RG, 28.03.1884 - III 349/83

Daten
Fall: 
Ehescheidungsstrafen
Fundstellen: 
RGZ 11, 201
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.03.1884
Aktenzeichen: 
III 349/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Braunschweig
  • OLG Braunschweig

1. Voraussetzungen und heutige Anwendbarkeit der Erhöhung der Ehescheidungsstrafen.
2. Zeitpunkt des für den Betrag der Scheidungsstrafe maßgebenden Vermögensbestandes.
3. Ist der schuldige Ehegatte verpflichtet, behufs Ermittelung des Betrages der Strafe ein Verzeichnis seines Vermögens herauszugeben und dasselbe eidlich zu bestärken?

Tatbestand

Die Klägerin klagte gegen ihren Ehemann wegen Ehebruches desselben auf Scheidung ihrer Ehe, der Beklagte bestritt die Klage und beantragte zugleich widerklagend die Ehescheidung auf Grund der Behauptung eines Ehebruches der Klägerin. Das erste Gericht hielt den Ehebruch des Beklagten für erwiesen, den der Klägerin und Widerbeklagten vorgeworfenen Ehebruch für nicht erwiesen, sprach demnach auf Grund der Klage die Scheidung der Ehe der Parteien aus und wies die Widerklage ab. Die Berufung des Beklagten wurde verworfen, ebenso die von ihm eingelegte Revision. Nunmehr stellte die Klägerin gegen den Beklagten eine weitere Klage an, in welcher sie von ihm als Ehescheidungsstrafe die Auskehrung des Wertes eines Drittels seines Vermögens verlangte, weil der regelmäßig in einem Viertel des Vermögens des schuldigen Teiles bestehende Betrag der Strafe wegen der von dem Beklagten in seiner Widerklage gegen sie erhobenen falschen Anschuldigung des Ehebruches um ein Drittel zu erhöhen sei, und ferner beanspruchte, daß die Strafe nach dem Bestande des Vermögens des Beklagten im Zeitpunkte der Zustellung ihrer Scheidungsklage, bezw. der Verkündung des erstinstanzlichen Scheidungsurteiles bemessen, dem Beklagten auch die Herausgabe eines eidlich zu bestärkenden Verzeichnisses seines Vermögens auferlegt werde. Die erste Instanz verurteilte den Beklagten, der Klägerin den Wert eines Viertels des Vermögens, welches er im Zeitpunkte der Verkündung des drittinstanzlichen Urteiles, als dem Zeitpunkte der Rechtskraft der erkannten Scheidung, besessen habe, auszukehren, und wies im Übrigen die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte nur den Erfolg, daß dem Beklagten noch die Herausgabe eines eidlich zu bestärkenden Vermögensverzeichnisses auferlegt wurde. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes legte die Klägerin Revision ein, indem sie sich dadurch beschwert erachtete, daß ihren Anträgen in betreff der Höhe der Strafe, sowie des für den Vermögensbestand maßgebenden Zeitpunktes nicht entsprochen worden war. In ersterer Beziehung trat sie jetzt noch mit der rechtlichen Ansicht auf, daß die beantragte Straferhöhung nach heutigem Rechte schon wegen des Ehebruches des Beklagten gerechtfertigt sei. Der Beklagte schloß sich der Revision an mit dem Antrage,

seine Verurteilung zur eidlichen Manifestation seines Vermögens aufzuheben und die Berufung der Klägerin gänzlich abzuweisen.

Das Reichsgericht wies sowohl die Revision, als auch die Anschlußrevision zurück aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die infolge einer Ehescheidung dem schuldigen Teile als Ehescheidungsstrafe obliegende Verpflichtung, dem anderen Teile ein Viertel seines Vermögens herauszugeben, erhöht sich nach den Vorschriften der Nov. 117 cap. 8 §. 2 §§. 4, 5 um ein Drittel auf seiten der Frau, wenn die Ehe wegen ihres Ehebruches geschieden ist, und auf seiten des Mannes, wenn die Scheidung erfolgt ist entweder, weil er die Frau durch eine gegen sie erhobene Kriminalanklage ( accusatio) wissentlich falsch ( calumnia) des Ehebruches beschuldigt, oder weil er in der gemeinschaftlichen Wohnung eine Konkubine gehalten oder in einem anderen Hause des gemeinschaftlichen Wohnortes mit einer Konkubine zusammen gewohnt hat. Diese Vorschriften standen im Zusammenhange mit dem damaligen Rechte, daß der Ehebruch der Frau den Mann zur Scheidung berechtige, wenn sie vorher in einem auf seinen Antrag gegen sie eingeleiteten Kriminalverfahren desselben überführt worden war, daß dagegen der Ehebruch des Mannes nur im Falle des vorerwähnten Konkubinatsverhältnisses die Scheidungsberechtigung der Frau begründe. Deswegen ist von einigen Seiten die Meinung aufgestellt worden, daß durch die seitdem eingetretene Veränderung des Ehescheidungsrechtes, insbesondere durch die Beseitigung der verschiedenen Behandlung des Mannes und der Frau in betreff der Scheidungsgründe, zugleich auch diese Vorschriften über die Erhöhung der Scheidungsstrafen für das heutige Recht überhaupt unanwendbar geworden seien.1

