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RG, 14.12.1883 - III 274/83

Daten
Fall: 
Bestellung einer Hypothek vor Berichtigung des Grundbuches
Fundstellen: 
RGZ 11, 250
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.12.1883
Aktenzeichen: 
III 274/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kassel
  • OLG Kassel

Kann der eingetragene Eigentümer eines Grundstückes nach der Ausführung des endgültig festgestellten Auseinandersetzungsplanes und nach der Überweisung des an Stelle jenes Grundstückes tretenden Abfindungsplanes vor Berichtigung des Grundbuches eine Hypothek bestellen?

Tatbestand

Die Gemarkung von Zwergen befindet sich seit 1873 im Auseinandersetzungsverfahren. Dasselbe war Anfang 1883 soweit gediehen, daß der Auseinandersetzungsplan endgültig festgestellt und die Überweisung der Abfindungsplane an die neuen Besitzer erfolgt war. Die in §. 2 des Gesetzes vom 26. Juni 1875 vorgesehene Fortschreibung der Grundsteuer und folgeweise auch die Berichtigung des Grundbuches nach §. 3 des Gesetzes konnte jedoch zur Zeit und voraussichtlich auch während mehrerer Jahre nicht erfolgen, weil der noch nicht geordnete Zustand des Katasterwesens Schwierigkeiten bereitet.

Vor endgültiger Festsetzung des Auseinandersetzungsplanes und Überweisung der Abfindungsgrundstücke hatte die Beklagte durch Beschluß vom 23. November 1881 dem Kläger zugesichert, ihm gegen Verpfändung seines im Grundbuche von Zwergen Fol. 62 eingetragenen Grundbesitzes und gegen Aushändigung eines den gestellten Bedingungen entsprechenden Hypothekenbriefes ein Darlehn von 1600 M zu geben. Als der Kläger die Hypothek an seinen im Grundbuche Fol. 62 eingetragenen Grundstücken bestellen und den Hypothekenbrief ausfertigen lassen wollte, erklärte ihm die Beklagte, daß sie nicht in der Lage sei, ihm das zugesagte Darlehn gegen Verpfändung der gedachten Grundstücke zu gewähren, weil er nach Überweisung der neuen Pläne in Gemäßheit des §. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1875 das Eigentum an diesen erworben habe, dadurch die alten Grundstücke untergegangen und deshalb vor Berichtigung des Grundbuches weder die alten, noch die neuen Grundstücke verpfändet werden könnten. Der Kläger, von der Ansicht ausgehend, daß, trotz der endgültigen Feststellung des Auseinandersetzungsplanes und Überweisung der Abfindungspläne, eine Hypothek von ihm noch an dem alten Besitzstände bestellt werden könne, hat Klage erhoben mit dem Antrage, die Beklagte zu verurteilen, ihm 1600 M gegen Errichtung einer Hypothek an seinen im Grundbuche von Zwergen Fol. 62 eingetragenen Grundstücken und gegen Aushändigung des bedungenen Hypothekenbriefes zu zahlen.

Das Landgericht hat dem Klagantrage gemäß erkannt, das Oberlandesgericht die von der Beklagten erhobene Berufung verworfen.

Die von der Beklagten eingelegte Revision ist zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Da unter den Parteien feststeht, daß die Beklagte dem Kläger versprochen hat, ihm ein Darlehn von 1600 M gegen Verpfändung seines im Grundbuche von Zwergen Fol. 62 eingetragenen Grundbesitzes und gegen Aushändigung einer den in Anlage B der Klageschrift enthaltenen Bedingungen entsprechenden Schuldurkunde auszuzahlen, da ferner der Kläger bereit ist, diesen Bedingungen zu genügen und die Weigerung der Beklagten, dem Kläger das ihm zugesagte Darlehn zu gewähren, nur darauf beruht, daß sie die Befugnis des Klägers, eine Hypothek an dem bezeichneten Grundbesitze zu bestellen, bestreitet, nachdem in dem Auseinandersetzungsverfahren von Zwergen der Auseinandersetzungsplan endgültig festgestellt worden und eine Überweisung der neuen Abfindungsplane stattgefunden hat, so hängt die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites von der Beantwortung der Frage ab, ob der im Grundbuche eingetragene Eigentümer eines Grundstückes, welches zu einer Gemarkung gehört, welche sich im Auseinandersetzungsverfahren befindet, nach Ausführung des endgültig festgestellten Auseinandersetzungsplanes, aber vor Berichtigung des Grundbuches, befugt ist, eine Hypothek an dem im Grundbuche eingetragenen Grundstücke zu bestellen.

