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RG, 04.11.1881 - III 464/81

Daten
Fall: 
Immerwährende Personalservitut
Fundstellen: 
RGZ 7, 164
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.11.1881
Aktenzeichen: 
III 464/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Darmstadt
  • OLG Darmstadt

Immerwährende Personalservitut zu Gunsten einer Sozietät. Voraussetzungen der Entstehung und des Fortbestandes eines Personenvereines. Ist die Mehrheit der Mitglieder zur Geltendmachung der Rechte des Vereines befugt?
Expropriation. Hat der Servitutberechtigte Anspruch auf Entschädigung wegen Behinderung in der Benutzung eines öffentlichen Weges, wenn ihm diese Benutzung in Verbindung mit der Expropriation eines Teiles des dienenden Grundstückes entzogen wurde?

Inhaltsverzeichnis 

Tatbestand

In der hessischen Stadt N. bestand früher eine Schifferzunft, welche laut Kaufvertrages vom 31. Juli 1823 ein am Neckar belegenes Grundstück, die s. g. Baumgartenwiese, von den M.'schen Erben erwarb. Die Bestätigung des Kaufbriefes erfolgte erst im Jahre 1836, nachdem 46 Mitglieder jener Zunft erklärt hatten, daß das Eigentum am fraglichen Grundstücke ihnen allein, keineswegs aber der Schifferzunft zustehe. Am 10. Febr. 1841 verkauften die gedachten 46 Eigentümer das Grundstück an den Hasenwirt J. unter folgenden Bedingungen:

"a.
Den Verkäufern und ihren Nachkommen beiderlei Geschlechtes, jedoch von jedem Verkäufer nur ein Glied, bleibt für ewige Zeiten das Recht vorbehalten, ihre Wasserfahrzeuge zum Schutze gegen den Eisgang, sobald und solange als es erforderlich und rätlich ist, auf die Baumgartenwiese zu stellen und überhaupt alle Rechte darauf auszuüben, welche bisher von den Verkäufern darauf ausgeübt worden sind. Keinem Verkäufer oder dessen Nachkommen ist es dagegen gestattet, dieses Recht verkäuflich an Dritte abzutreten. (§. 6.)

b.
Für den möglichen Fall, daß die Verkäufer oder ihre Nachkommen zum Teil oder ganz aussterben sollten, sollen die zu N. alsdann existierenden Schiffer, ohne Rücksicht auf ihre Abstammung, in die Rechte der Abgestorbenen eintreten, sodaß die vorbehaltenen Rechte nie erlöschen, jedoch darf die Zahl der Berechtigten die Zahl der dermaligen Verkäufer nicht übersteigen. (§. 9.)

c.
Die hier den Verkäufern und ihren Nachkommen vorbehaltenen Rechte sollen für ewige Zeiten als Realgerechtigkeit auf dem verkauften Grundstücke ruhen, ohne Rücksicht, in wessen Eigentum dasselbe in der Folge übergehen kann. (§. 10.)"

Aus der Verlassenschaft des Käufers F. ist die Baumgartenwiese im Jahre 1859 an die Wittwe J.'s und von dieser 1869 an deren Tochter L. J. zu N. übergegangen. Letztere hat 1876 von einem Gesamtflächeninhalte von 4269 qm einen Teil von 585 qm, sowie später einen weiteren noch zu regulierenden Teil an die badische Eisenbahnverwaltung aus Veranlassung des Baues der s. g. Neckar-Eisenbahn im Expropriationswege abgetreten. Das Expropriationsrecht beruhte auf einem zwischen der Großh. badischen und der Großh. hessischen Regierung abgeschlossenen Staatsvertrage vom 19. Febr. 1874.

Das fragliche Grundstück selbst liegt nahe an der Stadt N. flußaufwärts und zog sich zwischen der alten Staatsstraße und dem Neckar hin. Es bildete ein unregelmäßiges Viereck und wurde von den Schiffern zu N. zur teilweisen Aufstellung ihrer Fahrzeuge behufs der Überwinterung benutzt. Durch Aufschütten des Eisenbahndammes und durch Verlegung der Staatsstraße ist der obere vermöge seiner ebenen Lage vorzugsweise zur Bergung der Wasserfahrzeuge dienliche Teil dieses Grundstückes in die Neubauten hereingezogen worden, während der übriggebliebene Teil wegen Veränderung der Oberfläche nicht mehr in der früheren Weise benutzt werden kann.

