RG, 27.02.1884 - I 503/83

Daten
Fall: 
Versicherung auf das Kasko eines Schiffes
Fundstellen: 
RGZ 13, 86
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.02.1884
Aktenzeichen: 
I 503/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

Versicherung auf das Kasko eines Schiffes mit den Klauseln: "in Ballast und/oder mit Ladung nach einem benannten Hafen oder eventuell einem auf der dadurch bedingten Route belegenen näheren Hafen mit Erlaubnis, in und außer der Route und gleichviel zu welchem Zwecke beliebige Platze anzulaufen"; "Abweichungen von der obigen Reise und/oder andere Bestimmung des Schiffes und/oder sonstige Veränderung des Risikos sind stillschweigend und ohne Unterbrechung des Risikos mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit"; "der Risiko dieser Versicherung bleibt nach Ankunft und Entlöschung des Schiffes im Endbestimmungsorte, falls keine neue Versicherung genommen ist, noch 15 Tage in Kraft". Ist durch eine solche Versicherung auch eine Reise gedeckt, welche der Schiffer von einem mit dem Schiffe angelaufenen Hafen aus, der diesseit des angegebenen Prinzipalen Bestimmungshafens liegt, nach einem über diesen hinaus in derselben Richtung gelegenen Bestimmungshafen angetreten hat? Begriff der versicherten Reise und der Erweiterung, Veränderung und Modifikation derselben.

Aus den Gründen

"Kläger, der Kaufmann B. in Elsfleth, war Korrespondentrheder und Mitrheder der Bark Lina, Kapitän Schweichel, und von seinen Mitrhedern zur Versicherung des Kasko dieses Schiffes beauftragt. Auch ist nicht mehr streitig, daß der Assekuranzmakler W. in Hamburg, welcher laut Polize vom 31. August 1881 auf das Kasko der Lina bei verschiedenen hamburgischen Gesellschaften Versicherung für Rechnung wen es angeht genommen hat, hierzu vom Kläger beauftragt war. Die Versicherung ist genommen für den auf 110000 M taxierten Wert des Schiffes, und haben die Versicherer dieselbe laut Polize zur Prämie von 1 1/4 Prozent übernommen für eine Reise:

"von Montevideo in Ballast und/oder mit Ladung irgend welcher Art ohne Ausnahme nach Valparaiso oder eventuell einem südlicheren Hafen Chile's mit Erlaubnis, beliebige Plätze in und außer der Route und gleichviel zu welchem Zwecke anzulaufen."

Dabei ist bemerkt, daß das Risiko dieser Versicherung in direktem Anschlüsse an die vorige Polize validiere. Die Polize enthält daneben die Klausel:

"Abweichungen von der obigen Reise und/oder andere Bestimmungen des Schiffes und/oder sonstige Veränderungen des Risikos sind stillschweigend und ohne Unterbrechung des Risikos hier mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit,"

sowie die fernere Klausel:

"Der Risiko dieser Versicherung bleibt nach Ankunft und Entlöschung des Schiffes am Endbestimmungsorte, falls keine neue Versicherung genommen ist, noch 15 Tage in Kraft."

Im übrigen haben beide Teile sich wegen der aus dieser Versicherung abzuleitenden Rechtsfolgen den 1875 revidierten Bremer Seeversicherungsbedingungen unterworfen.

Das Schiff ist am 1. oder 2. November 1881 in Ballast von Montevideo nach Coronel (in Chile), wo der Kapitän eine Kohlenladung nach Valparaiso zu finden hoffte, abgegangen und daselbst am 7. Dezember angekommen. Da es die erwartete Ladung nicht fand, ging es von hier am 19. oder 20. Dezember in Ballast weiter nach San Antonio (ebenfalls in Chile, nach Klägers Angabe nur etwa eine Tagereise südlich von Valparaiso), wo es am 23. Dezember anlangte. Es war nämlich dem Kapitän, welcher von Coronel über Land nach Valparaiso gereist war, gelungen, durch den dortigen Schiffsmakler W. Befrachtung mit einer Ladung Gerste von San Antonio nach Iquique (in Peru) zu erhalten. Nachdem das Schiff am 23. Dezember in San Antonio angekommen war, verfrachtete der Kapitän dasselbe am 30. Dezember 1881 durch denselben Schiffsmakler weiter für eine Ladung Salpeter von Iquique nach Hampton-Roads für Order nach einem Hafen der Vereinigten Staaten zwischen Boston und Charleston und begann, nachdem er tags vorher die Löschung seines Ballastes beendigt hatte, an dem nämlichen Tage mit der Einladung der Gerste, die am 7. Januar 1882 vollendet wurde. Nachdem das Schiff dann am 8. Januar 1882 seine Reise von San Antonio nach Iquique angetreten hatte, ist es schon um Mitternacht desselben Tages im Angesichte der Küste mit der ganzen Besatzung untergegangen.