Das Oberlandesgericht hat diese Frage, in Übereinstimmung mit dem Landgerichte, bejaht. Diese Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, insbesondere sind die von der Revisionsklägerin dagegen erhobenen Angriffe nicht begründet.

Da nach den §§. 18. 19 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb etc das Recht der Hypothek durch die Eintragung im Grundbuche entsteht und die Eintragung erfolgt, wenn der eingetragene Eigentümer sie bewilligt, so kann zunächst formell kein Bedenken obwalten, daß der Kläger, da er als Eigentümer des auf Fol. 62 des Grundbuches von Zwergen verzeichneten Grundbesitzes noch eingetragen ist, an diesem Grundbesitze eine Hypothek bestellen kann. Aber auch materiell stehen dieser Befugnis keine Bedenken entgegen. Bei den Auseinandersetzungen und Zusammenlegungen gehen die an der Separation teilnehmenden, in die Separationsmasse eingeworfenen Grundstücke infolge der Einwerfung als besondere Sachen nicht unter. Der Zweck des Auseinandersetzungsverfahrens ist nicht an dem gesamten, an der Auseinandersetzung teilnehmenden Grundbesitze neues Eigentum zu schaffen, sondern durch Modifikationen des tatsächlichen Besitzstandes den Eigentümern der zur Separation gezogenen Grundstücke neue, wirtschaftlich günstiger und besser zu verwendende, sonst aber gleichwertige Grundstücke zu verschaffen. Es werden die zur Separation gezogenen Grundstücke anders begrenzt und bezeichnet, das Eigentum an ihnen dauert aber fort bis an die Stelle derselben das Eigentum an den im Auseinandersetzungsverfahren angewiesenen Abfindungsgrundstücken tritt. Da nun nach §. 147 der Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juli 1821, bezw. nach §§. 10. 25 der Königl. Verordnung vom 13. Mai 1867, betreffend die Ablösung der Servituten, die Teilung der Gemeinschaften und die Zusammenlegung der Grundstücke für das vormalige Kurfürstentum Hessen, die im Auseinandersetzungsverfahren gewährten Entschädigungen, die neuen Planstücke, das Surrogat für die Grundstücke bilden, welche in die zu teilende Masse eingeworfen worden sind, und zwar nicht bloß in einzelnen, im Gesetze besonders (§§. 148 flg. der Gemeinheitsteilungsordnung) hervorgehobenen Beziehungen, sondern in allen Rechtsverhältnissen - wie aus der Fassung der oben angeführten gesetzlichen Vorschriften hervorgeht -, so konnte, wie mit Recht das Berufungsgericht angenommen hat und auch in den Motiven zu dem Gesetze vom 26. Juni 1875, betreffend die Berichtigung des Grundsteuerkatasters und der Grundbücher bei Auseinandersetzungen vor Bestätigung des Rezesses, hervorgehoben wird, bis zum Erlasse dieses Gesetzes der im Grundbuche eingetragene Eigentümer der in die Separationsmasse eingeworfenen Grundstücke bis zur Berichtigung des Grundbuches, über die alten Grundstücke rechtsgültig, namentlich auch durch Bestellung von Hypotheken, mit der Wirkung verfügen, daß diese Dispositionen die an die Stelle dieser Grundstücke tretenden Abfindungspläne betrafen. Das im Grundbuche eingetragene, zur Separation eingeworfene Grundstück repräsentierte das im Auseinandersetzungsverfahren ausgewiesene Grundstück so lange, bis die Berichtigung des Grundbuches stattgefunden hatte.

Es fragt sich, ob dieser bestehende Rechtszustand durch das gedachte Gesetz vom 26. Juni 1875 geändert worden, ob jetzt die Disposition des eingetragenen Eigentümers über seinen an einer Separation beteiligten Grundbesitz für die Zeit von der Ausführung des endgültig festgestellten Auseinandersetzungsplanes bis zur Berichtigung des Grundbuches in der Art ausgeschlossen sei, daß er weder direkt, noch indirekt über die Abfindungspläne verfügen kann, Dieses ist mit Recht von dem Berufungsrichter verneint worden.