Dies veranlaßte 35 Schiffer zu N. im Juni 1878 klagend gegen die Generaldirektion der badischen Eisenbahnen aufzutreten. Unter Berufung auf den Vertrag vom 19. Febr. 1841 und den Rechtstitel der Ersitzung nahmen sie ein Servitutrecht an der Baumgartenwiese in Anspruch und verlangten Schadensersatz wegen Entziehung und Schmälerung dieses Rechtes durch die stattgehabte Zwangsenteignung und der infolge der letzteren vorgenommenen baulichen Anlagen im Betrage von 5000 M, und zwar zu dem Zwecke, um entweder ein anderes zur Unterbringung der Schiffe geeignetes Grundstück anzukaufen oder einen Winterhafen zum Schutze ihrer Fahrzeuge gegen den Eisgang herzustellen.

Die Beklagte ließ sich zunächst im allgemeinen negativ auf diese Klage ein, bestritt sodann sowohl die Aktivlegitimation der Kläger, wie ihre, der Beklagten, Passivlegitimation zur Sache, ferner die rechtliche Möglichkeit des Erwerbes der angesprochenen Servitut durch Vertrag und Ersitzung, endlich ihre Verpflichtung zum Schadensersatze überhaupt und in der geforderten Höhe.

Nach Schluß der Verhandlungen erkannte die erste Instanz, daß die Sachlegitimation der Kläger für hergestellt und die Klage ihrem Grunde nach für gerechtfertigt und liquid zu erklären, auch die Beklagte zur Entschädigung der Kläger in noch zu liquidierender Höhe für schuldig zu erachten sei.

Auf Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dies Erkenntnis bestätigt.

Inhaltlich der Entscheidungsgründe ist über den Rechtstitel der Ersitzung nicht erkannt worden.

Beklagte legte nunmehr Revision ein mit dem Antrage auf Abweisung der Klage. Zur Begründung des Rechtsmittels wurde ausgeführt:

  1. Es sei rechtsirrtümlich, wenn die vorige Instanz davon ausgehe, daß die Schiffer zu N. durch Abschluß des Vertrages vom 10. Febr. 1841 in ein Sozietätsverhältnis unter einander getreten seien; unter der Voraussetzung, daß das in jenem Vertrage den Schiffern vorbehaltene Recht eine Servitut sei, liege nur eine communio incidens, bei der Annahme eines bloß obligatorischen Rechtsverhältnisses aber nicht einmal diese vor.
  2. Mit Unrecht erachte das Oberlandesgericht die Aktivlegitimation der Kläger für hergestellt. Entweder müßten sämtliche Schiffer zu N. oder es müsse ein für die Gesamtheit legitimiertes Organ klagend auftreten. Von einer exceptio ex jure tertii könne keine Rede sein, vielmehr hätten die Kläger nachzuweisen, daß ihnen in ihrer Person das beanspruchte Recht zustehe.
  3. Wenn auch die Zulässigkeit der Bestellung einer Personalservitut zugleich zu Gunsten der Erben des ursprünglich Berechtigten angenommen werde, so folge daraus noch nicht die Statthaftigkeit der Vertragsklausel, daß immer nur ein Erbe und eventuell sogar extranei berechtigt sein sollten, zumal für den vorliegenden Fall, in welchem es an jeder Bestimmung darüber fehle, wie und durch welchen Akt der eine der mehreren Erben und eventuell die Person des extraneus bestimmt werden solle.
  4. Es bestehe endlich kein Kausalzusammenhang zwischen der Eisenbahnanlage und der Beeinträchtigung der Kläger. Letztere sei zum größten Teile durch die von der hessischen Regierung vorgenommene Erhöhung der Staatsstraße erfolgt. Der badische Fiskus sei aber für den hessischen Fiskus nicht verantwortlich, und dieser hafte nicht, weil ein privates Recht der Kläger auf unveränderten Fortbestand der Staatsstraße nicht bestehe.

Das Reichsgericht hat die Revision zurückgewiesen aus folgenden Gründen.

Gründe

1.

