RG, 05.11.1918 - II 243/18

Daten
Fall: 
Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter
Fundstellen: 
RGZ 94, 106
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.11.1918
Aktenzeichen: 
II 243/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter. Berücksichtigung des Geschäfts- oder Firmenwerts.

Tatbestand

Die jetzt vom Beklagten unter der Firma E. P. Berger betriebene Großbuchbinderei wurde vom Schwager des Klägers begründet, nach dessen Tode vom Kläger einige Zeit weitergeführt und dann an den Beklagten verkauft, der durch Vertrag vom 8. März 1895 den Kläger als stillen Gesellschafter in das Geschäft aufnahm. Der Beklagte kündigte das Gesellschaftsverhältnis auf den 30. Juni 1917. Für die Auseinandersetzung stellte er die in der Klaganlage wiedergegebene Bilanz auf und zahlte dem Kläger als Guthaben 19364 M, die dieser unter Vorbehalt annahm. Die Bilanz war nach denselben Grundsätzen aufgestellt, die regelmäßig bei den Jahresbilanzen des Geschäfts beobachtet waren. Der Kläger erklärte dies für ungenügend. Mit der Klage beantragte er, den Beklagten zu verurteilen, 1. ihm eine vollständige Aufnahme der Geschäftsbestände und eine die wahren Werte, namentlich auch den Wert des Geschäfts und der Firma enthaltende Auseinandersetzungsbilanz für den 30. Juni 1917 vorzulegen, 2. das hieraus sich ergebende Guthaben im Betrage von mindestens 50000 M mit 5% Zinsen seit dem Juli 1917 auszuzahlen.

Das Landgericht erließ über den Antrag 1 ein Teilurteil, wodurch es den Beklagten verurteilte, die Bilanz der Klaganlage in der Weise zu ergänzen, daß sie eine vollständige Aufnahme der Bestände und deren wahren Wert enthalte; mit dem Anspruch auf Berücksichtigung des Geschäftswerts und des Wertes der Firma wies es den Kläger ab. Hiergegen legten beide Parteien Berufung ein. Das Oberlandesgericht wies das Rechtsmittel des Beklagten zurück. Auf die Berufung des Klägers änderte es das erste Urteil dahin, daß auch der Wert des Geschäfts und der Firma aufgenommen werden sollte.

Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Gründe

Mit Recht gehen die Vorinstanzen davon aus, daß der nach den Regeln der alljährlichen Gewinnverteilungsbilanzen aufgenommene Abschluß für die Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter nicht maßgebend sein kann. Haben die Parteien nicht das Gegenteil vereinbart, so müssen die gesamten Vermögensgegenstände nach ihrem wahren Werte eingestellt werden. Der Beklagte hatte eine solche gegenteilige Vereinbarung in § 11 des Vertrags vom 8. März 1895 finden wollen. § 11 spricht aber nur von dem Falle, wenn einer der Gesellschafter stirbt. Die Ausdehnung der dort getroffenen Regelung auf den Kündigungsfall ist ohne Rechtsirrtum verneint worden. ...

Hauptsächlich tadelt die Revision die Berücksichtigung des Geschäfts- und Firmenwerts. Das Berufungsgericht hat dahingestellt gelassen, ob ein solcher Wert bei Auflösung einer stillen Gesellschaft grundsätzlich als Posten der Auseinandersetzungsbilanz einzustellen sei. Hier sei dies nötig mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles. Der Kläger habe die gleiche Summe (18000 M) eingelegt wie der Beklagte, sei im gleichen Maße wie dieser am Gewinn und Verluste beteiligt gewesen, die Überwachung des kaufmännischen Teiles habe ihm obgelegen, er habe dem Geschäfte bare Darlehen und durch Hingabe seiner Wechselakzepte Bankkredit verschafft. Seine Beteiligung sei mithin über das gewöhnliche Maß der Beteiligung eines stillen Gesellschafters weit hinausgegangen und habe seine Stellung der eines offenen Gesellschafters nahe gerückt. Es sei anzunehmen, daß die günstige Vermögenslage, zu der sich das anfänglich schlecht gehende Geschäft im Laufe der Jahre emporgearbeitet habe, zu einem nicht geringen Teile auf seine Tätigkeit zurückzuführen sei. Deshalb müsse der jetzt vorhandene Geschäfts- und Firmenwert, zu dessen Schaffung sicherlich auch die mit seiner Zustimmung alljährlich vorgenommenen beträchtlichen Abschreibungen und die dadurch erzielten stillen Reserven beigetragen hätten, als Ergebnis des gemeinsamen Wirkens beider Parteien angesehen werden. Es sei daher unbillig, den Kläger bei der Auseinandersetzung an diesem Geschäftswerte nicht teilnehmen zu lassen, übrigens hätten die Parteien längere Zeit hindurch einen Aktivposten für den Firmenwert in die Jahresbilanzen eingestellt.

