RG, 01.11.1918 - III 190/18

Daten
Fall: 
Erfordernisse der Vinkulierung bei Lieferungsgeschäften
Fundstellen: 
RGZ 94, 94
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.11.1918
Aktenzeichen: 
III 190/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Erfordernisse der Vinkulierung bei Lieferungsgeschäften zwischen Militärbehörden und inländischen Kaufleuten.

Tatbestand

Das Proviamtamt in Th. kaufte im August 1914 von dem Kaufmann F. in K. 40 Tonnen gelbe Bohnen. Die Übersendung der Bohnen erfolgte durch die Klägerin. Diese schrieb am 17. Oktober 1914 dem Proviantamte, daß sie 280 Sack gelbe Bohnen an das Proviantamt verladen habe, ihm die Faktura übersende und den Betrag durch die Ostbank für Handel und Gewerbe auf das Proviantamt entnommen habe. Der Brief enthält weiter folgenden Satz:

"Die Frachtbriefduplikate werden Ihnen durch die Ostbank für Handel und Gewerbe zugesandt werden, wogegen Sie gefl. obigen Betrag zahlen wollen."

Auf der diesem Briefe beigefügten Rechnung befand sich der von J. unterzeichnete Vermerk: "Ich bitte Sie, obigen Betrag zur Verfügung des Herrn S. hierselbst zu halten und an denselben gegen Duplikatfrachtbrief zu bezahlen." Das Proviantamt sandte darauf am 26. Oktober 1914 dem J. einen Quittungsentwurf zur Unterzeichnung, auf dem mit Bleistift vermerkt war:

"Bitte unterschreiben und baldigst zurücksenden. Betrag für Firma S. in K. an Ostbank hier gezahlt. Proviantamt."

J. vollzog diese Quittung und sandte sie dem Proviantamt ein. Auch die Klägerin übersandte eine von ihr ausgestellte Quittung der Ostbank zwecks Herausgabe an das Proviantamt. Das Proviantamt leistete jedoch die Zahlung nicht, stellte vielmehr eine Schadensersatzforderung, die es wegen Nichterfüllung eines mit J. geschlossenen Vertrags über die Lieferung von 60 t grüner Erbsen an J. zu haben behauptet, zur Aufrechnung. Die Klägerin erkannte die Berechtigung des Beklagten zur Aufrechnung mit dieser Forderung gegen J. nicht an, da sie ein selbständiges Recht auf die Bezahlung der von ihr gelieferten Bohnen habe, und forderte aus eigenem Rechte und kraft der an sie erfolgten Abtretung des Anspruchs des J. die Zahlung des Kaufpreises für die gelieferten Bohnen.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten gemäß dem Klagantrage. Das Berufungsgericht dagegen wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Das Berufungsgericht erklärt die Aufrechnung des Beklagten mit der ihr gegen J. zustehenden Forderung gegenüber der Klageforderung für zulässig, weil die Klägerin diese Forderung nur auf Grund der ihr von J. erteilten Vollmacht und Abtretung, nicht aus ursprünglich eigenem Rechte geltend machen könne. Die Klägerin habe nicht klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die dem Beklagten übersandte Ware "vinkulieren" wolle, d. h. daß sie ihre angeblichen Rechte daran nur unter der Bedingung der Zahlung an sie selbst aufgeben wolle. Ihr Schreiben vom 17. Oktober 1914 lasse nicht erkennen, daß sie das Verfügungsrecht über die Ware beanspruche und bis zur vorbehaltlosen Zahlung behalten wolle. Aus dem Eingange des Schreibens: "Ich verlud an Ihre werte Adresse ... und überreiche ich Ihnen anliegend Faktura", in dem auf eine von J. ausgeschriebene Rechnung verwiesen werde, lasse sich wohl entnehmen, daß die Verladung von der Klägerin auf Veranlassung und im Austrage des J. ausgeführt werde, das Proviantamt habe aber keine Veranlassung gehabt, das Schreiben in dem von der Klägerin behaupteten Sinne aufzufassen, zumal vorher immer nur J. die Stellung von Wagen für die Sendung beantragt habe. Daß das Proviantamt den J. für den Verfügungsberechtigten gehalten habe, gehe daraus hervor, daß es diesem einen Quittungsentwurf über die Zahlung des Kaufpreises zugesandt habe. Auch der von J. auf die Rechnung gesetzte Vermerk, der das Rechtsverhältnis zwischen J. und der Klägerin nicht zu erkennen gebe, habe das Proviantamt zu keiner anderen Auffassung führen können, als daß J. es ermächtige, an die Klägerin zu zahlen.

