danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

RG, 10.12.1918 - VII 242/18

Daten
Fall: 
Gesellschaften m.b.H., die "den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken betreiben"
Fundstellen: 
RGZ 94, 259
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.12.1918
Aktenzeichen: 
VII 242/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Dresden
  • OLG Dresden

Zum Begriff der in der Tarifnr. 1Ab Abs. 2 RStempG. bezeichneten Gesellschaften m.b.H., die "den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken betreiben".

Tatbestand

Die durch den Gesellschaftsvertrag vom 30. November 1916 errichtete klagende Gesellschaft hat für diesen Vertrag auf Erfordern des Beklagten entsprechend ihrem Stammkapital von 200000 M 5 v. H. mit 10000 M nach der Tarifnr. 1 A b Abs. 2 RStempG. als Stempel bezahlt. Mit der Klage fordert sie hiervon 4000 M zurück unter der Begründung, es sei nur eine Abgabe von 3 v. H. nach Abs. 1 der genannten Tarifnummer zu entrichten gewesen. Das Landgericht wies die Klage ab; die Berufung wurde zurückgewiesen. In der Revisionsinstanz wurde das Berufungsurteil aufgehoben und dem Klagantrage stattgegeben.

Gründe

"Der für die Beurkundungen von Gesellschaftsverträgen, betreffend die Errichtung von Gesellschaften m. b. H, in der Tarifnr. 1 A b Abs. 1 des Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 bestimmte Stempel von 3 v. H. des Stammkapitals erhöht sich nach Abs. 2 daselbst aus 5 v. H. bei Gesellschaften m. b. H., die nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags oder auch nur tatsächlich den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken betreiben. Im vorliegenden Falle ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags Gegenstand des Unternehmens der klagenden Gesellschaft der Ankauf der Grundstücke H. Bl. 47 und 69. ihr Abbau auf Kaolin und die Verwertung des Kaolins und der Nebenprodukte, sowie der Erwerb weiterer Grundstücke zu dem gleichen Zwecke. Die Meinung des Berufungsrichters, daß hiernach der Errichtungsvertrag unter den Abs. 2 der Tarifnr. 1 A b falle, ist nicht zu billigen.

Da aus der Steuervorschrift selbst für die streitige Frage, was unter Gesellschaften, die den Erwerb, oder die Verwertung von Grundstücken betreiben, zu verstehen sei, unmittelbar über den Wortlaut hinaus nichts zu entnehmen ist, muß zum Verständnis des Gesetzes auf dessen Entstehungsgeschichte zurückgegangen werden. Die Vorschrift des Abs. 2 war in gleicher Fassung schon im Entwurf enthalten. Die amtliche Begründung des Entwurfs (S. 24) erklärt den hohen Stempel von 5 v. H. gegenüber den Grundstücksverwertungsgesellschaften für gerechtfertigt, "insofern sie reine Spekulationsgeschäfte treiben und bisher zum Teil lediglich zum Zwecke der Umgehung der Grundstücksumsatzstempel und der Zuwachssteuer gegründet worden sind". Nach B Abs. 2 der dem Entwurfe beigegebenen Veranschlagung des Ertrags aus Tarifnr. 1 A b betrug das in den Jahren 1910 und 1911 im Durchschnitt in Zugang gekommene Kapital von Gesellschaften m. b. H., "welche den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken betreiben", 30 Millionen Mark. Im unmittelbaren Anschluß hieran wird im nächsten Absatze dieser Betrag als "die auf die den Grundstückshandel betreibenden Gesellschaften entfallenden 30 Millionen Mark" bezeichnet. Danach beabsichtigte der Entwurf, im Abs. 2 in erster Reihe diejenigen Gesellschaften zu treffen, deren dauernder geschäftlicher Betrieb auf den Handel mit Grundstücken gerichtet ist. Eine entgegenstehende Auffassung ist auch bei der Beratung des Gesetzes nirgends zum Ausdruck gelangt. In der Reichstagssitzung vom 26. Juni 1913 erklärte auf Anfrage der Kommissar des Bundesrats, unter den Gesellschaften, die den Erwerb oder die Verwertung von Grundstücken betreiben, habe nichts anderes verstanden werden sollen als was § 3 des Zuwachssteuergesetzes vom 14. Februar 1911 unter Gesellschaften verstände, bei denen zum Gegenstande des Unternehmens die Verwertung von Grundstücken gehöre. Hiernach sei Voraussetzung der Steuerpflicht zwar nicht, daß die Verwertung in einer Veräußerung bestehe, es sollten aber anderseits durch die Steuervorschrift nicht getroffen werden Gesellschaften, die zum Zweck ihres Fabrikationsbetriebs Grundstücke erwerben oder die, nachdem derartige Grundstücke zu ihrem Fabrikationsbetriebe gedient hätten, diese Grundstücke, weil sie nicht mehr gebraucht würden, wieder veräußerten. Die amtliche Begründung zum § 3 des Zuwachssteuergesetzes äußert sich S. 34 dahin, der § 3 beziehe sich nicht auf solche Gesellschaften, die gelegentlich der Geschäftsveränderung oder -verlegung oder aus anderen außerhalb der Grundstücksverwertung liegenden Gründen ihren Besitz veräußern und dabei einen Gewinn erzielen. Als Verwertung komme nicht nur die Veräußerung in Frage, sondern auch andere Vorgänge, die in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung der Veräußerung gleichkämen. Ebendahin äußerte sich in der Reichstagskommission der Reichsschatzsekretär (KommBer. Nr. 515 S. 12).