Anlangend zunächst die rechtliche Natur und Gültigkeit der im Vertrage vom 10. Febr. 1841 vorbehaltenen Gerechtsame, so kannte schon das römische Recht in den s. g. irregulären Servituten Grunddienstbarkeiten zu Gunsten einer bestimmten (physischen oder juristischen) Person. Das heutige Recht hat die Möglichkeit der Bestellung von Realservituten ohne herrschendes Grundstück und ohne die römischrechtlichen Beschränkungen auf die Lebenszeit des Berechtigten bezw. 100 Jahre erweitert und solche in mannigfacher Anwendung zu Gunsten territorialer oder personaler Kreise zugelassen, sofern nur die dienende Sache den vorausgesetzten vermögensrechtlichen Vorteil dauernd zu gewähren vermag.1

Im vorliegenden Falle sind alle Bedingungen zur Konstituierung einer immerwährenden Personalservitut mit dinglicher Wirkung vorhanden. Bei der Übertragung der Baumgartenwiese an J. ist den seitherigen Eigentümern, ihren Nachkommen und eventuell den übrigen Schiffern zu N. auf ewige Zeiten das Recht eingeräumt worden, ihre Wasserfahrzeuge zum Schutze gegen den Eisgang unter bestimmten Modalitäten auf jenem Grundstücke unterzubringen. Damit ist die Servitut nicht nur hinsichtlich der Berechtigten selber, sondern auch rücksichtlich des Umfanges der ihnen zustehenden Befugnisse genügend begrenzt und derselben zugleich der Charakter der Dauer beigelegt.

Mit der vorigen Instanz ist davon auszugehen, daß das Rechtsverhältnis unter den beteiligten Schiffern als Sozietät erscheine. Ein Gesellschaftsvertrag kann ausdrücklich und stillschweigends geschlossen werden, einer Rechtsgemeinschaft vorausgehen, und ihr nachfolgen. Es mag dahingestellt bleiben, ob bereits bei der eigentümlichen Erwerbung der Baumgartenwiese durch 46 Mitglieder der ehemaligen Schifferzunft zu N. im Jahre 1823 oder 1836 eine vertragsmäßige Vereinigung dieser Schiffer bestand: jedenfalls muß nach der Erwerbung, vor und bei der Weiterveräußerung eine Übereinkunft über die gemeinschaftliche Benutzung des Grundstückes zustande gekommen sein. Bezüglich der letzteren liegt keine rein äußerliche, auf dasselbe Ziel gerichtete Thätigkeit von 46 Schiffern vor; dieselben beschränkten sich vielmehr gegenseitig, da eine gleichmäßige und selbständige Benutzung der Grundfläche durch alle Berechtigte für ihre gesamten Fahrzeuge thatsächlich unmöglich war, und diese Beschränkung setzte wiederum eine Verständigung unter den Teilnehmern notwendig voraus.

Auch eine Unbestimmtheit der berechtigten Subjekte ist nicht vorhanden. Nach den Grundsätzen des deutschen Rechtes wird durch das Ausscheiden einzelner oder selbst aller ursprünglichen Gesellschafter ein Sozietätsverhältnis nicht aufgehoben, wenn es nach dem Willen der Kontrahenten dauernd bestehen und zur Aufnahme neuer Mitglieder befähigt sein soll. Wie solche zwischen Korporationen und gewöhnlichen Sozietäten in der Mitte stehende Vereine ihren Fortbestand sichern, an welche Bedingungen sie den Ein- und Austritt ihrer Mitglieder knüpfen und in welcher Weise sie deren Beziehungen zu dem Vereinsvermögen regeln wollen, ist im allgemeinen der autonomen Festsetzung der Genossen überlassen. Konnten hiernach die 46 Schiffer zu N. einen Wechsel im Personalbestande ihres Vereines überhaupt verabreden, so stand auch der Stipulation nichts entgegen, daß an Stelle eines ausscheidenden Mitgliedes immer nur Ein Nachkomme desselben und bei dem Wegfallen (Aussterben) aller oder eines Teiles dieser Berechtigten dritte Personen, sofern sie das Schiffergewerbe betrieben, zur Ausübung der Gerechtsame berufen sein sollten. Allerdings ist im Vertrage nichts darüber gesagt, wie und durch welchen Akt der Eine von mehreren Nachkommen oder die Person des Dritten zu bestimmen sei. Diese Auswahl und Reihenfolge des Eintrittes in den Verein ist jedoch ausschließlich eine innere Angelegenheit der Gesellschaft und berührt die Vertragspflichten des Käufers des dienenden Grundstückes, sowie der Rechtsnachfolger desselben solange nicht, als noch eine Vereinigung selbständiger Schiffer zu N. besteht und die Zahl derjenigen, welche Ansprüche auf die Ausübung der Servitut erheben, den Bestand von 46 nicht übersteigt. Dies führt:

2.

zur Einrede der mangelnden Aktivlegitimation zur Sache. Das Berufungsurteil erwägt, daß die Legitimation der Kläger zur gerichtlichen Verfolgung des streitigen Vermögensanspruches weder im Ganzen noch im Einzelnen zu beanstanden sei, daß zwar einzelne Schiffer nur den auf sie entfallenden Anteil, nämlich Entschädigung wegen der durch die Bahnanlage unmöglich gewordenen Bergung ihres Schiffes fordern könnten, daß aber die aufgetretenen 34 Schiffer zur Geltendmachung des gesamten Servitutrechtes befugt seien, da die Baumgartenwiese nur zur Unterbringung von 26 Fahrzeugen geeignet sei. Aus diesem Grunde und weil der Einwand der Beklagten, daß noch mehr Nachkommen der ursprünglich Berechtigten vorhanden seien, als Einrede aus dem Rechte Dritter erscheine, lehnt das Oberlandesgericht zugleich das Eingehen auf die Frage ab, ob noch eine größere Anzahl berechtigter Schiffer zu N. existiere.

Dieser Motivierung kann nicht beigetreten werden. Abgesehen davon, daß es sich hier nicht um die Geltendmachung des Servitutrechtes selber handelt, indem bei eingetretener Expropriation eines Grundstückes der Eigentümer oder dinglich Berechtigte nicht sowohl Wiederherstellung des früheren Zustandes, als vielmehr nur Ersatz des ihm durch den Eingriff in sein Eigentum oder seine Gerechtsame zugefügten Vermögensnachteiles zu verlangen befugt ist, begehren die Kläger die liquidierte Entschädigungssumme nicht für sich, sondern für die Gesamtheit der nach Maßgabe des Vertrages vom 10. Febr. 1841 berechtigten Schiffer, und zwar zu dem ausgesprochenen Zwecke, um mit solcher ein anderes zur Überwinterung der Fahrzeuge des Vereines geeignetes Grundstück zu erwerben oder auf sonstige Weise, etwa durch Herstellung eines Winterhafens, für die Interessen der Gesellschaft zu sorgen. Einen derartigen Anspruch vermag weder ein einzelner noch die Minderheit der dem Vereine angehörenden Schiffer vor Gericht zu verfolgen, wennselbst deren Beteiligung am fraglichen Servitutrechte im übrigen feststände.

Allein die Sachlegitimation der Kläger ist aus einem anderen Gesichtspunkte nicht zu beanstanden. Nach gemeinrechtlicher, durch das hessische Expropriationsgesetz vom 27. Mai 1821 nicht abgeänderter Vorschrift tritt im Falle einer Zwangsenteignung das vom Exproprianten zu zahlende Geldäquivalent an die Stelle der enteigneten Sache. Der Expropriat kann keine anderen und weitergehenden Rechte an der Entschädigungssumme verfolgen, als ihm an dem Gegenstande der Zwangsenteignung selbst zugestanden haben. Die Kläger sind deshalb nicht berechtigt, die auszumittelnde Entschädigungssumme unter sich zu verteilen, müssen solche vielmehr dem Vereine der selbständigen Schiffer zu N. als Surrogat der zu öffentlichen Zwecken teils aufgehobenen teils beinträchtigten Gerechtsame überlassen. Nun würde man unbedenklich die Gesamtheit der zur Zeit der Klagerhebung in N. wohnenden Schiffer, ohne Rücksicht auf ihre Zahl, ihre Abstammung und Berechtigung zum Eintritte in das dem Besitzer der Baumgartenwiese gegenüber bestehende Rechtsverhältnis, für befugt erachten müssen, den dem Vereine durch die Expropriation erwachsenen Vermögensnachteil zu liquidieren. Die Beklagte hat kein rechtlich begründetes Interesse daran, den sämtlichen Schiffern zu N. die Aktivlegitimation zur Sache zu bestreiten, wenn, wie hier in dem Berufungsurteile thatsächlich festgestellt worden ist, überhaupt noch ein Verein berechtigter Schiffer existiert. Das Nämliche muß aber auch gelten, wenn nur die Majorität der Schiffer auftritt. Von einer bloß anteilsmäßigen Berechtigung im Sinne der I. 4 §. 3 Dig. de servit. 8, 3 kann nach dem Vorausgeschickten keine Rede sein. Steht daher nicht ein jus singulorum, sondern ein dem Vereine als solchem erworbenes Recht in Frage, so darf nach deutschrechtlichen Grundsätzen auch die Mehrheit der Schiffer klagen. Ob diese Schiffer sämtlich Vereinsgenossen sind oder zum Teil nur ein eventuelles Recht zum Eintritte in die Gesellschaft haben, ist nach Lage der Sache nicht zu untersuchen. Denn das Berufungsurteil nimmt auf Grund der Verhandlung und Beweisführung an, daß vor der Expropriation des fraglichen Grundstückes ungefähr 26 Schiffe auf der Wiese hätten geborgen werden können, während 34 Besitzer von Schiffen der Klage sich angeschlossen hätten. Da nun einerseits die Zahl der berechtigten Schiffer (Vereinsgenossen) 46 nicht übersteigen soll, andererseits die Beklagte in den Verhandlungen der Vorinstanzen selber nicht behauptet hat, daß mehr als 46 selbständige Schiffer (Vereinsgenossen und Dritte) in N., existierten, so waltet kein Zweifel darüber ob, daß in der That die Majorität der Schiffer den streitigen Entschädigungsanspruch erhoben hat.