Indem in §. 1 des angeführten Gesetzes bestimmt wird,

"bei Gemeinheitsteilungen und Zusammenlegungen geht das Eigentum an den Abfindungsgrundstücken schon vor Bestätigung des Rezesses mit Ausführung des endgültig festgestellten Auseinandersetzungsplanes auf die Besitznehmer über,"

hat, wie aus den Motiven deutlich hervorgeht, zur Beseitigung von Zweifeln der nach der herrschenden Ansicht schon bestehende Rechtszustand, daß schon vor Bestätigung des Rezesses durch die genehmigte oder rechtskräftig festgestellte Ausführung des Auseinandersetzungsplanes das Eigentum der Abfindungsländereien auf die neuen Erwerber übergehe, gesetzlich sanktioniert werden sollen, es hat aber nicht damit die, auch unter zu Grundlegung dieser herrschenden Ansicht, bestehende Möglichkeit, daß der im Grundbuche eingetragene Eigentümer trotz des Erwerbes des Eigentumes an den Abfindungsgrundstücken über die alten Grundstücke zum Grundbuche Verfügungen mit der oben hervorgehobenen Wirkung treffen könne, aufgehoben werden sollen. Es würde damit ein Zustand geschaffen sein, welcher für die beteiligten Grundbesitzer die größten Unzuträglichkeiten und wirtschaftlichen Gefahren herbeiführen müßte, da sie häufig während eines längeren Zeitraumes, welcher bis zur Berichtigung des Grundbuches in Gemäßheit der §§. 2. 3 des Gesetzes verstreichen kann, völlig verhindert sein würden, über ihren Grundbesitz zu disponieren. Der ausgesprochene Zweck des Gesetzes war im Gegenteile die Verkehrshemmnisse, welche die Separationen infolge faktischer Verhältnisse herbeiführten, thunlichst zu beseitigen, und die Befugnis des Eigentümers zur Disposition über die Abfindungspläne zu erweitern, indem ihm die nach dem bisherigen Rechtszustande nicht mögliche Parzellierung der Abfindungspläne, bezw. eine Verfügung über einen Teil derselben dadurch ermöglicht werden sollte, daß eine vorläufige Berichtigung des Grundbuches schon vor Bestätigung des Rezesses in Gemäßheit der Bestimmungen in §§. 2. 3 des Gesetzes zugelassen wurde, während die definitive Berichtigung des Grundbuches in Gemäßheit des §. 5 erst nach der Bestätigung des Rezesses erfolgt. Wäre es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, eine Verfügung des eingetragenen Eigentümers bis zur Berichtigung des Grundbuches von dem Erwerbe des Eigentumes an den Abfindungsplänen an überhaupt auszuschließen, so hätte im Grundbuche erkennbar gemacht werden müssen, daß das Grundstück in einem Teilungs- oder Auseinandersetzungsverfahren befangen sei.

Der Revisionsklägerin ist nun zwar darin beizutreten, daß die Erwägung, der Gesetzgeber habe einen solchen den Realkredit der beteiligten Grundbesitzer in bedenklichster Weise schädigenden Zustand nicht herbeiführen wollen, nicht von Bedeutung sein würde, wenn die im Gesetze enthaltenen Bestimmungen in Verbindung mit den über die Bestellung von Hypotheken bestehenden Rechtsnormen dahin führten, daß die Disposition des eingetragenen Eigentümers als ausgeschlossen erachtet werden müßte. Allein dieses ist bei richtiger Würdigung der Bedeutung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere derjenigen über das Auseinandersetzungsverfahren, nicht anzuerkennen. Wenn auch der Eigentümer des in die Separationsmasse eingeworfenen Grundstückes mit dem Erwerbe des Eigentumes des an dessen Stelle tretenden Abfindungsplanes aufhört, wirklicher Eigentümer jenes auf dem betreffenden Folium im Grundbuche bezeichneten Grundstückes zu sein, so repräsentiert doch, da das Abfindungsgrundstück das Surrogat für das letztere bildet, und zwar in allen rechtlichen Beziehungen, das im Grundbuche eingetragene Grundstück den neuen Abfindungsplan bis dahin, daß eine Berichtigung des Grundbuches stattgefunden hat und damit das Eigentum an dem Abfindungsplane zur vollen Geltung gelangt ist."