv für civilistische Praxis Bd. 26 S. 201; Stobbe, Deutsches Privatrecht §. 112 Note 33; v. Meibom, Mecklenburgisches Pfandrecht S. 194; Mommsen, Erörterungen Bd. 1 S. 118; Dernburg, Pfandrecht Bd. 2 S. 566; für das französische Recht: Echerer in Ihering's Jahrbüchern Bd. 20 S. 80 und die dort angeführte Litteratur; Urteil des Reichsgerichtes II. Civilsenat in der Zeitschrift für Notariat Bd. 26 S. 284; für das preußische Recht: Förster-Eccius, Bd. 2 S. 145 S. 458 Note 89 und die dort angeführten Schriftsteller. D. E.