Ferner hat nach dem Kommissionsbericht über die dritte Lesung (Nr. 596 S. 12), der Vertreter des Reichsschatzamts widerspruchslos ausgeführt, unter Veräußerung sei nicht jede nur gelegentliche Veräußerung oder jede bergmännische oder andere Benutzung, sondern nur eine solche zu verstehen, die auf eine Nutzbarmachung des Mehrwertes abziele. Es herrschte in der Kommission darüber Einverständnis, daß z. B. eine Bergwerksgesellschaft auch nicht deshalb als unter § 3 fallend angesehen werden könne, weil sie gelegentlich gezwungen sei, zur Vermeidung des Ersatzes von Bergschäden Grundstücke anzukaufen und dann wieder zu verkaufen. Auch die Entstehungsgeschichte des Zuwachssteuergesetzes ergibt hiernach, daß der Gesetzgeber unter Grundstücksverwertungsgesellschaften solche Gesellschaften verstand, deren Betrieb dahin gerichtet ist, durch handelsmäßige Veräußerung von Grundstücken oder durch ihr wirtschaftlich gleichstehende Geschäfte einen Gewinn zu erzielen. Nicht aber sollten getroffen werden Gesellschaften, die Grundstücke erwerben, um sie zu anderen gewinnbringenden Zwecken zu verwenden, z. B. sie zum Fabrikationsbetriebe zu gebrauchen oder sie durch bergmännische oder ähnliche Ausbeutung zu benutzen. Solcher Gebrauch und solche Benutzung bewirkt nicht, daß Grundstücksverwertung, das ist die Ersetzung des Grundstücks selbst durch seinen Wert, "betrieben", der Grundbesitz mobilisiert wird, führt vielmehr die Grundstücke ihrer Verwendung zu ihrer natürlichen Bestimmung zu, dem Menschen als Mittel zur Erzeugung von Werten und als Quelle solcher Werte zu dienen.