Auf Grund dieses Totalverlustes verlangt der Kläger von dem Beklagten, welcher namens der von ihm als Direktor vertretenen Norddeutschen Versicherungsgesellschaft auf die oben gedachte Polize 30000 M gezeichnet hat, die Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen seit dem 14. März 1882 unter der Behauptung, daß die Andienung des Schadens schon am 14. Januar 1882 stattgefunden habe. Der Beklagte hat diesen Anspruch bestritten, indem er in erster Linie geltend machte, daß der eingetretene Schade nicht unter die ausweise der Polize übernommene Versicherung falle. Die Revisionsangriffe des Beklagten richten sich nur gegen die Begründung des zugleich mit dem Endurteile angefochtenen Zwischenurteiles, durch welches der Berufungsrichter diesen Einwand verworfen hat.

Der Berufungsrichter geht mit Recht davon aus, daß in der der Klage zu Grunde liegenden Polize zweierlei Versicherungen enthalten sind, nämlich:

  1. die Versicherung der im Eingänge der Polize bezeichneten Reise von Montevideo nach Valparaiso oder eventuell einem südlicheren Hafen Chile's mit Erlaubnis, beliebige Plätze in und außer der Route anzulaufen, zur Prämie von 1 1/4) Prozent und
  2. die Versicherung aller derjenigen Reisen des Schiffes, welche zu begreifen sind, unter der Klausel "Abweichungen"&etc; gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit", also für eine noch festzustellende eventuell höhere Prämie.

Denn die Annahme des Berufungsrichters, daß auch durch diese Klausel eine Versicherung bereits fest übernommen und nicht bloß ein pactum de contrahendo in derselben enthalten ist, kann nach dem Wortlaute, wie nach dem vernünftigen Zwecke keinem Bedenken unterliegen.1

Ebenso kann es nur gebilligt werden, wenn der Berufungsrichter annimmt, daß unter die erste dieser Versicherungen der reklamierte Schade nicht fällt. ...

Der eingetretene Schade ist aber auch nicht - wie der Berufungsrichter annimmt - gedeckt durch die in der Polize enthaltene Klausel:

"Abweichungen von obiger Reise" und/oder andere Bestimmung des Schiffes und/oder sonstige Veränderung des Risikos sind stillschweigend und ohne Unterbrechung des Risikos hier mitgedeckt gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit,"

und da der Berufungsrichter zu der Auslegung der Polize im entgegengesetzten Sinne nicht etwa auf Grund der Feststellung eines desfallsigen konkreten Vertragswillens der Kontrahenten gelangt, sondern seine anscheinende Vertragsauslegung sich in Wirklichkeit als die Feststellung der Rechtsnorm erweist, daß Polizen von gleicher Fassung stets in diesem Sinne auszulegen seien, so ist dieselbe auch der Anfechtung im Wege der Revision nicht entzogen.2

Die Revision ist auch begründet. Denn die Ausführungen des Berufungsrichters beruhen auf der Verkennung des Unterschiedes zwischen der versicherten und einer sich an dieselbe anschließenden neuen Reise, bezw. der Begriffe "Erweiterung, Veränderung, Modifikation und Beendigung" der versicherten Reise, sowie auf Verletzung der Artt. 817. 818 und 827 H. G. B.

