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RG, 04.11.1903 - I 228/03

Daten
Fall: 
Rechtsgeschäft eines Vertreters mit sich im eigenen Namen
Fundstellen: 
RGZ 56, 104
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.11.1903
Aktenzeichen: 
I 228/03
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

Bedeutung und Tragweite der Vorschrift, daß ein Vertreter mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen kann.

Tatbestand

Der Kläger hatte einen Bruder Anton v. T. Gegen diesen hatte der Beklagte eine Forderung, zu deren Sicherung er einen Arrestbefehl erwirkte und u. a. einen Geschäftsanteil des Anton v. T. von 7000 M in einer in Hamburg bestehenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung "Automaten-Restaurant" pfänden ließ. Der Kläger behauptete, daß dieser Geschäftsanteil nicht seinem Bruder, sondern ihm selbst zustehe, und erhob Klage mit dem Antrage, sein Eigentum an dem Geschäftsanteile und dessen Nichthaftung für Schulden seines Bruders festzustellen, auch den Pfändungsbeschluß für unwirksam zu erklären. Der Beklagte widersprach. Es handelte sich dabei um folgendes.

An einem privatschriftlichen Vorvertrage über die Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom 19. Juni 1901 hatte sich Anton v. T. in eigenem Namen mit einer Stammeinlage von 7000 M beteiligt. Bei dem 10 Tage später vollzogenen notariellen Gründungsakte aber trat er im Namen seines Bruders, des Klägers, auf, und zwar unter Überreichung einer von diesem auf ihn ausgestellten notariell beglaubigten Generalvollmacht d. d. Wreschen, 13. August 1896. Der Registerrichter beanstandete dies und verlangte Beibringung einer gehörig beglaubigten Spezialvollmacht, verfügte aber gleichwohl die Eintragung der Gesellschaft, nachdem der Notar, der den Gründungsakt aufgenommen, die Nachlieferung der Spezialvollmacht versprochen hatte. Zu einer solchen Nachlieferung ist es indes nicht gekommen. Dagegen wurden am 8. und 9. Oktober 1901 vor demselben Notar zwei Veräußerungsakte über den fraglichen Geschäftsanteil vollzogen. In dem ersten übertrug ihn Anton v. T. als Generalbevollmächtigter des Klägers auf seine (Antons) Ehefrau, und in dem zweiten die Ehefrau wiederum auf Anton selbst. Auf Grund dieser, auch der Gesellschaft vorgelegten, Urkunden nahm der Geschäftsführer den Anton v. T. als Gesellschafter in die Anfang 1902 bei der Registerbehörde eingereichte Liste (§ 40 des Gesetzes) auf, und der Registerrichter verfügte, daß von der Beibringung einer Spezialvollmacht des Klägers Abstand zu nehmen sei. Der Kläger machte geltend, daß die Akte vom 8. und 9. Oktober 1901 nur zum Scheine und zur Umgehung der Vorschrift des § 181 B.G.B. vollzogen seien.

Der Beklagte bestritt dies und wendete ein, daß Anton v. T. den Geschäftsanteil von Anfang an für sich und mit eigenen Mitteln erworben und seinen Bruder nur vorgeschoben habe, um den Anteil den Zugriffen seiner Gläubiger zu entziehen.

Beide Vorinstanzen erkannten auf Abweisung der Klage. Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben.

Gründe

"Das Oberlandesgericht läßt unentschieden, ob nach den Vorgängen bei der Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Kläger den streitigen Geschäftsanteil von 7000 M erworben, oder ob schon nach diesen Vorgängen Anton v. T. als Inhaber des Geschäftsanteils zu gelten habe, gelangt aber zur Abweisung der Klage, weil, auch wenn der Kläger der ursprüngliche Erwerber sein sollte, dieser doch durch den in ordnungsmäßiger Form vollzogenen Übertragungsakt vom 8. Oktober 1901 sein Recht an dem Geschäftsanteile auf die Ehefrau Anton v. T. übertragen habe und sonach zu der erhobenen Widerspruchsklage nicht legitimiert sei. Dabei wird ausgeführt, daß diese Übertragung kein Scheingeschäft gewesen sei und auch nicht gegen die Norm des § 181 B.G.B. verstoßen habe.

Die Revision wendet sich ausschließlich gegen die zuletzt erwähnte Ausführung des Oberlandesgerichts, und es muß auch als richtig anerkannt werden, daß das angefochtene Urteil auf einer unrichtigen Anwendung des § 181 B.G.B. beruht.

