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RG, 23.11.1881 - I 90/81

Daten
Fall: 
Ausstehende Aktienbeträge
Fundstellen: 
RGZ 7, 83
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.11.1881
Aktenzeichen: 
I 90/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt a.O.
  • KG Berlin

Eine Kommanditaktiengesellschaft hatte eigene bereits ausgegebene Aktien erworben und wieder verkauft. Haftet der Käufer derselben für die ausstehenden Aktienbeträge? Kann bei diesem Verkaufe - anders wie bei der Aktienzeichnung - die Wirkung solcher Haftung ausgeschlossen werden?

Tatbestand

In dem Statute der Kommanditaktiengesellschaft Niederlausitzer Kreditgesellschaft Z. u. Co. war bestimmt, daß jeder Erwerber einer Aktie für die Verpflichtungen des Zeichners haftbar werde. Nachdem die Gesellschaft in Konkurs verfallen, nahm die Konkursmasse den Beklagten auf Zahlung von 75 % des Nominalbetrages von acht Gesellschaftsaktien à 200 Thlr. Nominalbetrag in Anspruch, weil er diese Aktien, die von einem Anderen gezeichnet worden, aber wieder in die Verfügung der Gesellschaft gelangt waren, von der Gesellschaft im Jahre 1873 gekauft und durch Aushändigung von acht Interimsscheinen über je 25 % Einzahlung gegen Zahlung zunächst dieser 25 % und eines Agios über den Nominalbetrag hinaus übergeben erhalten habe, der Übergang der acht Aktien auf ihn auch im Aktienbuche sich eingetragen finde. Beklagter räumte die Übergabe der acht Interimsscheine und die behauptete Zahlung ein. Er behauptete aber, er habe nur zwei Aktien kaufen wollen und jene acht Interimsscheine nur wegen der Angabe der Vertreter der Bank, augenblicklich Vollaktien nicht vorrätig zu haben, und gegen deren Verpflichtung, jederzeit diese Interimsscheine in zwei Vollaktien umzutauschen, angenommen. Seine Zahlung stelle daher den vollen Kaufpreis dar. Zum Beweise produzierte er eine quittierte Verkaufsrechnung der Bankvertreter, lautend "über 400 Thlr. unserer Aktien", unter Auswerfung deren Nominalbetrages mit Agio des Kaufpreises. Die Eintragung in das Aktienbuch sei ohne seinen Willen und der Abmachung zuwider geschehen.

Aus den Gründen

"Auch wenn man das von dem Beklagten mit der in Konkurs verfallenen Gesellschaft geschlossene Geschäft dahin auffassen will, es habe der Gegenstand des Kaufvertrages nicht in zwei vollgezahlten oder als vollgezahlt gesetzten Aktien, sondern in acht Aktien, auf welche zunächst nur 25 % eingezahlt, also auch zunächst nur diese einschließlich des Kurses über Pari zu vergüten waren, bestanden, es habe aber zugleich bei diesem Geschäfte die Gesellschaft die Verpflichtung übernommen, und zwar als Bedingung jenes Erwerbes, dem Beklagten auf dessen Verlangen die acht Aktien in zwei Vollaktien umzutauschen, so erscheinen doch die Ausführungen nicht zutreffend, mit denen der zweite Richter diese beiden ineinandergreifenden Abreden trennen, die Einheitlichkeit des gedachten Geschäftes zerstören, den Beklagten bei dem Erwerbe von acht Aktien unter Ziehung von Konsequenzen lediglich aus solchem Erwerbe festhalten, ihn aber wegen Nichterfüllung der von der Gesellschaft übernommenen Verpflichtungen auf eine Konkursforderung auf Schadensersatz verweisen will.

Offenbar war der Sinn des Geschäftes bei solch er Auffassung, daß Beklagter auf sein Verlangen jederzeit mittels Umtausches von weiteren Einzahlungen entbunden und seine Beteiligung auf nur zwei Aktien, für welche die geleisteten Einzahlungen Vollzahlung darstellten, eingeschränkt werden sollte.