Bei Auslegung der hier fraglichen Klausel ist zunächst davon auszugehen, daß ... die im Eingänge der Polize zur festen Prämie von 1 1/4 Prozent versicherte Reise von Montevideo nach Valparaiso oder eventuell einem südlicheren Hafen Chiles nicht etwa aufgegeben und durch eine andere ersetzt, sondern vollständig zur Ausführung gelangt und in San Antonio, welches Kapitän S. - wie ihm inhalts der Polizei gestattet war - anstatt Valparaiso's als Bestimmungsort gewählt hatte, durch Löschung des Ballastes und Einnahme einer nach Iquique bestimmten Ladung beendigt ist, so daß die Weiterreise nach Iquique dieser (nämlich der versicherten) Reise gegenüber eine neue, auf dieselbe folgende war.3

Was nun den Inhalt der Klausel betrifft, so kann - was auch vom Berufungsrichter nicht angenommen ist - von einer Anwendbarkeit der ersten Kumulative, nach welcher "Abweichungen" von obiger Reise gegen eventuelle Prämienregulierung nach Billigkeit mitgedeckt sein sollen, keine Rede sein, da die Weiterreise des Schiffes von seinem Bestimmungsorte aus sich unmöglich unter "Abweichungen" von dem der versicherten Reise entsprechenden Wege (Art. 818 H. G. B.) subsumieren läßt. Diese Weiterreise fällt aber auch nicht unter die zweite Kumulative "andere Bestimmung des Schiffes". Denn es ist zwar richtig, daß hiernach das Schiff anstatt der versicherten Reise unter dem Schutze der Polize von Montevideo aus jede beliebige andere Reise, z. B. nach Java, hätte machen dürfen und deshalb auch nach Iquique, einem an der Westküste Südamerika's weiter hinauf als Valparaiso liegenden Hafen, hätte gehen können, da das teilweise äußerliche Zusammenfallen dieser Reise mit der ursprünglich versicherten für sich allein allerdings unerheblich ist. Auch ist dem Berufungsrichter darin beizutreten, daß eine Veränderung der Bestimmung des Schiffes durch das vorangegangene Anlaufen von Zwischenhäfen, soweit dies nach der ursprünglichen Versicherung zulässig war, nicht ausgeschlossen gewesen sein würde, und daß Kapitän S. daher auch noch von Coronel aus den Bestimmungsort der ursprünglich versicherten Reise hätte ändern können. Denn eine Veränderung der versicherten Reise im Sinne einer anderen Bestimmung des Schiffes kann begrifflich ebensowohl nach als vor dem Beginne des Laufes der Gefahr für den Versicherer, also auch nach dem Antritte der Reise erfolgen (Art. 817 H. G. B. ). Allein der Berufungsrichter hat übersehen, daß es im vorliegenden Falle an der thatsächlichen Voraussetzung einer Änderung der Bestimmung des Schiffes nicht minder fehlt, wie an einer Abweichung von der versicherten Reise. Denn nach Art. 817 Abs. 3 H. G. B. hat eine Veränderung der Reise zur Voraussetzung, daß der Beschluß, dieselbe nach einem anderen Bestimmungsorte zurichten, zur Ausführung gebracht wird. Im vorliegenden Falle aber hat das Schiff die ursprünglich versicherte Reise auch von Coronel aus fortgesetzt. Denn die Verfrachtung desselben für eine Reise von San Antonio nach Iquique hat zwar die Folge gehabt, daß Kapitän S. als Bestimmungshafen nicht, wie er ursprünglich beabsichtigte, Valparaiso, sondern San Antonio wählte. Nach der ursprünglichen Versicherung, durch welche der Bestimmungsort alternativ festgestellt und die Wahl dem Versicherten überlassen ist, kann hierin aber im Sinne der Polize und den Versicherern gegenüber eine Änderung des Bestimmungsortes nicht gefunden werden. Rechtlich liegt also die Sache ganz ebenso, als wenn das Schiff für eine Reise von Valparaiso aus nach Iquique befrachtet und von dort nach Iquique (oder nach irgend einem anderen Hafen der Welt) versegelt wäre.

