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RG, 28.01.1889 - IV 288/88

Daten
Fall: 
Leichenbestattungsgewerbe
Fundstellen: 
RGZ 23, 22
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.01.1889
Aktenzeichen: 
IV 288/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Breslau
  • Oberlandesgericht Breslau

1. Unterliegt der Betrieb des Leichenbestattungsgewerbes nach der Reichsgewerbeordnung keinen Beschränkungen?
2. Wird das Recht zum Betriebe dieses Gewerbes durch das Recht der Kirchengemeinden, die Bestattung der Leichen der Eingepfarrten auszuführen, in Ansehung der letzteren ausgeschlossen?

Tatbestand

Der Kontordiener S. hatte bei der Beklagten für den am 25. April 1887 verstorbenen Arbeiter P. ein Begräbnis bestellt und die betreffenden Gebühren bezahlt, demnächst aber auf die Ausführung dieser Bestattung verzichtet und den Kläger, welcher Inhaber eines Beerdigungsinstitutes ist, beauftragt, die Leiche von dem Trauerhause durch seinen, des Klägers, Leichenwagen und das dazu gehörige Personal abholen, nach dem der Stadtgemeinde Breslau gehörigen Friedhofe in G. überführen und dort die Einsenkung und Beerdigung vornehmen zu lassen. Von dem erteilten Auftrage hat Kläger der Beklagten Kenntnis gegeben und darauf von dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates den Bescheid erhalten, daß er kein Recht habe, mit seinem Leichenwagen eine Leiche nach dem Kirchhofe überzuführen und ebensowenig sie durch sein Personal auf dem Kirchhofe beerdigen zu lassen, und daß deshalb der Totengräbermeister werde angewiesen werden, dafür Sorge zu tragen, daß sein Vorhaben nicht ausgeführt werden könne. Demgemäß ist auch der Kläger, welcher sich mit Leichenwagen und Personal an die Trauerwohnung begeben hatte, von dem Totengräbermeister der Beklagten, obwohl er Widerspruch erhob, an der Ausführung des ihm erteilten Auftrages verhindert worden. Der Kläger erachtet sich durch das Vorgehen der Beklagten in seinem Gewerbebetriebe beeinträchtigt und hat die Verurteilung der Beklagten verlangt: anzuerkennen, daß sie nicht berechtigt sei, ihm die Überführung von Leichen nach dem der Stadtgemeinde Breslau gehörigen Friedhofe zu G., die Überführung derselben auf diesem Kirchhofe an das Grab und ihre Einsenkung in das Grab mit seinen, des Klägers, Angestellten, Wagen und Geräten zu untersagen, noch ihn in dieser Thätigkeit zu verhindern. Die Beklagte hat geltend gemacht, daß ihr das ausschließliche Recht zustehe, die Beerdigung ihrer Parochianen auszuführen. Beide Instanzrichter haben abweichend erkannt. Die von dem Kläger eingelegte Revision ist vom Reichsgerichte verworfen aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Die Berufungsentscheidung beruht auf der Annahme, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Gewerbefreiheit den Pfarrzwang der Beklagten in der hier in Rede stehenden Beziehung nicht ausschließen.

Daß das Leichenbestattungsgewerbe im Sinne der Reichsgewerbeordnung ein freies Gewerbe und sein Betrieb von einer obrigkeitlichen Erlaubnis nicht abhängig ist, hat der Berufungsrichter nicht ausdrücklich ausgesprochen. Er setzt jedoch diesen Rechtszustand als bestehend voraus, und darin ist ihm beizutreten. Die Reichsgewerbeordnung erwähnt das Leichenbestattungsgewerbe überhaupt nicht, sodaß die Zulassung zu seinem Betriebe gemäß §. 1 daselbst keiner Beschränkung unterliegt. Daß dies die Auffassung des Gesetzes und gerade beabsichtigt ist, den Betrieb des fraglichen Gewerbes von allen bestehenden Schranken (vgl. §. 52 der preußischen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845) zu befreien, ergiebt sich aus den Vorarbeiten zur Reichsgewerbeordnung. Die Motive zu dem "Entwurfe einer Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund" vom Jahre 1869 §.341 besagen:

" ... Es ist hervorzuheben, daß dem Antrage der Kommission des Reichstages, das Monopol der Leichenreiniger und Leichenbestattungsunternehmer zu beseitigen, Folge gegeben ist, indem anzunehmen ist, daß die Kommunalbehörden wohl in der Lage sein werden, die Zwecke, zu welchen die Bestellung solcher Personen eingeführt ist, auch ohne eine ausschließliche Gewerbeberechtigung derselben zu erreichen."

Der Klagegrund ist daher dargethan, sodaß die weitere Erörterung nur den Einwand zum Gegenstande hat: der Beklagten stehe ein die Ausübung des Gewerbes von seiten des Klägers einschränkendes besonderes Recht zu.

Die Erwägung des Berufungsrichters geht dahin: nach der "Revidierten Stolä-Taxordnung für die sämtlichen evangelischen Kirchen des städtischen Patronates zu Breslau" vom 27. Januar 1860, deren Satzungen die Parochianen unterworfen sind, unterliegt deren Leichenbestattung dem Pfarrzwange; der Pfarrzwang stellt sich als ein Zwangsrecht dar, dessen Ausübung einen Gewerbebetrieb nicht enthält, und welches daher durch die Gewerbegesetzgebung nicht betroffen worden ist.

Der Inhalt der Stoltaxordnung, soweit derselbe hier in Betracht kommt, ist auf Grund des in dem Breslauer Bürgerbuche enthaltenen Abdruckes, den beide Teile als richtig anerkannt haben, wie folgt, festgestellt:

Alle Begräbnisse werden nach dem größeren oder geringeren Gepränge in sieben Klassen geteilt (§. 31). Nach §. 32 steht es jedem frei, sich nach einer dieser sieben Klassen beerdigen zu lassen, doch muß sich jeder mit dem Ceremoniell begnügen, welches der gewählten Klasse beigelegt ist. Der §. 33 unterscheidet in jeder Klasse notwendige Attribute, welche den Charakter der Klasse ausmachen und daher bei der Wahl derselben vollständig genommen oder doch bezahlt werden müssen, und Attribute der freien Wahl, bei denen es in den freien Willen der Beteiligten gestellt ist, dieselben ganz oder zum Teil oder gar nicht zu begehren. Nach §. 34 ist jeder parochialpflichtige Einwohner in der Parochie zu begraben, in welcher er zur Zeit seines Todes seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Der §. 35 handelt von Todesfällen im Krankenhospitale zu Allerheiligen und bestimmt:

Stirbt jemand, der seinen ordentlichen Wohnsitz hierorts (in Breslau) außerhalb der Elisabethgemeinde hat, im Krankenhospitale zu Allerheiligen, so wird er in der Elisabethparochie begraben.

Nach §. 44 wird "das zum Hinausfahren der Leichen auf den Begräbnisplatz erforderliche Fuhrwerk seitens der Kirche gestellt".

In §. 45 ist bestimmt:
Die Begleitung des Leichenwagens findet nur durch Mitglieder des kirchlichen Leichenbegleitkorps statt, sofern nicht besondere Berechtigungen dem entgegenstehen (wie nach §. 62 Nr. 4 zu Gunsten der Zünfte).

und in §. 48:
Denjenigen, welche ein Begräbnis ausrichten, ist es nicht gestattet, die Schrauben zum Sarge, die Handhaben dazu und die Senktücher selbst herzugeben, vielmehr sind diese Gerätschaften für die taxmäßigen Sätze vom Totengräber zu besorgen,

und ferner im §. 62 Nr. 3:
Sänger und Musiker müssen stets und ausschließlich aus dem Sänger- und Musikchor der betreffenden Kirche genommen werden.