Allerdings wird die Beklagte demnächst bei der Auszahlung der ermittelten Entschädigungssumme verlangen können, daß entweder sämtliche zu N. vorhandene Schiffer durch einen Bevollmächtigten darüber quittieren, oder daß, wenn nur ein Teil derselben zur Empfangnahme des Geldes sich meldet, diese ihre ausschließliche Berechtigung als Vereinsgenossen nachweisen. Der Streit hierüber, wenn es zu einem solchen kommen sollte, gehört indessen nicht in den Prozeß über den Grund des erhobenen Anspruches, welcher zur Zeit allein zu entscheiden ist.

3.

Was endlich die Einrede der mangelnden Passivlegitimation angeht, so ist vorauszuschicken, daß nach der Bekanntmachung des hessischen Staatsministeriums vom 26. Mai 1875 ein Staatsvertrag zwischen Hessen und Baden über die Erbauung mehrerer Eisenbahnen, darunter einer solchen zwischen Neckargemünd und Jagstfeld, abgeschlossen worden ist. Inhaltlich dieses Vertrages vom 19. Febr. 1874 - abgedruckt im Großh. badischen Gesetzblatte von 1875 Nr. 18 S. 212 flg. - hatte die badische Regierung den Bau und Betrieb der Neckarbahn auf ihre Kosten übernommen und sich in Ansehung der Erwerbung des zur Anlage oder Erweiterung der Eisenbahn auf hessischem Gebiete erforderlichen Grundbesitzes den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen, welche für den Bau von Staatsbahnen im Großherzogtume Hessen Geltung haben...

Die Generaldirektion der badischen Eisenbahnen, als Vertreterin des badischen Staates (Fiskus), hat nun von der hier fraglichen Baumgartenwiese zuerst 585 qm und später noch einen weiteren Teil im Expropriationswege von der Eigentümerin erworben, und es ist dieses Gelände teils von der Beklagten zum Eisenbahnbau, teils von der hessischen Regierung zur Anlage einer neuen Landstraße und eines Verbindungsweges neben dem Damme dieser Landstraße nach dem oberhalb belegenen Schiffsbauplatze verwendet worden. Die Verlegung und Erhöhung der Landstraße und die Anlage des Fußweges wurde übrigens gerade durch den Bau des Eisenbahndammes und des Stationsgebäudes erforderlich, und es ist von der Beklagten ausdrücklich zugestanden, daß die hessische Regierung die Landstraße auf Veranlassung der badischen Regierung verändert habe.

Durch diese Bauten ist eine Beeinträchtigung des im Kaufvertrage vom 10. Febr. 1841 vorbehaltenen Servitutrechtes herbeigeführt worden. Über den Umfang derselben und der dadurch bedingten Verpflichtung zum Schadensersatze sind die streitenden Teile nicht einverstanden. Die Kläger verlangen nicht bloß Ersatz desjenigen Vermögensnachteiles, der ihnen unmittelbar durch die Entziehung eines Teiles des dienenden Grundstückes, sondern auch desjenigen, welcher ihnen mittelbar dadurch entstanden ist, daß sie bei der Bergung ihrer Schiffe vor Eisgang die Landstraße nicht mehr in der früheren, in den Verhandlungen näher dargestellten Weise benutzen können, während die Beklagte äußersten Falles nur für den Schaden aufkommen will, der den Klägern durch das Aufschütten des Eisenbahndammes auf etwa ein Zehnteil des abgetretenen Geländes erwachsen ist.

