RG, 03.12.1918 - III 333/18

Daten
Fall: 
Vergütung des Schiedsrichters
Fundstellen: 
RGZ 94, 210
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.12.1918
Aktenzeichen: 
III 333/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Wiesbaden
  • OLG Frankfurt a.M.

1. Kann der Schiedsrichter eine Vergütung nur von derjenigen Partei verlangen, die ihn ernannt hat?
2. Zur Frage der Entgeltlichkeit der schiedsrichterlichen Tätigkeit. Einfluß vorzeitiger Beendigung derselben.

Tatbestand

Für ein schiedsgerichtliches Verfahren zwischen dem Ingenieur St. und der Beklagten waren als Schiedsrichter von St. der Kläger, von der Beklagten ein gewisser P. ernannt worden. Nach etwa zwei Jahren stellte der Kläger, von der Beklagten mit Erfolg abgelehnt, seine schiedsrichterliche Tätigkeit ein. Da er von St. eine Vergütung nicht erhalten konnte, verlangte er eine solche von der Beklagten. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf seine Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

"Die Behauptung, daß ein früherer Teilhaber der Beklagten dem Kläger eine Vergütung ausdrücklich versprochen habe, wird vom Berufungsgericht in tatsächlicher Würdigung für widerlegt erachtet und kommt für die Revisionsinstanz nicht mehr in Betracht. Im übrigen bestätigt das Berufungsgericht die Abweisung der Klage, indem es erwägt, daß zwar ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten entstanden sei, die Pflicht zur Entrichtung einer Vergütung an den Schiedsrichter aber grundsätzlich nur denjenigen treffe, der ihn ernannt habe, und Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung im vorliegenden Falle nicht vorhanden seien. Diese Auffassung entspricht nicht der Stellung und Aufgabe des Schiedsrichters und kann daher nicht gebilligt werden. Der Schiedsrichter soll gleich dem staatlichen Richter einen Rechtsstreit entscheiden, also eine Tätigkeit entfalten, an deren Erledigung beide am Streite beteiligte Parteien in gleicher Weise ein Interesse haben. Die Rechtsprechung, der sich in diesem Punkte auch das Berufungsgericht anschließt, nimmt folgerichtig an, daß mit der Übernahme des Schiedsrichteramtes ein Vertragsverhältnis zwischen dem Schiedsrichter und beiden Parteien entstehe, mag auch seine Ernennung nur durch die eine Partei geschehen sein (RGZ. Bd. 41 S. 251, 255, Bd. 59 S. 247, 252). Die Zusammensetzung des Schiedsgerichts kann in verschiedener Weise geregelt sein. Die Schiedsrichter können von den Parteien gemeinschaftlich, es kann aber auch, wie § 1028 ZPO. als ergänzende Regel vorsieht, von jeder Partei ein Schiedsrichter ernannt werden, wobei die Ernannten vielleicht ihrerseits einen Obmann zu wählen haben. Die Ernennung kann ferner Dritten, auch der einen Partei allein übertragen werden. Es ist nicht abzusehen, weshalb das Verhältnis der einzelnen Schiedsrichter zu den Parteien in diesen Fällen verschieden behandelt werden müßte, obgleich doch die Tätigkeit, die sie gemeinschaftlich ausüben, beiden Parteien gleichmäßig geleistet werden soll. Der Umstand, daß der einzelne Schiedsrichter in einem Vertragsverhältnis zu beiden Parteien steht, hat zur Folge, daß ihn beide zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe anhalten können (RGZ. Bd. 59 S. 252) und daß er beiden für die ordnungsmäßige Erfüllung haftet. Was aber für seine Pflichten anerkannt ist, muß auch für seine Rechte gelten. Wenn er also für seine Tätigkeit eine Vergütung überhaupt zu beanspruchen hat, dann müssen ihm dafür beide Parteien haften. Der Antrag auf Übernahme des Schiedsrichteramtes ist, gleichviel von wem er an den in Aussicht genommenen Schiedsrichter gestellt wird, in dem Sinne zu verstehen, daß dieser beiden Parteien gegenüber in gleicher Weise berechtigt und verpflichtet sein soll. Die Parteien haften ihm daher für eine Vergütung nach § 427 BGB. als Gesamtschuldner. Nur diese einheitliche Haftung beider Parteien ohne Unterschied, von wem die Ernennung ausgegangen ist, entspricht auch der Art und Weise, wie der Schiedsrichter sein Amt ausüben soll. Der Schiedsrichter soll, wie der staatliche Richter, über den Parteien stehen und, wenn auch freier als dieser, so doch ebenso unbefangen und unparteiisch urteilen (RGZ. Bd. 41 S. 255, Bd. 50 S. 240). Dies setzt aber, was für die Beurteilung des ganzen Verhältnisses wesentlich ist, eine gewisse Unabhängigkeit voraus, und diese wäre nicht gewährleistet, wenn der einzelne Schiedsrichter mit seinen Vergütungsansprüchen nur auf die eine oder andere Partei angewiesen wäre. Die Eigenart des schiedsrichterlichen Verhältnisses führt daher notwendig zu einer dem Berufungsurteil entgegengesetzten Auffassung. Die dort angestellte Erwägung, die Willensmeinung der Parteien werde im allgemeinen die sein, daß jeder Teil für die Bezahlung des von ihm zu ernennenden Schiedsrichters aufzukommen habe, ist nicht entscheidend. Es kommt nicht darauf an, was die Parteien des schiedsrichterlichen Verfahrens gedacht und gewollt haben, sondern wie ihr Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung von Zweck und Inhalt der schiedsrichterlichen Tätigkeit sich darstellt, und wie es namentlich von dem Schiedsrichter selbst, der ihnen als Vertragsteil gegenübertritt, aufgefaßt werden durfte und mußte. Abweichende Vereinbarungen mögen zulässig sein und namentlich in dem Sinne getroffen werden können, daß der Schiedsrichter sich zunächst an die Partei halten soll, die ihn ernannt hat. Ohne solche besonderen Vereinbarungen, die hier nicht in Frage stehen, kann das Vertragsverhältnis nach Treu und Glauben nur so verstanden werden, daß dem Schiedsrichter gegenüber beide Parteien zur Entrichtung der ihm zustehenden Vergütung verpflichtet sind.