Die Beerdigungskosten sind nach den sieben Klassen abgestuft, wofür Leichenwagen, Leichentücher, Führer, Versenkung und beziehentlich Geläute gewährt werben; für die Attribute der freien Wahl wird besonders bezahlt (§§. 54 - 61).

Nach der Auslegung des Berufungsrichters ist durch diese Festsetzungen der Stoltaxordnung der Kirche ein ausschließliches Recht auf die Beerdigung ihrer Parochianen mit ihren Wagen, Trägern, Gerätschaften und Musikinstituten zugesprochen. Was die Träger, die Gerätschaften und die Musikinstitute anlangt, so wird konstatiert, daß insoweit dem fraglichen Rechte mit klaren Worten Ausdruck gegeben ist. Es wird aber auch hinsichtlich der Leichenwagen, obgleich die Fassung des §. 44 weniger bestimmt sei, als die der §§. 45. 48. 62 Nr. 3, für zweifellos erklärt, daß nach dem Sinne der Stoltaxordnung auch nur die Wagen der Kirche zugelassen werden sollen. Diese Annahmen sind für die gegenwärtige Instanz bindend. Dieselben beruhen auf der Auslegung der Stoltaxordnung und entziehen sich der Nachprüfung in der Revisionsinstanz, da revisibles Recht nicht in Frage steht. Gesetzliche Auslegungsregeln sind nicht verletzt. Wenn die Revision rügt, es sei bei Auslegung des §. 44 gegen den Grundsatz verstoßen, daß Ausnahmen einschränkend zu interpretieren seien, so versagt diese Rüge, weil es sich hier nicht um eine Ausnahmebestimmung handelt.

Um die Rechtsgültigkeit der Stoltaxordnung und ihre Rechtsverbindlichkeit für die Parochianen darzuthun, ist der Berufungsrichter auf die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften der §§. 260. 435. 446. 453. 454. 108. 109. 46 - 48 A.L.R. II. 1 I zurückgegangen.

Wie er annimmt, ist die Stoltaxordnung auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen erlassen worden. Zwar ergebe, so wird ausgeführt, der vorliegende Abdruck nicht, wer sie erlassen habe, und in ihrer Einleitung sei erwähnt, daß ihre Vorgängerin vom 13. November 1840 vom Magistrate "aufgerichtet" sei; aber wenn dies auch bei der Ordnung vom Jahre 1860 der Fall sein sollte, so könne doch kein Zweifel darüber obwalten, daß dabei der Magistrat nur kraft des damals noch bestehenden Patronates mitgewirkt habe, und daß dieselbe als kirchliche Ordnung anzusehen sei; denn in der Einleitung sei ferner erwähnt, daß die Ordnung von 1840 unter Genehmigung des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten mit der Maßgabe eingeführt sei, daß sie nach Ablauf dreier Jahre einer Revision unterworfen werde, und wenn auch der Abdruck gleichfalls nicht ergebe, welche staatliche Behörde die Ordnung von 1860 erlassen habe, so bestehe sie doch in anerkannter Wirksamkeit und sei daher anzunehmen, daß in Ansehung ihrer dem §. 425 A.L.R. II. 1 I, nach welchem das Recht, eine Taxordnung für die Stolgebühren vorzuschreiben, allein dem Staate gebühre, genügt sei, wie andererseits davon auszugehen sei, daß die Ordnung auf Antrag oder nach Anhörung und mit Zustimmung der Gemeinde erlassen worden, sodaß sie als Statut der Korporation gelte, welches die Mitglieder verbinde und dem darin ausgesprochenen Zwange unterwerfe.

Der Berufungsrichter legt sonach der Stoltaxordnung den Charakter des Statuts , einer auf der Autonomie der Kirchengesellschaften beruhenden, staatlich anerkannten Rechtsnorm bei, und dieser Standpunkt ist als berechtigt anzusehen.