Auf Grund dieses Sachverhaltes hat das Oberlandesgericht den Kausalzusammenhang des behaupteten Vermögensnachteiles mit der Anlage der Neckarbahn für erwiesen erachtet und angenommen, daß sowohl die Abtretung eines Teiles der Baumgartenwiese selbst, wie schon die bloße Thatsache der Beeinträchtigung im Gebrauche eines öffentlichen Weges von seiten des Unternehmers einer Eisenbahn oder einer anderen derartigen Anlage die, dadurch Benachteiligten zu einer Schadensforderung berechtige.

Letzteres ist jedoch nach gemeinem Rechte nicht der Fall, wie von dem Reichsgerichte aus Veranlassung der Veränderung einer Ortsstraße durch eine Stadtgemeinde in den Entscheidungen in Civilsachen Bd. 3 S. 171 flg. ausführlich dargelegt wurde. Daß das hessische Partikularrecht eine andere Entscheidung dieser Frage bedingte, hat die vorige Instanz nicht behauptet, und die behauptete konstante Rechtsprechung der hessischen Gerichte kann umsoweniger berücksichtigt werden, als das vormalige O.A.G. zu Darmstadt nach Seuffert, Archiv Bd. 29 Nr. 243, sowie Archiv f. praktische Rechtswissenschaft N. F. Bd. 3 S. 313 flg. wiederholt ganz im Sinne jenes Reichsgerichtsurteiles erkannt hat.

Gleichwohl war auch in dieser Beziehung das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Nach den Grundsätzen des Expropriationsrechtes muß die Entschädigung, welche der Expropriant dem Eigentümer der expropriierten Sache und dem Servitutberechtigten wegen Eingriffes in deren Rechte zu gewahren hat, eine vollständige sein. Sie erstreckt sich auf alle Vermögensnachteile, welche mit der Abtretung des Grundstückes oder eines Teiles desselben zu öffentlichen Zwecken in Zusammenhang stehen. Nun ist den Schiffern zu N. ein Teil des dienenden Grundstückes und - in Verbindung damit - die Benutzung der Landstraße zur leichteren Bergung ihrer Wasserfahrzeuge gerade durch die Expropriation entzogen worden. Nach beiden Richtungen repräsentierte der frühere Zustand des dienenden Grundstückes sowohl wie der Landstraße einen Vermögenswert, welchen die Schiffer zur Herstellung der Eisenbahnanlage in öffentlichem Interesse aufzugeben gezwungen waren.

Ein Fall dieser Art steht durchaus nicht demjenigen gleich, in welchem ein dritter nicht durch die Expropriation betroffener Grundeigentümer oder dinglich Berechtigter infolge einer Bahnanlage Vorteile verliert, deren Ausnutzung ihm seither durch die bloße Thatsache des Bestehens einer Landstraße oder eines sonstigen öffentlichen Weges möglich war. Denn ein solcher tritt mit dem Exproprianten in keinerlei obligatorische Beziehung; der letztere greift bei der Entziehung oder Beeinträchtigung derartiger zufälliger Vorteile nicht, wie in jenem anderen Falle, zugleich in bestehende Privatrechte ein. ...

Daß endlich der badische Fiskus zur Entschädigung der Kläger verpflichtet ist, hat das Oberlandesgericht mit Recht ausgeführt. Die badische Regierung hat expropriiert und denjenigen Teil des fraglichen Grundstücks erworben, auf welchem der Eisenbahndamm aufgeschüttet, die Landstraße und der Fußweg angelegt und erhöht worden ist. Ob die beiden letzteren Anlagen demnächst von einem anderen Unternehmer - dem hessischen Fiskus - ausgeführt wurden, ist für die Passivlegitimation der Beklagten völlig gleichgültig. Es bedarf zu deren Herstellung nicht einmal der Bezugnahme auf den

Staatsvertrag vom 19. Febr. 1874, da schon nach allgemeinen Grundsätzen der Expropriant für die Entschädigung der Grundbesitzer und sonst Berechtigten haftet."

  • 1. Vgl. Entsch. d. R.G.'s in Civils. Bd. 4 S. 132.