Aus konkursrechtlichen Grundsätzen läßt sich nun keine Beseitigung der Einheitlichkeit eines solchen Rechtsgeschäfts herleiten. Vielmehr bestimmt der §.16 der preuß. Konkursordnung vom 8. Mai 1855, daß die Konkursgläubigerschaft, wenn sie in ein von beiden Teilen noch nicht oder nicht vollständig erfülltes Rechtsgeschäft eintreten will, dies nur unter vollständiger Erfüllung auch der dem Gemeinschuldner dem Gegenkontrahenten gegenüber obliegenden Verpflichtungen thun, nicht aber Erfüllung von Gegenkontrahenten fordern und diesen wegen seines Erfüllungsanspruches auf die tributarische Befriedigung seines Interesseanspruches als Konkursgläubiger verweisen kann. Faßt man mit dem zweiten Richter die Abrede des Umtausches im Sinne einer den Aktienverkauf auflösenden Bedingung auf, so bedarf es nicht einmal einer Heranziehung des §. 16 a. a. O. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß die Gläubigerschaft, die das Vertragsrecht des Gemeinschuldners geltend machen will, sich auch die von diesem für gedachtes Recht bewilligten Einschränkungen und Bedingungen entgegensetzen lassen muß. Aber auch wenn man der Verpflichtung zum Umtausche nicht die Bedeutung einer den Aktienkauf auflösenden Bedingung, sondern nur die einer mit der Kaufabrede eng zusammenhängenden, für die Einwilligung in den Aktienkauf wesentlichen Ausbedingung beimißt, so folgt allerdings aus §. 16 a. a. O., der anwendbar ist, auch wenn die "gegenseitigen Leistungen" nicht gerade in der inneren Wechselbeziehung von Leistung zu Gegenleistung stehen, daß die Konkursmasse, wenn sie aus dem Aktienerwerbe die Zahlung der noch ausstehenden Aktienbeträge fordern will, auf Verlangen des Beklagten dagegen die Erfüllung des Umtausches, das ist gerade die Befreiung des Beklagten von jenen ausstehenden Beträgen, gewähren muß, daß sie also vom Beklagten etwas fordert, was sie, den Empfang vorausgesetzt, demselben wieder zurückgeben müßte.

Es kann sich daher nur fragen, ob etwa von Grundsätzen des Aktienrechtes aus der Ausbedingung des Umtausches die Wirksamkeit einer Einschränkung der Verpflichtungen aus dem Aktienerwerbe zu versagen ist. Hierbei kann zunächst die Frage auf sich beruhen, ob eine Verpflichtung zum Umtausch seitens der Gesellschaft in Bezug auf ihre eigenen Aktien mit dem gewollten Erfolge einer Herabminderung der aus der bisherigen Aktionäreigenschaft sich ergebenden Verpflichtungen, für sich allein betrachtet, rechtlich wirksam wäre. Auch wenn man diese Frage verneint, so würde nach allgemeinen Grundsätzen die Setzung solcher Verpflichtung als Bedingung oder auch nur als eines neben dem Aktienerwerbe geltenden, dem Erwerbsvertrage zugehörigen wesentlichen Bedingnisses nicht die Wirkung haben können, daß der Erwerb ohne jene Vereinbarung gelte, sondern nur die, daß die Unwirksamkeit jener Vereinbarung den ganzen Erwerbsvertrag ergriffe (vgl. A.L.R. I. 5. §. 223).

Aus Grundsätzen des Aktienrechtes läßt sich aber eine Auffassung, wonach dem Willen der Kontrahenten zuwider der Zusammenhang der Verpflichtungen ignoriert, dem Aktienerwerbe eine uneingeschränkte Wirkung verliehen, der zugleich vereinbarten Einschränkung aber keine Bedeutung oder nur die der Erzeugung eines ganz für sich bestehenden Interesseanspruches beigemessen würde, für einen Fall, wie den vorliegenden, nicht herleiten.

Der Beklagte hat die fraglichen Aktien nicht gezeichnet. Auf Grund der Zeichnung eines Anderen, durch welche der entsprechende Nachweis des Grundkapitales geführt worden sein muß, waren sie entstanden, und Beklagter soll diese Aktien von der Gemeinschuldnerin, welche auf irgend einem Wege zur Verfügung über dieselben gelangt war, gekauft haben. Für die Aktienzeichnung gelten wegen der diesem Akte vom Gesetze beigemessenen Funktion besondere von den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechtes nicht beherrschte Gesichtspunkte, wie dies in Entsch. d. R.G.'s in Civils. Bd. 2 S. 130 flg. näher dargelegt ist. Ganz wesentlich verschieden von der Aktienzeichnung nach denjenigen Richtungen, welche für deren Beurteilung in gedachter Hinsicht ausschlaggebend sind, ist der Erwerb bereits ausgegebener Aktien von der Gesellschaft. Beim Mangel einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung liegt ein Anhalt für die Annahme, es müsse jeder Aktienerwerb, bezw. jeder Eintritt als Aktionär, den dabei getroffenen ausdrücklichen Abmachungen und Einschränkungen zuwider, die Wirkung unbedingter und uneingeschränkter Verpflichtung als Aktionär haben, am allerwenigsten bei der Kommanditaktiengesellschaft, um welche es sich hier handelt, vor, bei welcher nur für den ursprünglichen Zeichner - Art. 184 H.G.B. - die Bestimmung ausdrücklich getroffen ist, daß er seiner Verbindlichkeit gegen die Gesellschaft nicht entlassen werden könne.