Nach dieser Bestimmung "kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen". Jedoch sind zwei Ausnahmen vorgesehen: 1. daß dem Vertreter ein anderes gestattet sei, oder 2. daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehe. Die Ausnahmen lehren, daß das sogenannte Kontrahieren mit sich selbst vom Gesetze nicht als etwas rechtlich Unmögliches aufgefaßt wird. Der Grund des "Nicht-Könnens" im Regelfalle liegt also nicht in der vom Berufungsgerichte anscheinend unterstellten rechtlichen Unmöglichkeit eines Kontrahierens mit sich selbst oder in der unter Umständen obwaltenden Schwierigkeit einer Feststellung des Doppelwillens, sondern in etwas anderem. Die 2. Kommission, auf deren Vorschlag die Vorschrift beruht (Protok. Bd. 1 S. 174. 175, Bd. 2 S. 73-75), war der Meinung:

"daß das sogenannte Selbstkontrahieren stets die Gefahr eines Konflikts der Interessen und einer Schädigung des einen oder anderen Teils mit sich bringe, und daß es deshalb, soweit nicht durch das Gesetz oder durch die Vollmacht (ausdrücklich oder stillschweigend) dem Vertreter ein anderes gestattet sei, ausgeschlossen werden müsse."
Vgl. Denkschrift S. 49.

Da nun keine der beiden vom Gesetze vorgesehenen Ausnahmen vom Oberlandesgericht festgestellt worden ist, für die erstere Ausnahme nach dem Inhalte der vom Kläger ausgestellten Generalvollmacht auch kein Anhaltspunkt vorliegt, muß bis auf weiteres davon ausgegangen werden, daß Anton v. T. rechtlich außerstande war, den Geschäftsanteil des Klägers kraft seiner Vollmacht auf sich selbst zu übertragen. War dies aber der Fall, so konnte er diese Übertragung auch nicht dadurch bewirken, daß er seine Ehefrau als Mittelsperson dazwischen schob.

Das Oberlandesgericht unterstellt die Angaben, die Anton v. T. in dem Schriftstücke vom 21. Juli 1902 gemacht hat, als wahr, meint aber gleichwohl, von der zweiten Übertragung ganz abgesehen und lediglich auf Grund der ersten, angeblich bedenkenfreien Übertragung, zur Verneinung des Eigentums des Klägers gelangen können. Das ist fehlsam. Schon aus dem feststehenden Sachverhalte, wonach die Übertragungsakte nur vorgenommen wurden, um bei der Registerbehörde den Nachweis führen zu können, daß der Geschäftsanteil jetzt dem Anton v. T. zustehe, und die Beibringung einer Spezialvollmacht entbehrlich zu machen, ist abzuleiten, daß nach der Absicht der Beteiligten die Übertragung des Anteils an die Ehefrau ohne alle selbständige Bedeutung sein und nur die Möglichkeit schaffen sollte, nunmehr eine Übertragung an Anton v. T. in Scene zu setzen. Erst recht ergibt sich dies aber aus den soeben erwähnten Angaben des Anton v. T.:

"Der Notar schlug mir vor, den Geschäftsanteil auf meinen Namen zu übertragen, weil in diesem Falle die Beibringung der Spezialvollmacht nicht mehr erforderlich sein würde. Er erklärte, diese Übertragung könne auf Grund meiner Generalvollmacht nicht direkt auf mich gemacht werden, sondern es müsse zunächst eine Übertragung auf meine Frau stattfinden, und meine Frau solle den Geschäftsanteil wieder auf mich übertragen. Diesem Vorschlage bin ich gefolgt. Eine wirkliche Übertragung des Geschäftsanteils auf meine Frau war natürlich nie beabsichtigt."

Berücksichtigt man weiter, daß die Eheleute Anton v. T. nach den vorliegenden Angaben in allgemeiner Gütergemeinschaft leben, so daß eine unter ihnen vorgenommene Übertragung nach § 1438 B.G.B. ohne rechtliche Bedeutung erscheint, so kann es nach alledem keinem Zweifel unterliegen, daß die Akte vom 8. und 9. Oktober 1901 nichts weiter bezweckten, als die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges, der auf Grund der Vollmacht von Anton v. T. kraft der gesetzlichen Vorschrift eben nicht herbeigeführt werden konnte.

Weil das Berufungsgericht dies verkannt hat, und weil es auf der durch das festgestellte Sachverhältnis nicht gerechtfertigten Annahme beruht, der Kläger habe durch den Übertragungsakt vom 8. Oktober 1901 das Eigentum an dem Geschäftsanteile eingebüßt, unterliegt das Urteil der Aufhebung.

Die Sache bedarf aber der Zurückverweisung, weil sie zur Zeit noch nicht spruchreif ist.

