RG, 21.11.1918 - VI 253/18
Umwandlungsklage. Ist der Ersatzpflichtige für die Dauer der Einziehung des Beschädigten zum Heeresdienste schlechthin von der Rentenzahlungspflicht befreit? Zur Beweislast.
Tatbestand
Der Kläger ist rechtskräftig verurteilt worden, an den Beklagten wegen eines Unfalls auf Grundlage der Annahme, daß er zu 45% erwerbsbeschränkt geworden sei, eine Rente von März 1908 bis zum 63. Lebensjahre zu bezahlen. Der Beklagte ist gelernter Kaufmann und hat den Beruf als Kunstmaler ausgeübt. Seit Mai 1915 war er im Heeresdienst als dauernd garnisondienstfähig bei der Kriegsrohstoffabteilung in Warschau beschäftigt.
Der Kläger hat auf Feststellung geklagt, daß er für die Dauer der Einziehung des Beklagten zum Heeresdienst zur Zahlung der Rente seit dem Tage der Klage nicht verpflichtet sei.
Während das Landgericht nach diesem Antrage erkannte, wies das Kammergericht die Klage ab. Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen
... "Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß, wenn nach dem Unfalle des Beklagten ein davon unabhängiges Ereignis eingetreten wäre, das denselben Schaden ganz oder teilweise verursacht haben würde, die Ersatzpflicht des Klägers insoweit wegfiele. Als solches Ereignis - fährt das Urteil fort - könne an sich auch ein außerhalb der Person des Verletzten liegendes gelten, wie der Krieg und die Einberufung zum Heeresdienst, wenn dadurch für ihn die Verwertung seiner Arbeitskraft ausgeschlossen wurde. Nun falle aber keineswegs für jeden zum Heeresdienst Einberufenen die Möglichkeit zu gewinnbringendem Erwerb weg. Der Inhaber eines kaufmännischen oder gewerblichen Betriebs oder ein Angestellter mit festen Bezügen erziele häufig trotz seiner Einziehung ganz oder teilweise seine bisherigen Einkünfte. Dem Beklagten sei allerdings durch die Einziehung die Möglichkeit eines Erwerbs genommen worden. Daß er sich aber in der vorbezeichneten günstigeren Lage nicht befunden habe, könne die Folge des Unfalls gewesen sein. Der Kläger habe daher darlegen müssen, daß der Beklagte auch ohne den Unfall während seiner Einziehung nicht in der Lage gewesen sein würde, Erwerb zu finden. Die berufliche Ausbildung des Beklagten als gelernten Kaufmanns und Kunstmalers berechtige mehr zu der Annahme, daß er sich ohne den Unfall z. Z. seiner Einziehung bereits in einer günstigeren Lage befunden haben würde. Die Klagebegründung reiche demnach nicht aus.
Mit diesen Erwägungen will das Berufungsgericht sagen, daß die Einziehung zum Heeresdienst dem Betroffenen nicht schlechthin die Möglichkeit entzogen habe, sei es in eigener Person sei es durch Angestellte privaten Verdienst zu finden, sofern er sich einer gewissen günstigen Erwerbslage erfreute. Diese Betrachtung entspricht der vielfachen Beobachtung, daß Kaufleute als unabkömmlich erklärt oder reklamiert wurden; daß sie in der Garnison in dienstfreien Stunden ihren Geschäften nachgehen konnten: daß sie ihr selbständiges Gewerbe durch Angestellte fortführen ließen oder als Angestellte ihr Gehalt ganz oder zum Teil weiter bezogen u. s. f. Insbesondere vermochten Maler als Kriegsmaler neben dem Dienst, der ihnen erleichtert wurde, Geld zu verdienen. Einwandfrei nimmt das Berufungsgericht auch an, daß der Unfall, der für den Beklagten eine Erwerbsbeschränkung von 45% im Gefolge gehabt hat und ihn gehindert haben mag, geschäftlich oder künstlerisch in die Höhe zu kommen, die Ursache gewesen sein könne, daß er jener bevorzugten Erwerbslage nicht teilhaftig geworden sei.
Die Auffassung des Berufungsgerichtes ist mithin unbedenklich, daß der Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht habe, daß der Beklagte infolge der Einziehung auch ohne den Unfall die Möglichkeit eines Erwerbs verloren haben würde, also eine wesentliche Änderung der für die Verurteilung des Klägers maßgebenden Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO. eingetreten sei.
Die Revision macht geltend, die Beweislast müsse sich hier umkehren. Der Beklagte behaupte, er würde ohne den Unfall völlig gesund sein. Solchenfalls wäre er als kriegsverwendungsfähiger Landsturmmann trotz seiner 44 Jahre an die Front oder in eine militärische Stellung gekommen, die ihm einen Nebenverdienst mit eigenen Kräften gar nicht gestattet haben würde. Diesen regelmäßigen Verhältnissen gegenüber falle dem Beklagten der Beweis für die Abweichung zu.
Dieser Angriff kann keinen Erfolg haben. Wenn auch in der überwiegenden Mehrzahl der Fülle selbst alte Landsturmleute während des Heeresdienstes keine Gelegenheit zu persönlichem Erwerb gehabt haben, so sind doch anders liegende Fälle in verhältnismäßig großer Zahl vorgekommen. Von einer Umkehrung der Beweislast kann daher keine Rede sein, sondern es handelt sich höchstens darum, ob die tatsächliche Vermutung für die erstere Gestaltung so stark ist, daß der Kläger weiteren Beweises enthoben wird und der Beklagte diese Vermutung zu zerstören hat. Hierüber hatte das Berufungsgericht zu befinden, das aber nicht der Meinung der Revision ist, sondern von einem "häufigen" Privaterwerb eingezogener Kaufleute oder Angestellter spricht." ...