Im vorliegendem Falle, bei dem vom Beklagten nicht behauptet wird, daß die klagende Gesellschaft zur Umgehung von Abgaben errichtet ist, erfolgte der Erwerb der Grundstücke und soll auch der Erwerb der später noch zu kaufenden Grundstücke nur zu dem Zweck erfolgen, sie zur Kaolingewinnung in einer dem bergmännischen Betrieb ähnlichen Art zu benutzen und sie zum Fabrikationsbetriebe zu gebrauchen, letzteres nicht nur in dem Sinne, daß sie als Fabrikationsstätte dienen sollten, sondern auch, um ihnen die zum Fabrikationsbetrieb erforderlichen Rohstoffe zu entnehmen. Daß vielleicht beide Zwecke durch den Erwerb der Grundstücke gleichzeitig erfüllt werden, führt nicht zu der Annahme, daß hier mittels des Betriebes der Gesellschaft das Grundstück durch seinen Wert ersetzt werden soll. Der Betrieb ist nicht dahin gerichtet, unter Wiederaufgabe des Grundstücks selbst dessen Wert im Wege des Umsatzes sich zu eigen zu machen, sondern den Wert der Früchte des Grundstücks, die seiner Bestimmung gemäß zu ziehen sind, durch Ausbeutung und Verarbeitung zu erlangen (§ 99 Abs. 1 BGB.). Auch nach vollendeter Ausbeutung ist das Grundstück kein anderer Gegenstand als das seinerzeit zur Ausbeutung erworbene, mag es auch infolge des Fortfalls des Kaolins geringwertiger geworden sein. Der Berufungsrichter hält den Abs. 2 der Tarifnr. 1 A b hier deshalb für anwendbar, weil die Verwertung eines Grundstücks, die wirtschaftliche Umsetzung des Nutzungswerts des Grundstücks - durch Fruchtziehung oder auf andere Weise - in andere Güter" sei. Der Betrieb ist aber hier nicht auf den Umsatz des Grundstücks selbst, sondern auf den Umsatz der mittels des Grundstücks gewonnenen Früchte und auf den Gebrauch und die Benutzung des Grundstücks gerichtet. Vom Standpunkte des Berufungsrichters aus würde auch der Erwerb von Grundstücken, die lediglich zum Zwecke dauernder landwirtschaftlicher Benutzung gekauft würden, als unter den Abs. 2 fallend anzusehen sein, und es ließe sich überhaupt kaum ein Erwerb denken, bei dem dies nicht zuträfe; denn Grundstücke werden nicht erworben, um sie ungebraucht liegen zu lassen, sondern um aus ihrem Besitze durch Fruchtziehung oder auf andere Weise, z. B. auch durch ihre Veräußerung, Vorteil zu ziehen. Von einer wirtschaftlichen Umsetzung des Nutzungswerts des Grundstücks läßt sich nur reden, wenn das Grundstück selbst - ganz oder zum Teil - gegen ein dem Nutzungswert entsprechendes Entgelt an einen Dritten veräußert wird. Fehlt es hiernach dem Betriebe der Klägerin an dem Merkmale des Grundstückshandels, auch wenn man diesen Begriff im weitesten Sinne des Wortes nimmt, so ist vom Beklagten die Mehrabgabe des Abs. 2 zu Unrecht erhoben und der Unterschiedsbetrag zurückzuzahlen. Daran kann auch der Hinweis des Beklagten auf die Vorschrift des Abs. 4 der Tarifnr. 1 A b nichts ändern, nach der für gewisse Handwerkergesellschaften sich der Stempel von 5 v. H. auf die Hälfte ermäßigt. Diese Gesellschaften bezwecken, wie des näheren der Inhalt des Abs. 4 ergibt, die spätere Veräußerung des zu erwerbenden und zu bebauenden oder fertigzubauenden Grundstücks mit möglichst hohem Gewinne. Bei ihnen handelt es sich also um wirkliche Grundstücksverwertung im Sinne der Steuervorschrift, und ihre Errichtung würde dem vollen Stempel von 5 v. H. unterliegen, wenn nicht das Gesetz selbst aus Billigkeitsrücksichten für sie eine Ausnahme geschaffen hätte."