RG, 11.12.1883 - III 293/83

Daten
Fall: 
I. unic. Cod. de sent 7, 47
Fundstellen: 
RGZ 10, 193
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.12.1883
Aktenzeichen: 
III 293/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt a.M.
  • OLG Frankfurt a.M.

1. Ist die I. unic. Cod. de sent 7, 47 durch Art. 260 C.P.O. beseitigt?
2. Erfordernisse für die Anwendbarkeit der l. unic. cit.

Tatbestand

Die klagenden Eheleute St. haben von Heinrich K. in Bockenheim das diesem gehörige Anwesen durch Kaufvertrag erworben. Der Kaufpreis von 71 000 M wurde in der Weise berichtigt, daß die Kläger drei auf dem erkauften Grundstücke haftende Hypotheken im Gesamtbetrage von 69 000 M übernahmen und 2000 M an den Verkäufer bezahlten. Auf dem Grundstücke lastete indes noch ein Immissionspfandrecht von 2079 M zu Gunsten des Levi Adler.

Beklagter, welcher zu den Kontrahenten dieses Kaufvertrages nicht gehörte, hatte den Klägern gegenüber die Verpflichtung übernommen, dieses Pfandrecht löschen zu lassen; er ist jedoch seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, worauf der Pfandgläubiger Adler das Grundstück zur Subhastation brachte, in welcher es zum Preise von 55 000 M dem Käufer zugeschlagen wurde.

In einem Vorprozesse wurde sodann der Beklagte verurteilt, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher denselben dadurch entstanden sei, daß die Löschung des Pfandrechtes zu Gunsten des Levi Adler nicht alsbald nach der Auslastung des betreffenden Grundeigentumes an die Kläger erfolgt sei.

Auf Grund dieses Sachverhaltes fordern die Kläger in dem jetzt, schwebenden Rechtsstreite von dem Beklagten den durch die Subhastation ihres Grundstückes erlittenen Schaden, sie wurden aber in erster Instanz mit ihrer Klage abgewiesen, weil sie nach der Meinung des Instanzrichters ihren Schadenersatzanspruch nicht in genügender Weise substanziiert hatten.

Auch das Berufungsgericht wies die Klage ab, indem es von folgender Erwägung ausging: die Verschuldung des Beklagten basiere darauf, daß derselbe die vertragsmäßig übernommene Verpflichtung nicht erfüllt habe; die Verpflichtung des Beklagten habe danach eine certa quantitas vel natura gehabt, da sie äußersten Falles dadurch zur Erfüllung zu bringen gewesen sei, daß der Beklagte den Pfandgläubiger Adler bezahlte und dessen Pfandrecht damit zur Löschung brachte. Für Fälle dieser Art bestimme die l. unic. Cod. de sent.,., daß der Schadensersatzanspruch das Doppelte des die ursprüngliche Verpflichtung darstellenden Betrages in keinem Falle überschreiten dürfe. Werde aber danach die Klageforderung auf das Doppelte von 2079 M beschränkt, so sei sie durch eine diesen Betrag überschreitende Gegenforderung des Beklagten kompensiert.

Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die zweite Instanz zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Der Revisionsangriff, daß die vom Berufungsrichter zur Anwendung gebrachte l. unic. Cod. de sent. 7, 47 durch die Vorschrift des §. 260 C.P.O. beseitigt sei, ist nicht begründet. Der §. 260 erteilt dem Richter für die Festsetzung von Schadensersatzansprüchen eine durch praktische Rücksichten bestimmte Anleitung und Ermächtigung. Von dieser prozessualischen Vorschrift ganz unabhängig ist aber die in l. unic. cit. enthaltene civilrechtliche Norm, kraft welcher das Forderungsrecht des Beschädigten beschränkt wird.

Nicht minder grundlos ist die Ausführung der Revisionskläger, daß die letztgedachte römische Gesetzesstelle durch das im Vorprozesse ergangene Urteil ausgeschlossen worden sei. Dieses Urteil setzt rechtskräftig nur fest, daß der Beklagte denjenigen Schaden zu ersetzen habe, welcher den Klägern durch Nichterfüllung der dem Beklagten obgelegenen Verpflichtung erwachsen sei. Über die Höhe dieses Schadens ist noch nicht entschieden, in Beziehung auf den Betrag desselben sind also dem Beklagten alle thatsächlichen und rechtlichen Einwendungen erhalten geblieben. Zu letzteren zählt aber unzweifelhaft auch die Berufung auf l. unic. Cod. cit.

Dagegen ist von den Revisionsklägern mit Recht hervorgehoben, daß der Berufungsrichter darin geirrt habe, daß er die l. unic. cit. bei den konkreten Verhältnissen der in Rede stehenden Obligation für anwendbar erachtet hat.

In betreff des Vertrages, durch dessen Nichterfüllung der Beklagte den Klägern gegenüber ersatzpflichtig wurde, ist festgestellt, daß aus Anlaß eines von den Klägern abgeschlossenen Hauskaufes der Beklagte, welcher zu den Kontrahenten dieses Kaufvertrages nicht gehörte, den Klägern gegenüber die Verpflichtung übernommen hat, das auf dem Hause ruhende Immissionspfandrecht für eine Forderung des Levi Adler im Betrage von 2079 M löschen zu lassen. Der Inhalt der zwischen den Parteien begründeten Obligation bestand also nur in dem einseitigen Versprechen des Beklagten, die Löschung des genannten Pfandrechtes herbeizuführen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein einseitiges Versprechen überhaupt zu denjenigen Fällen gerechnet werden darf, auf welche die l. unic. cit. Anwendung leidet, jedenfalls erscheint deren Anwendbarkeit auf ein Versprechen der vorliegenden Art, und zwar um deswillen ausgeschlossen, weil der fraglichen Obligation die vom Gesetze geforderte cetera quantitas vel natura mangelt.

Gegenstand der Obligation war keine Sache, aber auch keine einen bestimmten Wert darstellende Handlung. Zwar will der Berufungsrichter eine Wertsbestimmung darin finden, daß der Beklagte seiner Verpflichtung äußersten Falles durch Zahlung der hypothezierten Forderung habe gerecht werden können. Allein nicht diese Zahlung war das wesentliche des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes, sondern die rechtzeitige Löschung der Hypothek. Auf welche Weise dieser Vertragszweck erreicht wurde, ob durch Zahlung oder durch Transaktionen mit dem Pfandgläubiger, oder auf welche andere Weise, war gleichgültig. Worauf es ankam, war die durch die Löschung des Immissionspfandrechtes für den Kläger als den Käufer des damit belasteten Grundstückes zu erzielende Sicherung gegen die Gefahr einer auf Grund desselben sofort zu erwirkenden Subhastation. Für letzteren handelte es sich also um ein Forderungsrecht von ungewissem Werte. Denn den Gegenstand der Obligation bildete ja nicht eine Handlung des Verpflichteten, welche die Voraussetzung gestattete, daß dem Berechtigten jederzeit dafür ein anderweitiger Ersatz zu Gebote stehen würde. Für die Bemessung des Wertes, den die Obligation für den Berechtigten hatte, war mithin die Frage unerheblich, welche Summe der Verpflichtete zur Erfüllung seiner einseitigen Verbindlichkeit äußersten Falles würde aufwenden müssen, dafür kamen andere von vornherein nicht bestimmbare Faktoren in Betracht, die namentlich auch abhängig waren von dem unsicheren Resultate einer infolge unterlassener Löschung eingetretenen Subhastation." ...