Von anderer Seite ist behauptet worden, daß diese Straferhöhungen wegen ihres Charakters als eine für den Ehebruch und die falsche Anschuldigung angedrohte Privatstrafe durch die heutige kriminelle Strafbarkeit der betreffenden Handlungen beseitigt seien.2

Beide Meinungen können nicht für richtig gehalten werden. Durch den bloßen Wegfall der Gründe, welche die Erlassung eines Gesetzes veranlaßt haben, wird das Gesetz selbst nicht wegfällig gemacht. Und die sogenannten Ehescheidungsstrafen sind auch nicht bloß als eine Strafe aufzufassen, sie bezwecken vielmehr zugleich und hauptsächlich eine Entschädigung des unschuldigen Teiles für die ihm durch die Scheidung der Ehe verursachten Nachteile, und es darf daher auch die Straferhöhung aus einer bei der billigen Bestimmung der Höhe der Entschädigung statthaften Rücksichtnahme auf die erschwerenden Umstände des Falles erklärt werden.

Der in den obigen Gesetzesvorschriften gedachte qualifizierte Fall des Ehebruches liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat aber unter Bezugnahme auf Sintenis, Civilrecht Bd. 3 §. 136 a. E. auszuführen gesucht, daß, weil nach heutigem Rechte jeder Ehebruch des Mannes die Frau zu dem Scheidungsantrage berechtige, auch die Straferhöhung heutigen Tages den Mann, ebenso wie nach dem Rechte der Quellen die Frau, in jedem Falle einer Scheidung wegen Ehebruches treffen müsse. Aber auch diese Ausführung scheitert daran, daß eine Veränderung der Verhältnisse, welche für den Inhalt eines Gesetzes maßgebend gewesen sind, nicht ohne weiteres eine entsprechende Abänderung des Gesetzes zu bewirken vermag.

Die quellenmäßigen Voraussetzungen einer Straferhöhung wegen falscher Anschuldigung sind - auch abgesehen von der in prozessualer Hinsicht angefochtenen Annahme der Vorinstanz, daß eine wissentlich falsche Anschuldigung nicht erwiesen sei, - hier gleichfalls nicht vorhanden, und zwar einesteils, weil die Ehescheidung nicht wegen der falschen Anschuldigung erfolgt ist, anderenteils, weil die Anschuldigung nicht im Wege einer Kriminalanklage erhoben worden ist. In ersterer Beziehung ist zwar von einigen Juristen aus cap. 4 X de don. i. v. e. u. 4, 29 gefolgert worden, daß die Straferhöhung nur noch durch die betreffende Handlung bedingt sei, sodaß es keinen Unterschied mache, ob die Ehescheidung wegen dieser Handlung oder aus einem anderen Grunde erkannt sei; allein diese Meinung findet in dem Inhalte der angeführten Stelle keine Unterstützung. In letzterer Beziehung hat die Klägerin geltend gemacht, daß, weil nach dem heutigen Ehescheidungsverfahren die Überführung der Frau wegen des Ehebruches nicht mehr im Wege einer Kriminalanklage, sondern in dem Scheidungsprozesse stattzufinden habe, auch im Sinne der hier fraglichen Gesetzesvorschrift die heutigen Tages in dem Scheidungsprozesse erhobene Beschuldigung der früher erforderlichen Kriminalanklage gleichgeachtet werden müsse. Aber auch diese Auffassung kann umso weniger für gerechtfertigt gehalten werden, als man annehmen darf, daß bei der Androhung der Straferhöhung auch Rücksicht genommen ist auf die schweren kriminellen Strafen, welche mit der Überführung und Verurteilung einer Ehebrecherin verknüpft waren. Vielmehr ist, füllte auch, was hier unerörtert bleiben kann, in der wissentlich falschen Beschuldigung eines Ehebruches noch unter Umständen ein Scheidungsgrund gefunden werden dürfen, die fragliche Vorschrift für das heutige Recht gegenstandslos gemacht durch die Bestimmung des Strafgesetzbuches (§. 172), daß eine strafrechtliche Verfolgung des Ehebruches erst nach Scheidung der Ehe statthaft ist. Da die Verwirkung der Scheidungsstrafen bedingt ist durch die Scheidung der Ehe, so muß auch der Betrag derselben bemessen werden nach dem Bestande des Vermögens, welches der schuldige Teil im Zeitpunkte der Scheidung besitzt. Dies folgt überdies auch daraus, daß die Strafe, wie schon hervorgehoben, dem unschuldigen Teile eine Entschädigung für die ihm durch die Scheidung der Ehe verursachten Nachteile gewähren soll und daß die vermögensrechtlichen Ansprüche, welche das eheliche Recht dem einen Gatten gegen den anderen beilegt, darunter insbesondere der der Frau gegen ihren Ehemann zustehende Alimentationsanspruch erst mit der Scheidung der Ehe erlöschen. Die Scheidung tritt aber erst ein mit der Rechtskraft des Scheidungsurteiles. Wenn die Klägerin hiergegen hingewiesen hat auf die Gefahr, daß der schuldige Gatte durch die Anstellung der Scheidungsklage veranlaßt werden könne, sich in der Absicht einer Verringerung der Scheidungsstrafe seines Vermögens ganz oder teilweise zu entäußern, so kann es sich nur fragen, ob der unschuldige Teil gegen ein solches betrügerisches Verfahren mit Hilfe anderweiter Rechtsgrundsatze zu schützen sei; diese Frage kommt aber vorliegend nicht in Betracht, weil von der Klägerin derartige Handlungen des Beklagten nicht behauptet sind.