Der Berufungsrichter irrt aber auch, wenn er meint, daß die Reise von San Antonio nach Iquique jedenfalls durch die dritte Kumulative der Klausel gedeckt sein würde, welche auch "sonstige Veränderungen des Risiko" gestattet. Denn bei der Annahme, daß neben den beiden ersten Kumulativen der Klausel und neben der vollständigen Unbeschränktheit des übernommenen Risiko hinsichtlich der Art der Ladung kaum ein anderer Inhalt dieser Kumulative als ein gewisses Hinausgehen" über die "Grenzbestimmung" der gegen 1 1/4 Prozent Prämie versicherten Reise erfindlich und dies jedenfalls für die Kontrahenten beim Abschlüsse des Vertrages der Nächstliegende und daher nicht zu übersehende Fall gewesen sei, vergegenwärtigt er sich zunächst nicht, daß der Art. 818 H. G. B. unter den Fällen der Vergrößerung oder Veränderung der Gefahr in erster Linie die ungebührliche Verzögerung der Reise aufführt, und daß diese durch keine der übrigen Klauseln der Polize gedeckt ist, sodaß schon deshalb vielmehr anzunehmen sein würde, daß die Kontrahenten zunächst den Fall einer Verzögerung vor Augen hatten. Außerdem verkennt der Berufungsrichter, wie ihm die Revision mit Recht vorwirft, auch den wesentlichen Unterschied zwischen bloßen Modifikationen einer versicherten Reise und einer durch die Weiterreise vom Bestimmungsorte aus vorgenommenen Prolongation der Reise, da die letztere assekuranzrechtlich immer nur als eine neue Reise aufgefaßt werden und von einer "Erweiterung" des Risiko der versicherten Reise durch dieselbe, welche der Berufungsrichter darin findet, nicht mehr die Rede sein kann, sodaß es auch als unerheblich erscheint, ob diese s. g. Erweiterung im konkreten Falle nur - worauf der Berufungsrichter Gewicht legt - eine verhältnismäßig geringe war. Die Versicherung einer bestimmten Reise ist trotz aller möglichen für dieselbe gestatteten Abweichungen innerhalb der durch den Abgangs- und Bestimmungshafen gegebenen Grenzen durchaus zu unterscheiden von einer Mehrheit von Reisen, bezw. von einer über den Bestimmungsort hinausgehenden Reise. Nachdem die versicherte Reise beendigt ist, kann deshalb von "Erweiterung" derselben nicht mehr die Rede sein, und es kann daher auch in der Gefahr der "erweiterten" Reise keine Änderung der Gefahr der "versicherten" Reise erblickt werden. Daß - worauf der Berufungsrichter Gewicht legt - der Entschluß, über das auch vom Berufungsrichter mit Recht als der End-Bestimmungsort der zunächst versicherten Reise angesehene San Antonio hinaus nach Iquiquie zu gehen, d. h. also von dem Bestimmungsorte der versicherten Reise aus eine neue Reise nach Iquique anzutreten, von Kapitän S. nicht erst nach der Ankunft am Bestimmungsorte (in welchem Falle es auch nach Ansicht des Berufungsrichters wirkungslos gewesen sein würde), sondern schon in Coronel, wo die ursprünglich versicherte Reise noch nicht beendigt war, gefaßt ist, stellt sich dem vorstehenden zufolge als unerheblich dar. Es handelt sich vielmehr, wie der Beklagte mit Recht hervorgehoben hat, einfach um die Frage, ob durch die Klausel der Polize, daß auch sonstige Veränderungen des Risiko der versicherten Reise von Montevideo nach Valparaiso oder &etc; gedeckt sein sollen, nicht nur die letztgedachte Reise, sondern auch die von deren Bestimmungsorte aus angetretene weitere Reise versichert ist, sodaß das Schiff unter dem Schutze der Polize erst die eine und dann die andere