Die Revision wendet ein, es sei nicht ersichtlich, was das Berufungsgericht unter dem Geschäfts- und Firmenwerte verstehe, wenn es davon spreche, daß dieser Wert auch durch die jährlichen Abschreibungen mitgeschaffen worden sei. Jedenfalls entbehre der Anspruch des Klägers auf Aufnahme eines solchen Wertes der gesetzlichen Grundlage. Allgemeine Billigkeitserwägungen vermöchten die Grundlage nicht zu ersetzen. Der Beklagte werde aber auch gerade vom Standpunkte des Berufungsgerichts aus höchst unbillig beschwert. Danach solle er dem Kläger einen Anteil an dem unter Streichung der Abschreibungen ermittelten wahren Werte der einzelnen Aktiven gewähren und ihm außerdem noch für die Abschreibungen einen Ertraggegenwert bezahlen. Auch übersehe das Berufungsgericht, daß er vertragsmäßig verpflichtet gewesen sei, für eine Vergütung von nur 2500 M seine ganze Tätigkeit dem Geschäfte zu widmen.

Der Angriff der Revision kann keinen Erfolg haben. Mit Geschäfts- oder Firmenwert ist der Wert des Unternehmens als solchen gemeint, der über den Wert der einzelnen Aktiven hinausgeht. Versteht man unter Unternehmen die durch gewerbliche Tätigkeit geschaffene Organisation des Betriebes und gesicherte Absatzgelegenheit, so ist klar, daß es sich um einen selbständigen Posten der Abschichtungsbilanz handelt (vgl. Pisko, Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs S. 15 flg., 86 flg., in Ehrenbergs Handbuch Bd. 2 S. 195 flg.; Düringer-Hachenburg, HGB. §138 Anm. 11). Das Reichsgericht hat denn auch schon entschieden, daß der Ansatz eines besonderen Geschäftswertes mit der Schätzung der Aktiva nach ihrem wahren Werte sehr wohl vereinbar ist (Warneyer 1909 Nr. 138). Beabsichtigt ist mithin nicht, wie die Revision befürchtet, dem Beklagten denselben Gegenstand doppelt in Rechnung zu stellen. Vielmehr gilt es, die greifbaren Aktiva (Maschinen, Werkzeuge, Utensilien, Schriften, Platten) durch Ermäßigung der zu starken Abschreibungen auf ihren wahren Wert zu erhöhen und darüber hinaus dem in dem Unternehmen als solchem steckenden Werte -- wenn ein solcher hier überhaupt schätzbar sein sollte -- den gebührenden Platz in der Bilanz anzuweisen.

Überall da, wo ein besonderer Geschäftswert (Firmenwert) zu ermitteln ist, muß er bei der Auseinandersetzung auch berücksichtigt werden. Zur Rechtfertigung dieses Satzes bedarf es keiner Billigkeitserwägungen, wie sie das Berufungsurteil enthält. Wenn sich im vorliegenden Falle die Stellung des Klägers im Innenverhältnis der eines offenen Gesellschafters genähert hat, so zeigt das nur, daß die Nichtbeachtung des etwaigen Geschäftswertes hier besonders ungerecht wirken würde. Die Notwendigkeit der Beachtung folgt aber allgemein aus dem Grundsatze, daß die Berechnung des Guthabens des Ausscheidenden unter Zugrundelegung des gesamten Geschäftsvermögens erfolgt. Der § 738 Abs. 2 BGB., wonach der Wert des Gesellschaftsvermögens, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln ist, muß auch auf die stille Gesellschaft, bei der es ein Gesellschaftsvermögen im Rechtssinne nicht gibt, entsprechend angewendet werden. Es war deshalb verfehlt, wenn das Landgericht die Einstellung des Geschäftswertes in die Bilanz deshalb für ausgeschlossen erachtete, weil es sich hier um eine stille Gesellschaft handelt. Ausgeschlossen mag die Berücksichtigung des Geschäftswerts bei Genossenschaften sein, da § 73 Abs. 2 GenG. die Auseinandersetzung "auf Grund der Bilanz" vorschreibt und damit nur die für die Gewinn- und Verlustverteilung maßgebende Bilanz im Sinne haben kann (vgl. RGZ. Bd. 32 S. 93, Bd. 68 S. 1; Pisko, Unternehmen S. 88 Anm. 28). Im übrigen begründet die Form der Gesellschaft keinen Unterschied."