Ob der Schiedsrichter für seine Tätigkeit eine Vergütung zu beanspruchen hat, das ist, entsprechend den in §§ 612 Abs. 1, 632 BGB. für Dienst- und Werkvertrag gegebenen Vorschriften, grundsätzlich danach zu bestimmen, ob die schiedsrichterliche Tätigkeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Bejahung dieser Frage für den vorliegenden Fall ergibt sich schon aus der Tatsache, daß der Kläger von Beruf Ingenieur ist. Es verstand sich danach von selbst, daß er eine Vergütung erwartete, und auch die Parteien konnten hierüber nicht in Zweifel sein. Sie waren es auch, soweit ersichtlich, niemals. Das Berufungsgericht erwähnt im ersten Teil seiner Gründe selbst, daß die Beklagte dem Kläger einen wenn auch unverbindlichen Kostenvorschuß gewährte, und auch abgesehen hiervon, drehte sich der Streit immer nur darum, in welcher Höhe und von wem ihm eine Vergütung zu leisten sei.

Der Anspruch des Klägers läßt sich auch nicht, wie die Beklagte meint, mit der Erwägung erledigen, daß es zu einem Schiedsspruche nicht gekommen sei, der Kläger also das versprochene Werk nicht hergestellt habe. Der zwischen dem Schiedsrichter und den Parteien des schiedsrichterlichen Verfahrens abgeschlossene Vertrag ist kein Werkvertrag. Er fällt überhaupt unter keine der im Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich geregelten Vertragsarten, ist vielmehr, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist (RGZ. Bd. 59 S. 247, Bd. 65 S. 175, Bd. 74 S. 323), mit Rücksicht auf die Eigenart der schiedsrichterlichen Tätigkeit als ein Vertrag besonderer Art anzusehen. Den Gegenstand des Vertrags, der insoweit eher dem Auftrag oder Dienstvertrag zu vergleichen ist, bildet nicht nur die Erlassung eines Schiedsspruches, sondern die gesamte schiedsrichterliche Tätigkeit. Findet diese also, wie hier infolge nachträglicher Ablehnung des Schiedsrichters, ein vorzeitiges Ende, so ist die bloße Tatsache der Beendigung des Vertragsverhältnisses noch kein Grund, ihm eine Vergütung auch für das bis dahin Geleistete zu versagen. Ob sonstige Umstände dem Anspruche des Klägers entgegenstehen, bedarf erst noch der Feststellung."