Reise machen durfte. Diese Annahme widerspricht aber dem Begriffe einer bloßen Änderung der Gefahr der versicherten Reise... Es erscheint überhaupt als rechtsirrtümlich, wenn der Berufungsrichter die zunächst versicherte Reise als eine solche "nach der Westküste von Südamerika" bezeichnet, und wenn er von einer "Erweiterung" oder "Modifikation" derselben um die Strecke von Valparaiso nach Iquique, sowie von einem gewissen "Hinausgehen" über die "Grenzbestimmung" derselben und einer dadurch bewirkten "Extendierung" des Risiko "an der Westküste" spricht. Denn von der Versicherung einer Reise nach der Westküste von Südamerika ist in der Polize nirgends die Rede, sondern vielmehr nur von einer Reise nach Valparaiso mit dem Rechte der Wahl eines südlicheren Hafens Chile's, der Bestimmungsort ist mithin fixiert auf einen bestimmten Teil der südamerikanischen Westküste, wie denn auch der Kläger selbst angegeben hat, diese Beschränkung hinsichtlich des Bestimmungsortes gewollt zu haben, weil er für eine Versicherung nach der Westküste überhaupt eine höhere Prämie hätte bezahlen müssen. Von einer Erweiterung, Extendierung &etc; des Risiko kann daher assekuranzrechtlich überhaupt nicht die Rede sein. Assekuranzrechtlich liegt vielmehr immer eine neue Reise vor, mag die Weiterreise vom Bestimmungsorte aus in derselben Richtung, in einer Seitenrichtung oder in der entgegengesetzten Richtung unternommen werden, und mag sie eine größere oder verhältnismäßig kleine sein, Auch würde man schwerlich auf den Gedanken kommen, daß nur eine Veränderung des Risiko der versicherten Reise vorliege, wenn Kapitän S. eine Fracht von San Antonio (oder Valparaiso) aus anstatt nach Iquique vielmehr zurück nach Montevideo oder nach Europa oder der Ostküste der Vereinigten Staaten von Nordamerika angenommen hätte. Rechtlich stände dies aber der an der südamerikanischen Westküste entlang weitergehenden Reise nach Iquique völlig gleich. Zu Unterscheidungen fehlt es an jedem objektiven Maßstäbe, nach welchem z. B. zu beurteilen wäre, ob es auch noch als eine bloße Erweiterung, bezw. als eine verhältnismäßig geringe Modifikation der Risiko der versicherten Reise betrachtet werden könne, wenn die Lina anstatt nach Iquique nach einem noch nördlicheren Hafen an der Westküste Südamerikas oder wenn sie - ebenfalls in derselben Richtung - nach einem Hafen Mexiko's oder gar Kaliforniens gegangen wäre. Und welchen Unterschied kann es rechtlich machen, ob (wie geschehen) über die von San Antonio aus angetretene Reise nach Iquique und über die beabsichtigte weitere Reise von dort nach Hampton-Roads für Order zwei verschiedene Charterpartien abgeschlossen waren, oder ob ein und derselbe Frachtvertrag beide Reisen umfaßte, bezw. ob das Schiff von San Antonio direkt nach Hampton-Roads ging? Es erscheint vielmehr als rein zufällig und daher als rechtlich unerheblich, daß im vorliegenden Falle die Weiterreise in derselben Richtung, wie die frühere, gemacht wurde. Immer bleibt bei der Ausführung des Berufungsrichters der in Art. 827 H. G. B. ausgesprochene Grundsatz verkannt, daß bei der Versicherung des Schiffes für eine Reise die Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkte endet, in welchem die Löschung der Ladung oder des Ballastes im Bestimmungshafen beendet ist, da nach diesem Zeitpunkte eine Veränderung oder Erweiterung der übernommenen Gefahr begrifflich unmöglich ist.