Die Revision, rügt die Verletzung des § 157 BGB. und führt aus, daß das Schreiben der Klägerin vom 17. Oktober 1914 mit voller Klarheit ergebe, daß sie als Dritte in das bisher von J. behandelte Geschäft eintrete, daß sie die Ware für eigene Rechnung liefere, und zwar nur gegen Zahlung an ihre Zahlungsempfängerin, die Ostbank.

Dieser, Angriff ist nicht begründet. Wenn die Klägerin in das von J. mit dem Beklagten abgeschlossene Geschäft ihrerseits an Stelle des J. eintreten oder wenn sie doch die Erfüllung dieses Geschäfts an Stelle des J. übernehmen und dabei zur Bedingung machen wollte, daß der Kaufpreis unter allen Umständen an sie gezahlt werden sollte, so mußte sie dies mit voller Klarheit und Schärfe zum Ausdruck bringen. Denn sie schlug alsdann einen Weg ein, der nach den obwaltenden Verhältnissen gegenüber der Militärbehörde als ein ganz außergewöhnlicher bezeichnet werden muß. Dafür, daß die Klägerin völlig als Selbstverkäuferin, unter Ausschaltung des J., in dessen Lieferungsvertrag mit dem Proviantamt eingetreten wäre, besteht nach dem Briefe vom 17. Oktober 1914 nicht der geringste Anhalt. Die Klägerin schreibt nicht etwa, daß sie die Ware liefern wolle, sondern daß sie sie verladen habe; welches Recht ihr an der verladenen Ware zustehe, ist in keiner Weise angedeutet. Wollte aber die Klägerin, ohne in den Kaufvertrag einzutreten, nur die Ware unter der Bedingung der Zahlung des Preises an sie anbieten, sie "vinkulieren", so würde sie die Gepflogenheiten, welche im allgemeinen nur in dem Handelsverkehr zwischen dem deutschen Kaufmanne, der aus dem Auslande Getreide ober andere Waren bestimmter Art bezieht, und seinen Lieferanten im Osten vorzukommen pflegen, auf den Geschäftsverkehr zwischen dem inländischen Kaufmann und der Behörde ausdehnen. Sie war aber nicht berechtigt, anzunehmen, daß die Militärbehörde eine solche Vinkulierungsabsicht ohne weiteres erkennen und sich eine Einmischung des Dritten, wie der deutsche Importhandel sie bei der Art des Geschäftsverkehrs mit den östlichen Ländern notgedrungen hinnehmen muß, gefallen lassen würde. Im Verkehr mit Militär- und sonstigen staatlichen Behörden ist eine solche Vinkulierung durchaus ungewöhnlich. Der geschäftliche Verkehr mit den Behörden erfordert einfache, klare Formen. Die selbstverständliche, unbezweifelte Zahlungsfähigkeit des Reichs oder Staates überhebt die Behörde der Notwendigkeit, sich verwickelten und unklaren Bedingungen zu unterwerfen. Damit mußte die Klägerin rechnen, und sie war daher verpflichtet, ihre Absicht, die Ware zu "vinkulieren", derart bestimmt zu erklären, daß sie für die Person des anderen, hier also einer Behörde, bei deren Beamten die Vertrautheit mit den Gepflogenheiten des Importhandels nicht vorauszusetzen war, unzweifelhaft erkennbar war. Dies hat sie, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, nicht getan. Daraus, daß die Klägerin die Ware verlud, war dies schlechterdings nicht zu entnehmen. Aber auch daraus ergab sich dies nicht ohne weiteres, daß die Klägerin die Zahlung an sie gegen Aushändigung der Duplikatfrachtbriefe forderte. Diese Mitteilung besagte nicht, aus welchem Rechte die Klägerin die Zahlung an sie forderte; sie ließ das Verhältnis zwischen ihr und J. im Dunkeln und nötigte den Beklagten nicht, bei seinen Maßnahmen auf dieses Verhältnis Rücksicht zu nehmen. Das Proviantamt begnügte sich damit, die Zahlung des Kaufpreises an die Klägerin in Aussicht zu nehmen, da J. damit einverstanden war, sah aber nach wie vor den J. als den Zahlungsberechtigten an, und forderte daher von diesem die Quittung über den Kaufpreis. Diese Auffassung des Proviantamts kann bei der Lage der Verhältnisse nach Treu und Glauben nur als gerechtfertigt erscheinen.

Danach ist der Beklagte nicht behindert, eine Forderung, die ihm aus der weiteren Geschäftsverbindung mit J. gegen diesen erwachsen ist, gegen die Klageforderung, die nur aus dem Rechte des J. begründet ist, nach Maßgabe des § 406 BGB. zur Aufrechnung zu stellen." ...