Den Rechtsgrund der Verpflichtung als Aktionär aber im Gegensatze zu dem auf deren Begründung gerichteten Rechtsgeschäfte, bei welchem eben alle Abmachungen zu berücksichtigen sind, in bloßen Thatsachen und deren unabweislichen gesetzlichen Folgen finden zu wollen, erscheint unzutreffend. Es wird für die Kommanditaktiengesellschaft bezweifelt, ob selbst im Falle der Eintragung des neuen Erwerbers im Aktienbuche - die Einwilligung desselben hierzu natürlich vorausgesetzt - eine Verpflichtung desselben für den noch ausstehenden Betrag der Aktien gegen die Gesellschaft entsteht.1

Jedenfalls aber entsteht eine solche nicht schon durch die bloße Thatsache des Erwerbes der Aktie, sodaß etwa schon infolge der Thatsache der Veräußerung seitens des Zeichners oder eines anderen Aktionärs die Gesellschaft Rechte gegen den Erwerber, insbesondere unter Ignorierung entgegenstehender Abmachungen zwischen Veräußerer und Erwerber, herleiten könnte. Will man im Falle des Erwerbes von der Gesellschaft selbst, deren Aktien es sind, mit oder ohne Zuhilfenahme konkludenter Genehmigung zur Eintragung im Aktienbuche, eine Verpflichtung des Erwerbers gegen die Gesellschaft annehmen, so kann es immer nur auf Grund der Auslegung des dem betreffenden Erwerbe zu Grunde liegenden Willens geschehen. Ob man das Wesen des Verpflichtungsgrundes in der rechtsgeschäftlichen Eigenschaft des Aktienerwerbes als Kauf oder in einer davon unabhängigen Übernahme einer Verpflichtung als Aktionär finden will, immer liegt der Rechtsgrund in einem rechtsgeschäftlichen, ausdrücklich oder konkludent erklärten Willen, bei dem eine Berücksichtigung alles Erklärten stattfinden muß. Die Bestimmung des Statutes der Gemeinschuldnerin aber, wonach jeder Erwerber einer Aktie für die Verpflichtungen des Zeichners haftbar werden sollte, muß ganz außer Betracht bleiben, da der Beklagte nicht jener Bestimmung des Statutes unterworfen sein kann, wenn er unter von jener Bestimmung abweichenden, von der Gesellschaft ihm zugestandenen Bedingungen Aktien von derselben erworben hat.

Es liegt aber überhaupt keine Nötigung vor, die Behauptungen des Beklagten im Sinne eines Kaufes von acht Aktien mit Befugnis zum Umtausch in zwei Aktien zu verstehen. Viel natürlicher erscheint ihr Verständnis dahin, er habe einen Kauf nur über 400 Thaler Aktien - also zwei vollgezahlte - abgeschlossen, ihm seien aber in Erfüllung vorläufig, weil solche Aktien augenblicklich nicht vorrätig waren, vorbehaltlich demnächstigen Umtausches acht Interimsscheine über je 25 % Einzahlung übergeben worden." ...
(Es folgt nun die Ausführung, daß es der Vernehmung des Bankvertreters über die der Verkaufsrechnung zu Grunde liegende Abmachung bedürfe, da in Rücksicht auf das mehrjährige Behalten der Interimsscheine seitens des Beklagten und die erwiesene Eintragung des Erwerbes der acht Aktien durch die Verkaufsrechnung allein die Behauptung des Beklagten noch nicht außer Zweifel gestellt sei.)

  • 1. Vgl. Renaud, Recht der Kommanditgesellschaften S. 737 gegen Entsch. d. R.O.H.G.'s Bd. 6 S. 149. Vgl. Bd. 3 Nr. 46 S. 162.