Zunächst schon deswegen, weil der Beklagte behauptet hat, der Kläger habe hinterher die Übertragungsakte vom 8. und 9. Oktober 1901 genehmigt. Diese Behauptung ist für erheblich zu erachten. In der Literatur1 ist zwar auch die vom Berufungsgerichte geteilte Auffassung vertreten, daß ein die Grenzen des § 181 B.G.B. überschreitendes Rechtsgeschäft als verboten und demgemäß nach § 134 als nichtig anzusehen sei. Das Reichsgericht hält aber die von anderen Schriftstellern2 vertretene Meinung für besser begründet, daß ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter entgegen der Vorschrift des § 181 mit sich selbst abschließt, rechtlich ebenso zu beurteilen ist, wie jede andere Vollmachtsüberschreitung, und demzufolge nach § 177 in seiner Wirksamkeit von der Genehmigung des Vertretenen abhängt. Die Bedeutung eines gesetzlichen Verbotes im Sinne des § 134 kann dem § 181 überhaupt nicht beigelegt werden. Es handelt sich nur um eine dispositive Bestimmung, die eine Auslegung des Umfangs der Vollmacht oder der gesetzlichen Vertretungsmacht enthält. Auch würde es als widerspruchsvoll angesehen werden müssen, das Selbst-Kontrahieren des Vertreters nicht als genehmigungsfähig anzusehen, obschon es ihm ausdrücklich oder stillschweigend gestattet werden kann. Endlich spricht auch die Verwandtschaft, die die Vorschrift des § 181 mit dem in den §§ 456 und 457 geordneten besonderen Falle eines Zwangsverkaufes besitzt, für die hier vertretene Meinung, da der § 458 für diesen Fall ausdrücklich Genehmigungsfähigkeit vorsieht.

Außerdem erscheint der Einwand des Beklagten erheblich, daß in Wahrheit Anton v. T. von Anfang an Gesellschafter und Einleger des Stammanteils gewesen sei und den Namen seines Bruders, des Klägers, dabei nur vorgeschoben habe. Bestand zwischen den Brüdern Einverständnis darüber, daß der Kläger nur seinen Namen hergeben sollte, um die in Wahrheit für Anton v. T. beabsichtigte Beteiligung zu verdecken, so würde der Kläger arglistig handeln, wenn er sein bloß formales Eigentum an dem Geschäftsanteile, den er in Wahrheit als den seines Bruders ansehen muß, dessen Gläubigern gegenüber geltend machen wollte. Und auch dann würde dem Kläger Arglist vorzuwerfen sein, wenn die Sache etwa so liegen sollte, daß Anton v. T. unter Mißbrauch der Vollmacht des Klägers ohne dessen Kenntnis bei der Gründung nur seine eigenen Geschäfte betrieben haben sollte, der Kläger jetzt aber diese Sachlage gegen den Beklagten auszunützen unternehme. In beiden Fällen müßte nicht nur der Gesichtspunkt der arglistigen Ausbeutung eines formalen Rechts (§ 226 B.G.B.) zur Abweisung der Klage führen, sondern es würde sich dann auch für die Übertragungsakte vom 8. und 9. Oktober 1901 ergeben, daß der am Schlusse des § 181 vorgesehene Ausnahmefall vorliegt. Denn wenn das Rechtsverhältnis zwischen den Brüdern derart war, daß der Kläger bei der Gesellschaftsbeteiligung nur seinen Namen hergab, diese Beteiligung der Sache nach eine Beteiligung des Bruders sein sollte, mit dessen Mitteln sie beschafft wurde, so würde der Kläger auch verpflichtet gewesen sein, das der wahren Sachlage entsprechende Rechtsverhältnis herzustellen, d. h. den Geschäftsanteil auf Anton v. T. zu übertragen (§§ 667. 812 B.G.B.); und es würde folgeweise die Vornahme dieses Aktes durch Anton v. T. selbst kraft seiner Vollmacht ein Rechtsgeschäft darstellen, "das ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht". Nach beiden Richtungen hin enthält das Urteil des Oberlandesgerichts aber keine Feststellungen. Die Ausführungen des Urteils, die sich mit der Verneinung der Scheinnatur der Übertragungsakte beschäftigen, enthalten zwar einige Bemerkungen, aus denen man folgern könnte, daß das Oberlandesgericht einen derartigen Sachverhalt für wahrscheinlich erachtet. Eine dem § 286 C.P.O. gerecht werdende tatsächliche Feststellung hat das Reichsgericht aber in diesen in einem anderen rechtlichen Zusammenhange sich bewegenden Äußerungen nicht erblicken können, so daß von der Bestimmung in § 565 Abs. 3 Ziff. 1 C.P.O. kein Gebrauch gemacht werden konnte."

  • 1. Planck, Bem. 2 zu § 181; Rehbein, S. 255; Cosack, 4. Aufl. § 68; Kuhlenbeck, 2. Aufl. S. 147. D. E.
  • 2. Enneccerus u. Lehmann, 2. Aufl. S. 223; Hölder, S. 381; Dernburg, S. 497; Hupka, Vollmacht S. 342. D. E