Die Entscheidung des Berufungsrichters, daß der eingetretene Schade unter die von den Versicherern übernommene Gefahr fällt, stellt sich aber auch nicht etwa aus anderen Gründen als richtig dar. Zwar soll nach der Behauptung des Klägers die Polize bezweckt haben, das Schiff für irgend eine Reise nach der Westküste, eventuell auch nach einem nördlicheren Punkte als Valparaiso zu versichern, bis es denjenigen Hafen erreicht haben werde, von welchem es eine "neue größere Frachtreise", bezw. eine "selbständige Frachtreise", welche auch als eine "selbständige Rückreise" bezeichnet wird, antrete. Hierfür läßt sich aber offenbar aus der vom Kläger hervorgehobenen Klausel, daß der Risiko nach Ankunft und Entlöschung am Endbestimmungsorte noch 15 Tage in Kraft bleiben solle, insbesondere auch aus dem Ausdrucke "Endbestimmungsort" nicht das mindeste entnehmen. Daß der Kläger, wie er sich zu beeidigen erbietet, die Polize seinerseits in jenem Sinne verstanden haben will, ist für sich allein nicht maßgebend. Überdies hat der Kläger in der Begründung dieser Auffassung auch variiert, indem er sie bald aus der zuletzt gedachten Klausel, bald aus der Klausel "Abweichungen &etc;", bald (vgl. das Schreiben an seinen Anwalt vom 10. April 1883) schon aus dem, nach dem Eingange der Polize - ohne Erhöhung der Prämie - für die ursprüngliche Reise gestatteten Anlaufen beliebiger Plätze "in und außer der Route" folgert, wahrend er doch andererseits hervorhebt, daß den Versicherern bei der Andienung des Schadens die Bezahlung einer Zusatzprämie für die Reise von San Antonio nach Iquique angeboten sei und eine solche auch bei glücklichem Ablaufe derselben angeboten sein würde. Der Wortlaut der Polize bietet jedoch für keine dieser Deduktionen eine Stütze, und ebensowenig läßt sich ein solcher konkreter Vertragswille aus den Umständen des Falles entnehmen. Denn den Versicherern mußte zwar erkennbar sein, daß es sich - wie Kläger sich ausdrückt - um eine Reise auf Aventure handelte, d. h. daß das Schiff zur Zeit noch nicht zu einer bestimmten Reise verfrachtet war, sondern noch erst Frachtverdienst durch eine Reise von Montevideo aus suchte, nicht aber - zumal unstreitig die Versicherer sich auf die früher üblich gewesene Versicherung auch der folgenden Reise nicht mehr einlassen wollten -, daß der Versicherungsnehmer sich für den Fall der Ausführung der principaliter versicherten Reise dennoch auch für eine auf diese folgende Reise zu decken beabsichtigte, sofern dieselbe sich äußerlich nur als eine Fortsetzung der Reise an der südamerikanischen Westküste darstellte. Daß ferner der Versicherungsnehmer W. vom Kläger beauftragt gewesen sein und auch die Absicht gehabt haben soll, den Kläger für " alle denkbaren" Fälle einer Reise auf Aventure zu decken, ist schon deshalb unerheblich, weil Kläger nicht behauptet, daß diese Absicht beim Abschlüsse des Vertrages den Versicherern kundgegeben sei. Gegen die vom Kläger vertretene Auslegung spricht dagegen der Umstand, daß er bei früheren, mit derselben Klausel "Abweichungen &etc;" geschlossenen Versicherungen stets eine neue Versicherung genommen hat, sobald er die Weiterverfrachtung des Schiffes erfuhr, daß er sich nach der vorgelegten Korrespondenz vom Kapitän S. auch die Ankunft des Schiffes in Montevideo, bis wohin dasselbe von Marseille aus mit der gleichen Klausel versichert war, hatte telegraphieren lassen, daß er den Kapitän S. nach Abschluß der hier fraglichen Versicherung durch Brief vom 7. Oktober 1881 ebenfalls angewiesen hatte, ihm zu telegraphieren, "was er dort (an der Westküste) annehmen werde", und daß nach seinem eigenen Vorbringen kaum bezweifelt werden kann, er würde auch im vorliegenden Falle eine neue Versicherung genommen haben, wenn ihm nicht unglücklicherweise eine verstümmelte und unverständliche Depesche zugegangen, sondern der wirkliche Sachverhalt - daß nämlich das Schiff nach San Antonio gegangen sei und eine Fracht von dort nach Iquique angenommen habe - vom Kapitän S. richtig gemeldet wäre. Derartige Gefahren haben aber die Versicherer nach dem Wortlaute der Polize nicht übernommen, und auch vom Kläger ist nichts dafür beigebracht, daß dies dem Willen der Kontrahenten beim Abschlusse des Vertrages entspreche."

  • 1. Vgl. Entsch. des R. G. 's in Civils. Bd. 4 S. 47.
  • 2. Vgl. Entsch. des R. G. 's in Civils. Bd. 3 S. 425 flg. , Bd. 6 S. 412 flg. und Bd. 7 S. 27.
  • 3. Vgl. Art. 827 H. G. B. und §. 4 der Bremer Bedingungen.