Andererseits ist dem Beklagten die Hergabe eines Verzeichnisses seines Vermögens und die eidliche Bestärkung desselben mit Recht auferlegt worden. Die Ausbildung, welche den Grundsätzen über die Manifestationspflicht eines Schuldners durch die Praxis, ausgehend von der Vorschrift der 1. ult. § 10 Cod. de jur. delib. 6, 39 gegeben worden ist, hat namentlich dahin geführt, daß demjenigen, welcher ein in seinem Besitze befindliches ganzes Vermögen oder einen aliquoten Teil desselben einem Anderen herauszugeben hat, zu diesem Behufe die Hergabe eines aus Verlangen eidlich zu bestärkenden Vermögensverzeichnisses obliegt, falls dem Berechtigten eine ausreichende eigene Kenntnis der Bestandteile des Vermögens nicht zuzuschreiben ist. Die dieser Rechtsentwickelung zu Grunde liegende Anschauung kann nur gefunden werden in einer billigen Rücksichtnahme darauf, daß der Berechtigte ohne die Manifestationspflicht seines Gegners zu der erforderlichen Spezifizierung seiner Klage nicht imstande, vielmehr einer Vermögensverheimlichung desselben schutzlos preisgegeben sein würde. Von diesem Gesichtspunkte aus kann es aber weder darauf ankommen, ob die Herausgabe eines dem Berechtigten eigentümlich gehörigen Vermögens verlangt wird oder der Anspruch desselben bloß obligatorischen Inhaltes ist, noch auch darauf, ob das Vermögen demselben in Natur herauszugeben ist oder ihm statt dessen nur ein Anspruch auf eine nach dem Werte des Vermögens sich bestimmende Geldsumme zukommt. Daß die Manifestationspflicht auch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß das Vermögen sich im Alleineigentum des Schuldners befindet, ergiebt sich schon aus der Vorschrift der 1. ult. §. 10 a. a. O. Demnach ist auch schon vom Reichsgerichte erkannt worden, daß der mit der Pflichtteilsergänzungsklage belangte Erbe zur eidlichen Manifestation des Nachlasses verpflichtet ist, vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 8 Nr. 41 S. 164, und ebenso ist auch, in Übereinstimmung mit Roth a. a. O.; Strippelmann, Gerichtseid S. 322; Seuffert, Arch. Bd. 3 Nr. 68, Bd. 18 Nr. 259 (Jena), S. jetzt auch R. Wagner, Handbuch des Seerechtes §. 24 C. 4 S. 194. D. R. die Manifestationspflicht des auf die Auskehrung der Ehescheidungsstrafe belangten geschiedenen Ehegatten anzuerkennen." ...

  • 1. Vgl. Ortloss, Jur. Abh. Bd. 2 S. 36; Seuffert, Arch. Bd. 18 Nr. 89 (Jena).
  • 2. Vgl. Roth, Deutsches Privatr. Bd. 2 §. 149 Nr. 7. (Mandry hat dieselbe in der ersten Auflage seines Reichscivilrechtes S. 183 aufgestellte Ansicht in der zweiten Auflage S. 259 zurückgenommen.)