Das rechtsgeschichtlich, insbesondere in der evangelischen Kirche, bestandene Recht der Kirchengemeinde, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln, hat auch im Allgemeinen Landrechte Anerkennung gefunden.

Nach §. 26 A.L.R. II. 6 sind die Verhältnisse und Rechte der Korporationen und Gemeinen hauptsächlich nach den bei ihrer Errichtung geschlossenen Verträgen oder ergangenen Stiftungsbriefen, nach den vom Staate erhaltenen Privilegien und Konzessionen, und nach den auch in der Folge unter Genehmigung des Staates abgefaßten Schlüssen zu beurteilen. Der §. 27 a. a. O. besagt, daß die solchergestalt bestimmten Rechte und Pflichten der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, sowie die wegen des Betriebes der gemeinschaftlichen Angelegenheiten getroffenen Einrichtungen die Verfassung der Korporation ausmachen. Nach §. 37 ist jedes in die Korporation neu eintretende Mitglied der Verfassung derselben unterworfen, und §. 40 bestimmt, daß, soweit die Verfassung aus den in den §§. 26 flg. angegebenen Quellen nicht zu entnehmen sei, auf die wegen verschiedenen Arten der Korporationen ergangenen besonderen Gesetze Rücksicht genommen werden müsse. Danach legt das Allgemeine Landrecht den Korporationen und Gemeinen generell das Recht bei, die zur Regelung ihrer gemeinschaftlichen Angelegenheiten, insbesondere zur Bestimmung der Rechte und Pflichten der Gesamtheit und der einzelnen Mitglieder erforderlichen Unordnungen mit bindender Kraft für alle Teile zu erlassen, und macht deren Rechtsbeständigkeit nur von der staatlichen Genehmigung abhängig. Dieser allgemeine Grundsatz findet auch auf Kirchengesellschaften Anwendung. Dies ergiebt sich schon aus dem allegierten §. 40, in welchem ausdrücklich ausgesprochen ist, daß die Normen der §§. 26 flg. in erster Reihe auf alle Arten von Korporationen Anwendung finden sollen. Es werden aber auch im Tit. 11 Tl. II des Allgem. Landrechtes, welcher speziell von den Rechten und Pflichten der Kirchen- und geistlichen Gesellschaften handelt, die vom Staate genehmigten Statuten und Verfassungen als Rechtsquelle für die Gesellschaften und ihre Mitglieder besonders hervorgehoben. In dieser Hinsicht wird verwiesen auf §. 235 daselbst, welcher besagt:

Die Verhältnisse zwischen den Kirchengesellschaften und deren Mitgliedern, in Ansehung der Güter und des Vermögens der ersteren, sind nach den allgemeinen Grundsätzen von Korporationen überhaupt und demnächst nach der unter Genehmigung des Staates hergebrachten Verfassung einer jeden einzelnen Kirchengesellschaft bestimmt;

§. 101, welcher lautet:
Nur da, wo Provinzialgesetze oder vom Staate gebilligte Statuten der Kirche ein Erbrecht auf einen gewissen Teil dieses Erwerbes (nämlich: der Einkünfte des Amtes der Geistlichen, §. 100) beilegen, hat es dabei sein Bewenden;

