RG, 04.11.1897 - VI 187/97

Daten
Fall: 
Verschwiegenheitspflicht des Notars
Fundstellen: 
RGZ 40, 253
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.11.1897
Aktenzeichen: 
VI 187/97
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Halle a.S.
  • OLG Naumburg a.S.

Ist der Notar auch dann zur Verschwiegenheit über das von ihm Verhandelte verpflichtet, wenn er seine Mitwirkung zu dem Geschäfte abgelehnt hat?

Tatbestand

Die vorstehende Frage ist bejaht aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Nicht zu billigen ist ... die Ansicht, daß der Beklagte, wenn er seine Mitwirkung als Notar bei den Verhandlungen vom 6. und 26. Februar 1894 abgelehnt hätte, keine Verpflichtung zur Geheimhaltung desjenigen, was ihm hierbei von den Beteiligten anvertraut war, gehabt haben würde. Die Ansicht stützt sich auf den Wortlaut des § 19 des Notariatsgesetzes vom 11. Juli 1845:

"Die Notare sind verpflichtet, über die Verhandlungen, bei denen sie mitgewirkt haben, Verschwiegenheit zu beobachten."

Es ist indes nicht geboten, die hieraus, sich ergebende Pflicht zur Verschwiegenheit nur auf den Fall zu beziehen, wenn es zu einem notariellen Akte wirklich gekommen ist. Auch dann, wenn der Notar wegen der Aufnahme oder Beglaubigung einer Urkunde angegangen wird, die er schließlich ablehnt, ist er als Notar bei den vor ihm mit den Beteiligten stattgehabten Verhandlungen thätig gewesen. Auch in diesem Falle ist er in seiner Eigenschaft als Notar der Vertrauensmann der Beteiligten gewesen, denen gegenüber die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht. Demgemäß hatte der § 23 A.G.O. III. 7 den Notaren zur Pflicht gemacht, von den "bei solchen Gelegenheiten" zu ihrer Kenntnis gelangenden Geheimnissen der Familien und der Interessenten selbst nichts zu verraten, noch sonst einen üblen Gebrauch davon zu machen, vielmehr darüber die unverbrüchlichste Verschwiegenheit zu beobachten. Der § 19 des Notariatsgesetzes schränkt dies nicht ein, sondern erweitert es, indem er die Verpflichtung zur Verschwiegenheit auf das vor dem Notar Verhandelte schlechthin erstreckt, wobei zugegeben werden mag, daß eine Ausnahme bezüglich solcher Vorgänge und Mitteilungen immer noch besteht, die ihrer Natur nach keinen vertraulichen Charakter haben.

Daß der § 19 des Notariatsgesetzes in dem vorstehend erörterten Sinne zu verstehen sei, wird auch von den Schriftstellern über das Notariatsrecht angenommen.

Vgl. Koch-Jastrow, Formularbuch und Notariatsrecht 10. Aufl. zu § 19 des Gesetzes Ziff. 2; Weihler, Das Notariat S. 184 Ziff. 2. S. 185 Ziff. 3; Kühne u. Sydow, Die preußischen Gesetze über das Notariat S. 33 Anm. zu § 19." ...