RG, 28.02.1884 - IV 490/83

Daten
Fall: 
Wechselseitiges Testament von Eheleuten
Fundstellen: 
RGZ 11, 258
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.02.1884
Aktenzeichen: 
IV 490/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Posen
  • OLG Posen

In welchem Zeitpunkte tritt der Erwerb des in einem wechselseitigen Testamente von Eheleuten gemeinschaftlich ausgesetzten Vermächtnisses ein?

Tatbestand

Die Eheleute Rittergutsbesitzer A. M. und L. geborene G. hatten in ihrem gemeinschaftlich errichteten Testamente sich wechselseitig zu Erben eingesetzt, fideikommissarische Substitutionen angeordnet, dem Kaufmanne Leopold W. ein Vermächtnis im Betrage von 3600 M, zahlbar sechs Monate nach dem Tode des Letztlebenden der Ehegatten, ausgesetzt und gleichzeitig bestimmt, daß, wenn Leopold W. vor ihnen verstürbe, das Vermächtnis nicht ungültig werden, sondern den Erben des W. zufallen solle. Der Ehemann starb zuerst. Nachdem das Testament eröffnet war und die Witwe M. die Erbschaft aus dem Testamente angetreten hatte, cedierte der Kaufmann Leopold W. den Anspruch auf die 3600 M an die Beklagte. Hierauf starb Leopold W. Nach ihm ging die Witwe M. mit Tode ab. Nunmehr erhoben die Erben des Leopold W. gegen die Cessionarin Klage auf Ungültigkeitserklärung der Cession. Das Gericht erster Instanz sprach die Ungültigkeit aus. Auf die Berufung der Beklagten wurde jedoch die Klage abgewiesen. Die von den Klägern eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

"Das Berufungsgericht hat auf das von den Eheleuten Rittergutsbesitzer M. am 28. Mai 1864 gemeinschaftlich errichtete Testament die Bestimmung des §. 492 A.L.R. II. 1 angewendet und danach angenommen, daß die Ehefrau M., welche den Ehemann überlebt und die Erbschaft aus dem nach dem Tode des Ehemannes eröffneten Testamente angetreten habe, an das in dem Testamente für den Leopold W. ausgesetzte Vermächtnis von 3600 M gebunden gewesen sei. Diese Annahme entspricht der im §. 492 a. a. O. enthaltenen Rechtsnorm. Aus der infolge des Erbschaftsantrittes für die überlebende Ehefrau eingetretenen Unwiderruflichkeit des Vermächtnisses schließt das Berufungsgericht, daß das Vermächtnis dem Bedachten schon mit dem Tode des Ehemannes M. angefallen gewesen sei, und es faßt die testamentarische Bestimmung, nach welcher die 3600 M erst sechs Monate nach dem Tode des Letztlebenden der Ehegatten gezahlt werden sollen, dahin auf, daß die Testatoren damit nur die Zeit der Auszahlung der dem Vermächtnisnehmer zugedachten Geldsumme hinausgeschoben haben. Diesen Entscheidungsgrund greifen die Kläger mit der Ausführung an, derselbe verstoße gegen den Rechtssatz, daß ein Erwerb des Vermächtnisrechtes vor dem Tode des Erblassers nicht stattfinde. Der Anspruch auf das Vermächtnis habe daher jedenfalls insoweit, als das Vermächtnis auf der letztwilligen Verfügung der Ehefrau M. beruhe, vor dem Tode der letzteren nicht mit rechtlicher Wirkung abgetreten werden können. Der Anspruch sei vielmehr erst mit dem Tode der Ehefrau M. entstanden und stehe daher, da Leopold W. vor der Ehefrau M. gestorben sei, ihnen als den Rechtsnachfolgern des Leopold W. auf Grund der zu ihren Gunsten getroffenen besonderen testamentarischen Bestimmungen zu. Der Angriff geht jedoch fehl. Das in Frage stehende Vermächtnis läßt sich nicht in der Art teilen, daß es zu einem Teile als auf der letztwilligen Verfügung des Ehemannes M., zum anderen auf der Verfügung der Ehefrau beruhend angesehen werden kann. Es ist vielmehr, dem in dem Testamente von beiden Eheleuten einheitlich ausgesprochenen Vermächtniswillen gemäß, als ein einheitliches aufzufassen. Daher kann für dasselbe nur ein Zeitpunkt des Anfallens und des damit eintretenden Erwerbes angenommen werden. Der fragliche Zeitpunkt aber kann nur derjenige sein, in welchem der Vermächtnisnehmer ein unentziehbares Recht auf den Gegenstand des Vermächtnisses erlangt, wenn auch der Fälligkeitstermin der Entrichtung desselben damit noch nicht eingetreten ist. Jener Erwerb ist daher mit dem Tode des Ehemannes M. und der Annahme der Erbschaft aus dem Testamente seitens der Witwe M. als erfolgt anzusehen.1

Hieraus ergiebt sich, daß der Anspruch des Kaufmannes Leopold W. auf die ihm vermachten 3600 M zur Zeit der Abtretung vom 11. Oktober 1866 bereits erworben, wenn auch noch nicht fällig gewesen ist. Der Angriff, welchen die Kläger gegen die vom Berufungsgerichte angenommene Rechtswirksamkeit der Abtretung gerichtet haben, versagt also."

  • 1. Vgl. Göschel in der Zeitschrift von Simon und v. Strampff Bd. 2 S. 48 flg.; Dernburg, Preuß. Privatr. Bd. 3 §. 183 a. E.; Striethorst, Archiv Bd. 62 S. 236.