ferner auf die §§. 947. 1123 u. a. m. Im Anschlusse an den landrechtlichen Standpunkt hat auch die neuere preußische Gesetzgebung, den Ausbau der evangelischen Kirchenverfassung betreffend, das autonomische Recht der Kirchengemeinden ausdrücklich anerkannt und speziell geregelt (vgl. die Gemeinde- und Synodalordnung für die älteren Provinzen vom 10. September 1873 [G. S. 418] §§. 31 Nr. 1I. §§.46.53 Nr. 8, §. 65 Nr. 5, Gesetz vom 25. Mai 1874 [G. S. 147] Art. 5, Gesetz vom 3. Juni 1876 [G. S. S. 125] Art. 2 Nr. 4). Darüber, in welchem Umfange der Kirchengemeinde das Recht der Statutenerrichtung zusteht, und auf welche Gegenstande sich dasselbe erstreckt, stellt das Allgem. Landrecht keine bestimmten Normen auf. Es ist aber davon auszugehen, daß in den Bereich dieses Rechtes jedenfalls diejenigen Verhältnisse der Gemeinden und ihrer Mitglieder fallen, für welche schon in dem Gesetze eine Grundlage gegeben ist, und in betreff deren es daher nicht zweifelhaft sein kann, daß ihre Regelung zur Erreichung des Zweckes der kirchlichen Vereinigung dienlich und geboten ist. Dies vorausgesetzt, ist dem Berufungsrichter darin beizutreten, daß die Ordnung des Begräbniswesens, wie solche in der Stoltaxordnung stattgefunden hat, Gegenstand statutarischer Festsetzung sein konnte. Nach den allegierten §§. 453 flg. A.L.R. II. 11 soll der Regel nach jeder Parochiane in seiner Parochie begraben werden; nach §§. 418 flg. daselbst hat der Pfarrer das Recht, von den Parochianen zu fordern, daß sie sich in ihren Religionshandlungen, zu deren Vollziehung es der Mitwirkung eines Pfarrers bedarf, seines Amtes bedienen, und zu den Handlungen, welche dem Pfarrzwange unterworfen sind, gehört das Begräbnis der Parochianen. Wenn nun auch, wie schon der Berufungsrichter erwogen hat, nicht jede bei Begräbnissen sich vollziehende Handlung eine Religions- oder gottesdienstliche Handlung ist, so ist es doch Aufgabe der Kirche, die Grenzen der letzteren zu bestimmen und dafür zu sorgen, daß das Begräbnis mit Rücksicht auf die dabei vorkommenden religiösen Handlungen im ganzen in einer äußerlich würdigen Form vor sich gehe. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es als den Interessen der kirchlichen Vereinigung entsprechend anzusehen, wenn die Ausführung sämtlicher Begräbnishandlungen in die Hand der Kirche gelegt worden ist. Daß in einzelnen Fällen von den Beteiligten die Mitwirkung eines Geistlichen beim Begräbnisse nicht gewünscht wird und alsdann eine solche nicht stattfindet, ist ein für die Beurteilung unerheblicher Umstand.

Die Frage anlangend, ob die Stoltaxordnung in rechtsverbindender Weise erlassen worden, ist zwar der Gang ihrer Entstehung nicht völlig klargestellt. Der Berufungsrichter konstatiert jedoch, daß sie " in anerkannter Wirksamkeit " stehe, und schließt daraus, daß ihr Erlaß unter staatlicher Sanktion und auf Antrag oder nach Anhörung und mit Zustimmung der Gemeinde stattgefunden habe. Diese Feststellung bewegt sich auf thatsächlichem Gebiete und entzieht sich daher der Nachprüfung in der gegenwärtigen Instanz. Aus derselben in Verbindung mit dem Vorbemerkten ergiebt sich aber die Rechtsverbindlichkeit der Stoltaxordnung in dem hier in Frage stehenden Umfange für die Kirchengesellschaft und ihre Mitglieder.

Dieser Annahme gegenüber kommt es bei der weiteren Entscheidung darauf an, ob die Ausübung des von der Beklagten auf Grund der Stoltaxordnung in Anspruch genommenen Rechtes mit Rücksicht auf die dem Kläger zur Seite stehende Freiheit des Gewerbebetriebes ausgeschlossen erscheint. Auch in der Beurteilung nach dieser Richtung ist die Auffassung des Berufungsrichters rechtlich nicht zu beanstanden.

Mit dem letzteren ist davon auszugehen, daß die Freiheit des Gewerbebetriebes ihre Schranke findet an dem bestehenden Rechte anderer. Soweit das Recht einer Person, gewisse Handlungen ausschließlich vorzunehmen, neben der Gewerbeordnung Bestand hat, ist der Widerspruch dieser Person gegen die Vornahme der fraglichen Handlungen durch einen Anderen, der sich auf die Freiheit des Gewerbebetriebes stützt, ein berechtigter, und der Gewerbetreibende muß demselben weichen. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Recht ist aber ein solches, dessen Existenz durch die Gewerbegesetzgebung nicht alteriert ist.

Die Reichsgewerbeordnung, bezeichnet in §. 7 Nr. 1. 2 (die folgenden Nummern interessieren nicht) als aufgehoben:

  1. die noch bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, d. h. die mit dem Gewerbebetriebe verbundenen Berechtigungen, Anderen den Betrieb eines Gewerbes, sei es im allgemeinen oder hinsichtlich der Benutzung eines gewissen Betriebsmateriales, zu untersagen oder sie darin zu beschränken,
  2. die mit den ausschließlichen Gewerbeberechtigungen verbundenen Zwangs- und Bannrechte,...

Danach sind nur die noch bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, sowie die mit dem Gewerbebetriebe verbundenen bezeichneten Berechtigungen und Zwangs- und Bannrechte aufgehoben, also nur solche Rechte, deren Ausübung einen Gewerbebetrieb in sich schließt. Nach §. 8 daselbst unterliegen sodann der Ablösung:

  1. diejenigen Zwangs- und Bannrechte, welche durch die Bestimmungen des §. 7 nicht aufgehoben sind, sofern die Verpflichtung auf Grundbesitz haftet, die Mitglieder einer Korporation als solche betrifft, oder Bewohnern eines Ortes oder Distriktes vermöge ihres Wohnsitzes obliegt,
  2. das Recht, den Inhaber einer Schankstätte zu zwingen, daß er für seinen Wirtschaftsbedarf das Getränke aus einer bestimmten Fabrikationsstätte entnehme, und der §. 10 schreibt vor, daß Berechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche für ablösbar erklärt worden sind, fortan nicht mehr erworben werden können. Auch diese Gesetzesvorschriften haben gewerbliche Berechtigungen und Zwangs- und Bannrechte im Auge. Wesentlich denselben Standpunkt hatte die preußische Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845, unter deren Geltung die Stoltaxordnung erlassen ist, eingenommen. Der §. 1 daselbst spricht die Aufhebung des in einzelnen Landesteilen mit Gewerbeberechtigungen noch verbundenen Rechtes, anderen den Betrieb eines Gewerbes zu untersagen oder sie darin zu beschränken (ausschließliche Gewerbeberechtigung) aus, und der §. 4 Nr. 1 bezeichnet als aufgehoben: alle Zwangs- und Bannrechte, welche dem Fiskus, einer Kämmerei oder Gemeine innerhalb ihres Kommunalbezirkes, oder einer Korporation von Gewerbetreibenden zustehen. Die §§. 5. 11 entsprechen - mit hier nicht interessierenden Abweichungen - den §§. 8. 10 R.Gew.O.

Das von der Beklagten in Anspruch genommene Recht würde hiernach der Gewerbegesetzgebung gegenüber nur dann als ausgeschlossen gelten, wenn seine Ausübung einen Gewerbebetrieb in sich schließen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Durch die Stoltaxordnung ist eine innere Angelegenheit der Kirchengesellschaft verfassungsmäßig geregelt. Die rechtlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft als solcher und ihren Mitgliedern sind begrenzt worden. Es ist den letzteren der Gesellschaft gegenüber die Verpflichtung auferlegt, in einer die Kirche betreffenden Angelegenheit eintretenden Falles sich nur der Institute der Kirche zu bedienen. Damit wird, wie oben gezeigt, ein kirchlicher Zweck verfolgt, und wenn die Mitglieder gehalten sind, für die von der Kirche gewährten Leistungen eine Abgabe zu zahlen, so hat diese den Charakter der kirchlichen Abgabe."

  • 1. vgl. Koller , Gewerbeordnung S. 60.